Westerwaldkreis
Kind: Ukraine ist auch beim Fußball gespalten

Bei einem seiner Besuche in der Ukraine hat Bernd Kind (links) auch den Direktor einer Schule (Mitte) getroffen, der früher ein berühmter Fußballer war.

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Westerwaldkreis. Vier Jahre ist es her, dass in der Ukraine und in Polen eine Fußball-EM stattgefunden hat. Profitiert hat der erste Gruppengegner der deutschen Elf beim aktuellen Turnier in Frankreich, die Ukraine, von diesem sportlichen Großereignis nicht, wie Bernd Kind aus Gehlert berichtet.

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Von unserer Redakteurin Nadja Hoffmann-Heidrich

Der 77-Jährige fährt seit Jahrzehnten Hilfstransporte in das Land im Osten Europas und ist erst vor wenigen Wochen von einer erneuten Tour ins Gebiet rund um die Millionenstadt Donezk in der Ostukraine zurückgekehrt. Die Region liegt Kind sehr am Herzen, verloren hier doch im Zweiten Weltkrieg 30 000 bis 40 000 deutsche Soldaten in einem großen Kriegsgefangenenlager ihr Leben. Kinds Vater gelang es damals, rechtzeitig aus dem Gebiet zu flüchten, „doch an den Erfahrungen, die er hier gemacht hat, ist er später zerbrochen“, erzählt der Sohn.

Was der Westerwälder aktuell aus der Ukraine berichtet, ist ebenfalls wenig erfreulich. Umso mehr, so vermutet Kind, ist die Not leidende ukrainische Bevölkerung froh über die Ablenkung, die die am Freitag eröffnete EM ihnen bietet. Denn, das weiß der Gehlerter aus eigener Erfahrung nur zu gut: „Die Ukrainer sind fußballverrückt. Wenn uns Polizisten unterwegs anhalten, wollen sie immer zuerst wissen, von welchem Verein wir Fans sind – Bayern oder Dortmund“, berichtet der 77-Jährige. Insbesondere im Westen der Ukraine schauten die Menschen viel deutsches Fernsehen und vor allem Fußballbundesliga. Wenn ihre Nationalmannschaft an diesem Sonntag in Lille gegen die DFB-Elf antritt, werden sie leidenschaftlich mit ihrem Team mitfiebern.

Anders die Situation im stark von Russland geprägten Osten: „Viele Leute dort drücken lieber der russischen Mannschaft die Daumen. Das Land ist auch auf dem Fußballplatz gespalten“, berichtet Kind. Ein Ligabetrieb ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich, etliche Stadien sind baufällig oder komplett zerstört. Der auch international bekannte Erstligist Schachtjor Donezk trägt seine Heimspiele wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region seit zwei Jahren in Lemberg (Lwiw) aus.

Doch nicht nur die Fußballstadien befinden sich in einem schlechten Zustand, sondern die gesamte Infrastruktur. „Die einzig gute Straße ist die Verbindung zwischen der polnischen Grenze und Kiew, die extra zur EM 2012 gebaut wurde“, so der Gehlerter. Wirtschaftlich gehe es in der Ukraine permanent bergab. An allen Straßen blühe der Schwarzhandel mit Diesel. „Auch wir wurden schon angehalten und gefragt, ob wir aus unseren Lastern Diesel abzapfen und verkaufen würden“, berichtet Kind, der diesmal mit Bernd Görg (Ebernhahn), Gerd Wagener (Hundsdorf) und Maik Leyendecker (Hattert-Hütte) im Auftrag der Ukraine-Moldawien-Hilfe Kleidung und Medikamente zu bedürftigen Mitgliedern einer russisch-orthodoxen Gemeinde gebracht hat. Im Herbst wird der Gehlerter wohl zur nächsten Hilfstour in die Ukraine aufbrechen.

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