Vom Fall des Wäller Ex-Bezirksdekans ausgelöste Untersuchung zeigt über Jahre miesen Umgang mit von sexuellen Übergriffen Betroffener auf
Kommission stellt gravierende Fehler beim Bistum Limburg fest: Opfer jahrelang schlecht behandelt
Auch im Bistum Limburg mit seinem schönen Dom hoch über der Lahn gibt es in Sachen Missbrauch und sexueller Übergriffe offenbar immer noch zu viele Schatten und zu wenig Licht. Jetzt hat die Unabhängige Kommission wieder einen lange nebulös gebliebenen Fall untersucht.
picture alliance / Thomas Frey/T

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Limburg (UKO Limburg) hat am Donnerstag ihren Bericht über den Fall des Pfarrers und zeitweiligen Westerwälder Bezirksdekans Winfried Roth veröffentlicht. Und wirft den Bistumsverantwortlichen mit den Ausführungen zu dieser Sache gravierende Fehler vor.

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Dabei geht es aber nur mittelbar um die Roth vorgeworfenen sexuellen Übergriffe aus den Jahren 2006/2007, vielmehr um die Frage, ob er angesichts dieser Vorwürfe 2020 von Bischof Georg Bätzing zum Bezirksdekan hätte befördert werden dürfen. Und vor allem ging es bei den Untersuchungen der neun externen UKO-Fachleute aus Kriminologie, Moraltheologie, Justiz und Betroffenenvertretung darum, ob sich die Bistumsvertreter nach den angezeigten Vorwürfen und in den mittlerweile vielen Jahren danach gegenüber der von den sexuellen Übergriffen betroffenen erwachsenen Frau, die in einer Ausbildung zur Gemeindereferentin war, richtig verhalten haben.

Dabei fällt die Kommission ein ziemlich vernichtendes Urteil über die damaligen und späteren Bistumsverantwortlichen. Allein der aktuelle Bischof Dr. Georg Bätzing kommt noch einigermaßen gut weg, weil die Kommission ihm bescheinigt: „Wir rechnen es dem Bischof hoch an, dass er sich 2022 öffentlich in der Presse und auch in seiner Anhörung vor der Kommission dazu bekannte, dass seine damalige Entscheidung (Roth zum Bezirksdekan zu ernennen, die Red.) ein Fehler war. (...) Wir verkennen nicht, dass der Bischof der Erste war, der sich der Betroffenen zugewandt hat und sich mit ihren Anliegen ernsthaft und konsequent auseinandergesetzt hat.“

Diese Strategie verzichtete zunächst nicht nur auf wirksame Sanktionen gegenüber dem Pfarrer, sondern kulminierte darin, den Störfaktor Frau, die sich über eine Verletzung ihrer persönlichen Integrität beschwert, zu entfernen.

Dies bedauern die Kommissionsmitglieder unter dem Vorsitz von Claudia Burgsmüller.

Nach Ansicht der Kommission hätte Bätzing Roth allerdings nicht zum Bezirksdekan machen dürfen. Die Zeit für Nachsicht sei noch nicht reif gewesen, die psychischen Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Betroffene seien nicht bedacht worden.

Keine Möglichkeit, Täter zur Verantwortung zu ziehen

Aber zurück in die Zeit 2006/2007. Die UKO Limburg zieht das Fazit: „Es gab für die Betroffene, die 2006 und 2007 sexuelle Belästigungen durch den Pfarrer erleben musste, zur Tatzeit keine Möglichkeit, den Pfarrer strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.“ Umso dringender wäre es nach Meinung der Kommission gewesen, dass für ein frauenverachtendes, sozial und moralisch inadäquates Verhalten des Pfarrers seitens des Bistums wirksame Instrumente zur Verfügung gestanden hätten, „die es in aller Schärfe als Verletzung der Integrität und sexuellen Selbstbestimmung der Betroffenen anerkannt hätten; die es daraufhin effektiv sanktioniert und der Betroffenen zeitnah Unterstützung angeboten hätten.“

Tatsächlich aber seien die Vorgänge vom Mentor bagatellisiert worden, der Betroffenen gar die Verantwortung zugeschoben worden, sich selbst dagegen zu wehren. Mit der Bagatellisierung sei es zu einer Täter-Opfer-Umkehr bei den Verantwortlichen im Bistum gekommen.

„Diese Strategie verzichtete zunächst nicht nur auf wirksame Sanktionen gegenüber dem Pfarrer, sondern kulminierte darin, den Störfaktor Frau, die sich über eine Verletzung ihrer persönlichen Integrität beschwert, zu entfernen“, bedauern die Kommissionsmitglieder unter dem Vorsitz von Claudia Burgsmüller. „Die Betroffene sollte ihre Ausbildung in einer anderen Pfarrei fortsetzen, wurde versetzt. Als wäre dies nicht schon Unrecht genug, wurde ihr im Dezember 2007 von Prälat Wanka ein Schweigegebot über die wahren Gründe ihrer Versetzung auferlegt. (...) Geschützt waren nur der Beschuldigte und die Institution Kirche.“

Beharrlichkeit der Betroffenen zahlte sich aus

Erst als die Betroffene sich 2013 an den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz wandte, der zuvor öffentlich beim Thema sexueller Missbrauch zum offenen Wort ermuntert hatte, wurde von ihm ein Treffen mit dem Beschuldigten, der Betroffenen und Prälat Wanka verabredet. Aber auch dieses Gespräch blieb offenbar ohne greifbares Ergebnis.

Fast zehn Jahre nach den Vorfällen wurde das Bistum Limburg offenbar erst im Sinne der betroffenen Frau aktiv, wie die UKO Limburg feststellt: „Allein der Beharrlichkeit der Betroffenen ist es zu verdanken, dass es schließlich im Februar 2016 zu einer Sanktionierung des Verhaltens des Pfarrers durch das Bistum kam: Im Gespräch u. a. mit Domkapitular Rösch wird der Pfarrer ermahnt, die notwendige Distanz zu Frauen einzuhalten und als Zeichen tätiger Reue 1000 Euro zur Unterstützung der Mittel für therapeutische Hilfe für die Geschädigte zu zahlen.“

Hier gibt es den vollständigen Bericht der UKO Limburg zu dem Fall oder im Internet unter der Adresse www.uko-limburg.de unter News.

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