100 Interessierte diskutierten – teils sehr emotional – mit den Verantwortlichen bei der Ransbach-Baumbacher Informationsveranstaltung rund um die Immobilienstrategie der Pfarrei St. Peter und Paul im Kannenbäckerland. Für viele der Anwesenden war es eine Hiobsbotschaft: Die Kirche St. Markus in Ransbach muss verkauft werden – und das ausgerechnet im Jubiläumsjahr. Vor 75 Jahren wurde der Grundstein für das imposante Gotteshaus gelegt. St. Markus steht unter Denkmalschutz. Der Pfarrgemeinderat und der Verwaltungsrat der Kirchengemeinde werden die Verkaufsabsicht aller Voraussicht nach in ihren Sitzungen am 22. Mai und 4. Juni beschließen. Eine Alternative sehen die Verantwortlichen nicht – sehr zur Empörung vieler Zuschauer.
Oliver Licht, Projektreferent „Entwicklung der Pastoral“ beim Bischöflichen Ordinariat, stellte sich direkt zu Anfang Gerüchten entgegen: „Es wird keinen Abriss geben.“ Ziel sei der Verkauf und der Erhalt der Kirche als stadtbildprägendes Gebäude. „Sie soll in gute Hände kommen.“ Dieser Entschluss ist Teil der „Kannenbäcker Immobilien-Strategie“. Den Gläubigen wurde erklärt: Das Bistum hat deutlich gemacht, dass es nur noch den Unterhalt für eine Kirche leisten wird. Es brauche für die pastorale Arbeit nicht mehr zwei Gotteshäuser dieser Größe in einem Abstand von zwei Kilometern. Das Bistum steht vor großen Herausforderungen angesichts sinkender Mitgliederzahlen, eines Investitionsstaus von rund 500 Millionen Euro und eines erwarteten Defizits von 100 Millionen Euro bis 2035.
„Wir müssen und wollen in die pastorale Arbeit investieren und nicht in Steine.“
Das betonte Pfarrer Xavier Manickathan.
Pfarrer Xavier Manickathan und das Team der pastoral Mitarbeitenden haben die „Vision 2025“ konzipiert, in der sie ihre Vorstellungen von zukünftiger Gemeindearbeit festgehalten haben. Alle Verantwortlichen in der Pfarrei mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Kirchengemeinde aus finanziellen Gründen kaum alle Gebäude in akzeptablen Zustand wird erhalten können. Die konkrete Ausgestaltung der Kannenbäcker Immobilien-Strategie wird in enger Zusammenarbeit mit den Ortsausschüssen durchgeführt. Eines der Ziele ist es, für jeden Kirchort eine Räumlichkeit für kirchliche Belange verfügbar zu haben. Das wäre auch im kleineren Rahmen im Inneren von St. Markus in der Zukunft wünschenswert. Die Suche nach einem Investor soll bald beginnen.
„Für uns alle in der Pfarrei und auch für mich ganz persönlich ist es ein schmerzhafter Prozess, wenn wir uns von dem einen oder anderen Gebäude trennen müssen. Wir brauchen aber diesen wirtschaftlichen Spielraum für unsere Hauptaufgabe: die langfristige Begleitung der Menschen hier vor Ort als Seelsorger und die persönliche Begegnung mit der Gemeinde“, so Pfarrer Xavier Manickathan. „Wir müssen und wollen in die pastorale Arbeit investieren und nicht in Steine. Ohne lebendige Pastoral brauchen wir auch keine Gebäude.“ Er verstehe, dass viele Gläubige mit der Kirche wertvolle Erinnerungen verbinden an Erstkommunion, Hochzeit und Beerdigungen. „St. Markus ist für viele eine spirituelle Heimat, das ist mir sehr bewusst.“

Warum könne man nicht St. Antonius verkaufen und die ansprechendere Kirche in Ransbach behalten? Diese Frage kam aus dem Publikum. Die Antwort war eindeutig. Die Baumbacher Kirche ist erst vor wenigen Jahren für 400.000 Euro umfassend saniert worden und steht gut da. Wohingegen der Investitionsstau bei St. Markus fast eine Million Euro beträgt. Immer wieder lösen sich Steine aus dem Mauerwerk. Unter anderem müssten der Turm und die Westfassade saniert werden. Seit Jahren schon sei der Bau zur Sicherheit eingerüstet.
Heinzwilli Winkens wirkte aufgewühlt. „Die Kirche ist ein Stück von unserem Leben.“ Und Theophil Friedrich gab zu: „Ich bin im Innersten tief betroffen. Nach meinem christlichen Verständnis muss es aber möglich sein, eine tragfähige Lösung zu finden.“ Hubert Krins meldete sich zu Wort und betonte: „Das ist der erste große Kirchenbau der Nachkriegszeit, ein herausragendes Baudenkmal.“ Ralf Schmidt und andere kritisierten, dass die Gemeindemitglieder vor vollendete Tatsachen gestellt würden. Schmidt warf die Frage nach einem Förderverein auf. Dies wurde als unrealistisch abgetan. Man werde dadurch nicht die benötigten Summen generieren können.

Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Florian Dittrich, betonte, dass es keine Alternative gebe. „Veränderung ist normal. Wir brauchen Investoren an Bord. Es gibt keine Rücklagen.“ Und Leicht ergänzte: „Wenn wir nichts tun, verfällt dir Kirche immer mehr. Die Schäden werden immer größer, und dann ist der Erhalt des Gebäudes wirklich unsicher.“ Dittrich lud die Gläubigen dazu ein, gemeinsam ein neues Nutzungskonzept zu entwickeln. „Alle sollen sich einbringen können.“
Ideen gibt es schon. Der Ortsausschuss St. Markus rund um den Vorsitzenden Theophil Friedrich hat sich Gedanken um eine künftige Nutzung gemacht. Zum einen wurde eine Sozialkirche vorgeschlagen, in der karitative Einrichtungen untergebracht werden könnten, etwa die Tafel, eine Kleiderkammer oder die Caritas. Zum anderen steht schon ein ausführliches Konzept rund um eine mögliche Museumskirche, in der Altäre, Monstranzen, Heiligenfiguren, Gemälde und Kreuzwege von profanierten Kirchen im Bistum untergebracht und in wechselnden Ausstellungen gezeigt werden könnten.
„Kirche ist künftig nicht mehr an einen Ort gebunden.“
Pfarrer Xavier Manckathan setzt auf pastorale Transformation.
Manckathan setzt auf pastorale Transformation. Viele der künftigen Angebote werden sich an Kinder, Familien und Jugendliche richten. Es gab bereits Freiluftgottesdienste, Baumpflanzungen und Spaziergänge mit und ohne Hund (Vier Pfoten für ein Halleluja), sogar auf einem Bauernhof wurde gemeinsam gebetet. Die Gottesdienste sollen diverser werden. Der Geistliche aus Indien kann sich Tanz und Musik, Länderschwerpunkte und gemeinsame Essen vorstellen. „Kirche ist künftig nicht mehr an einen Ort gebunden.“
Vor der Versammlung hatten sich Kommunikationsreferent Thomas Wolf, Xavier Manckathan, Verwaltungsleiter Thomas Friedrich und Oliver Licht vom Bistum Limburg mit unserer Zeitung zu einem Hintergrundgespräch getroffen. Dabei wurde deutlich: In Sachen Immobilien wird sich in der Pfarrei noch einiges tun. Alle zwei Jahre soll die Situation neu bewertet werden. Viele der Gebäude werden verkauft, unter anderem sollen alle Kindertagesstätten in die kommunale Hand übergehen. Die Betriebsträgerschaft für die Kitas will die Pfarrei aber behalten. „Wir möchten im ersten Lebensbereich präsent sein“, betont der Pfarrer.

Das passiert mit den anderen Gebäuden
Der 2015 gegründeten Großpfarrei St. Peter und Paul im Kannenbäckerland gehören die Kirchorte Baumbach, Breitenau, Hillscheid, Höhr-Grenzhausen, Nauort, Ransbach und Stromberg an. 11.399 Katholiken leben in der Pfarrei. 26 Gebäude sind im Bestand. Das Jugendheim/Pfarrheim in Stromberg soll veräußert werden – ebenso das Pfarrheim in Breitenau, unter der Bedingung, dass im Pfarrheim, in der Kirche oder in einem anderen Gebäude in Breitenau eine angemessene Raumnutzung möglich bleibt. Die Kirchen St. Anna in Stromberg und St. Marien in Sessenbach, bleiben nur erhalten, solange die Reparaturen durch die jeweiligen Fördervereine und Rücklagen finanziert werden können. Die Pfarrhäuser in Breitenau und in Nauort sollen veräußert werden. Das gilt auch für das Marienheim in Höhr-Grenzhausen und das Josefsheim in Nauort. Das Pfarrheim in Ransbach soll der Kommune zum Kauf angeboten werden. Die Idee: Dort könnte eine weitere Kita in katholischer Trägerschaft entstehen. cam