Jungbulle zuletzt bei Ewighausen gesichtet
Jungbulle allein unterwegs: Wisent sucht im Westerwald nach Anschluss
Ein Wisent sucht im Westerwald nach Anschluss. Unter anderem bei Rodenbach ist er gesichtet worden. Foto: picture alliance/Marius Becker
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Westerwaldkreis. Ein Wisent streift durch den Westerwald. Zuletzt wurde er im Raum Ewighausen gesehen und auch fotografiert. Ortsbürgermeister Andres Höver ist ihm dort als Erster begegnet: Er war abends mit seiner Hündin auf dem Efeld unterwegs, als er das Tier bemerkte. „Ich konnte nicht erkennen, ob es ein Bison, Wisent oder Wasserbüffel war“, schildert er die Begegnung in der Dämmerung. Das Foto, das er trotz der Überraschung rasch mit dem Handy machte, war zu verwackelt für eine Identifikation.

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Mit dem örtlichen Jagdpächter installierte Höver in dem Gebiet Kameras und schaute sich um: „Wir haben zwei Liegeplätze in einem frisch gesäten Maisfeld ausgemacht, und an einem Gerstenfeld hat er sich wohl satt gefressen“, berichtet der Ortsbürgermeister. Höver telefonierte auch die ihm bekannten Halter von Wisenten, Bisons und Wasserbüffeln in der Region ab, um zu erfahren, ob irgendwo ein Tier ausgebüxt ist. Das schien nicht der Fall zu sein, doch ein Schnappschuss aus einer Wildkamera zeigte, dass es sich um einen Wisent handelt. Nun liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Jungbullen handelt, der aus der einzigen freilaufenden Herde in Westeuropa stammt: dem Artenschutzprojekt Wisent-Welt Wittgenstein.

Dessen Pressesprecher Michael Emmrich bestätigt, dass die Herkunft aus dieser Herde wahrscheinlich ist, soweit sonst kein Tier abgängig sei. Es gibt für Wisente auch eine Gendatenbank, in der jedoch nicht sämtliche Tiere der im Rothaargebirge lebenden Herde erfasst sind. Dennoch wird bei Vermutung einer Abstammung aus der Herde im Rothaargebirge meist Losung zum Trägerverein des Artenschutzprojekts geschickt, um einen Abgleich vorzunehmen.

Es gehört laut Emmrich zum normalen Lebenslauf von Wisenten, dass Jungbullen ihre Herkunftsherde mit dem Eintreten der Geschlechtsreife verlassen – eigentlich, um eine neue Herde zu finden, der sie sich anschließen können. Da dies in Deutschland mangels weiterer wild lebender Herden nicht geschehen kann, kehren gemäß der Erfahrungen der Projektbetreuer die Jungbullen meist zu ihrer Ursprungsherde zurück.

Daher und weil Wisente im Winter hierzulande nicht genügend Nahrung finden, hält der Wisent-Welt-Pressesprecher die Vermutung, dass der „Ewighausener Wisent“ bereits seit anderthalb Jahren durch die Region streife, für abwegig. Diese Vermutung entstammte indes dem Kontakt der Kreisverwaltung des Westerwaldkreises (als Sitz der Unteren Jagdbehörde und des Veterinäramts) mit einer Projektleiterin aus dem Rothaargebirge, „die berichtet hat, dass dort seit längerer Zeit ein Bulle abgängig ist, der vor einiger Zeit bereits in Laufrichtung Westerwald gesichtet wurde“, wie die Pressestelle der Kreisverwaltung mitteilt.

Wenn dem Bullen der einem Wildtier gebührende Respekt entgegengebracht werde, gehe von ihm keine Gefahr für Spaziergänger oder Haustiere aus, betont Emmrich. Generell seien die Tiere scheu und friedliebend, lediglich Kühe, die ihre Kälber schützen wollen, könnten aggressiv auftreten. Bei einem allein umherziehenden Jungbullen sei Angriffslust nicht zu erwarten, betont der Pressesprecher. Zwar können ausgewachsene Wisente fast drei Meter lang und bis zu einer Tonne schwer werden. Doch selbst in der Region, in der die Herde angesiedelt ist (und an den Straßen Warnschilder installiert seien), sei es erst ein Mal zu einem Verkehrsunfall mit Blechschaden gekommen. Bei diesem sei der Fahrer leicht verletzt worden, die Kuh verendete. Der Wisent-Verein sei versichert, um Unfälle, aber auch Wald- und Flurschäden regulieren zu können.

Auf die Frage, wieso niemand im Westerwaldkreis informiert wurde, dass ein Wisent hier(her) unterwegs sei – etwa um Bauern, Förster, Jäger oder Spaziergänger aufmerksam zu machen –, gibt Emmrich die Auskunft, der Verein stehe „im regelmäßigen Kontakt zu den Behörden rundherum“ und werde seinerseits kontaktiert, wenn ein Wisent gesichtet wird. Eine Rückführung zur Herde durch den Menschen ist laut Emmrich übrigens ausgeschlossen: „Das ist nicht gestattet, der Trägerverein des Artenschutzprojektes ist an das Naturschutzgesetz gebunden, das es verbietet, Wildtieren nachzustellen.“ Es werde abgewartet, bis das Tier selbst zur Herde zurückkehre. Diese habe laut Monitoring einen Bewegungsradius von acht bis zehn Kilometern, Jungbullen könnten sich indes auch weiter wegbewegen – sogar bis in den Westerwald.

Von unserer Redakteurin Katrin Maue-Klaeser

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