Staatsmann zu Gast am KAG
Jean Asselborn warnt in Westerburg vor Ende Europas
Im Westerburger Konrad-Adenauer-Gymnasium analysierte der langjährige frühere Luxemburger Außenminister Jean Asselborn sehr fundiert die ernste Lage in Europa und in der Welt.
Röder-Moldenhauer

Immer wieder schafft es Heinz Fischer, wichtige Persönlichkeiten für die Westerburger Gespräche zu gewinnen. Einen besonders dicken Fisch hatte er jetzt mit Jean Asselborn an Land gezogen, der spannend über Europa in schwierigen Zeiten berichtete.

Fast 20 Jahre war Jean Asselborn bis vergangenes Jahr Außenminister von Luxemburg. Damit ist er nicht nur EU-weit der Dienstälteste, sondern hat auch überaus reiche politische Erfahrungen gewonnen, die er jetzt mit mehr als 400 Zuhörern im Westerburger Konrad-Adenauer-Gymnasium teilte. Doch bevor es ihm Ernst wurde, insbesondere mit der Rolle, die Deutschland in Europa und in der Welt spielen müsse, kam der von dem Luxemburger gewohnte Schalk durch.

„Da ist einer, den musst Du einfach kennenlernen, das ist der Heinz Fischer“, habe man ihm bei der Einladung gesagt, die über die Vermittlung des rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten und Westerwälders Hendrik Hering zustande gekommen war. Lob für sein neuestes Westerburger Gespräch gab es für den ehemaligen Pädagogen mit seiner „engagierten Hartnäckigkeit“ auch von Schulleiter Thomas Wittfeld, der mit seinem Team und vor allem vielen Schülern den Gesprächsabend vorbereitet hatte, der mit einem Klavierstück von Marc Radloff eröffnet wurde.

Mehr als 400 Menschen hörten Jean Asselborn bei den Westerburger Gesprächen zu.
Röder-Moldenhauer

Danach hörte man sogar das leiseste Handy klingeln, so atemlos verfolgten die Zuhörer, die aus allen Altersschichten kamen, den Vortrag des Außenpolitik-Experten, der prima Deutsch spricht. Und der von ihm gewohnte Humor kam nur selten durch – zu Ernst ist ihm gerade derzeit das Thema Europa. Nur manchmal blitzte der Schalk dann doch wieder durch und es gab Lacher und Applaus. Zum Beispiel bei der Beschreibung seiner ersten Besuche im Kreml: „Da war der Tisch noch rund, nicht so lang wie heute.“ Oder bei einer Kritik an Trump: „Kann ja sein, dass er noch nie ein Buch gelesen hat.“

„„Wenn Europa einmal am Boden liegt, wird es nicht mehr wieder aufstehen.“
Jean Asselborn bringt seine Mahnungen auf den Punkt.

Apropos Trump: Hier hat Asselborn wie noch an anderen Stellen harte Bewertungen parat: „Europa ist eine Last für Trump.“ Weithin gehe es nicht mehr um Werte, sondern nur noch um den Deal. „Für die Demokratie ist Trump extrem gefährlich.“ Doch nicht nur er, machte Asselborn deutlich. In immer mehr Ländern seien Demokratie, Menschlichkeit und Freiheit in Gefahr. Gerade zu Europa musste der große Europafreund feststellen: „Der Kontinent ist gespaltener als im Kalten Krieg.“ Es gelte, alle Kräfte zu mobilisieren, um die europäische Einheit zu erhalten. Die Wähler hätten in Europa eine unheimlich große Verantwortung. Asselborn warnte: „Wenn Europa einmal am Boden liegt, wird es nicht mehr wieder aufstehen.“

Schlussendlich macht der ehemalige Außenminister aber auch in allem Ernst der weltweiten Lage klar: „Fatalismus ist das Allerwenigste, was wir jetzt brauchen können.“ Seit einer Woche, nach dem Stuhl-an-Stuhl-Gespräch im Vatikan, sehe er etwas Licht am Ende des Tunnels. Und Europa benötige jetzt ein ganz aktives Deutschland. Aus der Geschichte wisse man ja gerade in Deutschland, wohin mit Nationalismus gepaarte Menschenverachtung und Unfreiheit führen könnten. Dinge wie die Diskussionen ums Holocaust-Denkmal, der „Vogelschiss“ oder der Begriff Remigration passten einfach nicht zu Deutschland.

Sie zogen für das Thema Europa an einem Strik (von links) Heinz Fischer, Hendrik Hering, Jean Asselborn und Thomas Wittfeld.
Röder-Moldenhauer

Aber der langjährige Außenminister schlug den europäischen Bogen nicht nur bis zum Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine, sondern auch in den „Süden Europas“. Für den Gazastreifen müsse im Sinne der Menschlichkeit dringend eine Lösung gefunden werden. Im Gegensatz zu Netanjahu sieht er aber weiter nur eine Zwei-Staaten-Lösung als geeignet dafür an. Angesichts der vielen Konflikte beschäftigte sich Asselborn in seinem Vortrag intensiv mit der Nato. Insbesondere die Beistandsgarantie hänge vor allem vom weiteren Agieren Trumps ab. Deutschland müsse auch weg von der Schuldenbremse kommen und mehr Geld für die Verteidigung ausgeben.

Im Anschluss beantwortete der erfahrene Politiker noch tiefer gehende Fragen aus dem Publikum. Schade war, dass keiner der vielen anwesenden Schüler die Gelegenheit nutzte, Fragen zu stellen. Dabei hätten sie sogar Vorrang gehabt, hatte Heinz Fischer angekündigt. Er wies dann noch darauf hin, dass im Herbst ein neues Buch von Jean Asselborn herauskomme. „Vielleicht kommt er ja dann erneut in den Westerwald, um es vorzustellen.“

Top-News aus der Region