Für Bilal Hemdan kommt das „Aus“ völlig unerwartet: Er und seine Familie sollen abgeschoben werden, die Aufenthaltsgestattung ist abgelaufen. Der 33-Jährige ist mit seiner Frau und dem heute vierjährigen Sohn 2022 aus Ägypten nach Deutschland gekommen, um dem Kind eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Er hat sich integriert, einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Pflegehelfer in der Tasche, kann fließend Deutsch sprechen (den Sprachkurs beendete er mit Bestnoten) – und er hat eine Arbeitserlaubnis, die bis zum 23. Juli 2028 gelten soll. Bis dahin sei ihm eine „unselbstständige Erwerbstätigkeit nur als Pflegehelfer beim Alloheim Seniorenresidenz“ in Bad Marienberg gestattet. Doch der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnte Asylantrag macht diese Arbeitserlaubnis unwirksam. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Ablehnung wurde vom Oberverwaltungsgericht Ende Dezember 2024 abgelehnt.
Das verstehen weder die Familie noch andere Menschen, die sich für den Verbleib von Bilal und dessen Familie einsetzen, zumal Pflegekräfte dringend gebraucht werden. Sie haben sich an die Kreisverwaltung, an Bundesabgeordnete, an Lokalpolitiker, ja sogar an den Ministerpräsidenten und den Landtagspräsidenten gewandt. Auch eine Petition über change.org wurde gestartet, mit der Unterschriften gesammelt werden für das Ziel: „Bilal muss bleiben!“.

Ägypter will sich ausbilden lassen
„Ich habe hier von null angefangen, habe gekämpft“, sagt Bilal. Er ist stolz darauf, was er sich erarbeitet hat, dass er mit seiner Arbeit nicht nur seine Familie ernähren, sondern vielen Menschen helfen kann. Im Herbst wollte er die Ausbildung zum Pflegeassistenten beginnen, hat dafür eine Zusage. „Deutschland hat mir viel gegeben“, sagt er. Doch von einem Tag auf den anderen droht der Traum seines sicheren Lebens hier in dem „schönen deutschen Land“ zu platzen.
„Ich habe gar nicht an Asyl gedacht, ich brauche kein Asyl“, ist Bilal verzweifelt. Er habe doch eine Festanstellung, sorge für sich, zahle Steuern in Deutschland. „Ich brauche nur eine Chance“, fügt er an. Mit dem Sohn sprechen seine Frau und er ausschließlich deutsch, damit er keine Probleme im Kindergarten bekommt. Seine Frau Yasmin hat ebenfalls einen Sprachkurs erfolgreich absolviert. Und nun droht die Abschiebung. Denn die Aufenthaltsgestattung „zur Durchführung des Asylverfahrens“ wird nicht verlängert.

Bewohner und Kollegen schätzen Bilal Hemdan
Auf die Frage, wo die Familie denn wohnen könne, wenn sie zurück nach Ägypten müsse, kann Bilal nur mühsam antworten. Er, der sonst so lebhaft – und dabei immer um ein gutes Deutsch bemüht – spricht, dessen Augen lebendig blitzen, wird fahl im Gesicht. Nein, darüber könne er nicht nachdenken. Er lebe von Tag zu Tag, sagt er und hakt nach: „Verstehen Sie?“.
Bilal und seine Familie können nicht nachvollziehen, warum sie hier, in ihrer neuen Heimat nicht bleiben dürfen. Wo doch auch eine Arbeitserlaubnis für die weiteren vier Jahre vorliegt. Und Pflegekräfte dringend gebraucht werden. Auch seine Frau hat sich um Arbeit bemüht. Bilal, der über Monate hinweg vormittags die Sprachschule besuchte, dann seinen Dienst in der Seniorenresidenz leistete, dort von den Kollegen und Bewohnern als „Mensch mit Herz“ geliebt wurde, ist nun zum Nichtstun verdammt. Ein Anwalt, der eingeschaltet wurde, versuchte, Berufung einzulegen. Doch das Gericht entschied: Das ist nicht möglich.
„Die schwere Pflegearbeit leistete er nicht als ,Tätigkeit‘, sondern als Herzenssache.“
Erich Neumann kennt und schätzt die Arbeit von Bilal Hemdan
Viele Menschen möchten Bilal helfen. Sie schätzen ihn und seine Arbeit, wissen um die schwierige Arbeitskräftesituation in Pflegeheimen und wie sehr der Ägypter von den Bewohnern der Pflegeeinrichtung vermisst wird. Seine herzliche, immer gut gelaunte und stets professionelle Art fehlt an allen Ecken und Kanten. Da ist Erich Neumann, 91 Jahre alt, der sich an die Politiker gewandt hat, beispielsweise an Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer. „Gestatten Sie mir, dass ich mich in einer äußerst ärgerlichen Angelegenheit, von der viele alte, behinderte und kranke Menschen betroffen sind, an Sie wende“, beginnt er seinen Brief. Er beschreibt Hemdan, den er persönlich durch seine täglichen Besuche in der Einrichtung kennt, als lernbegierigen, fürsorglichen Menschen. „Die schwere Pflegearbeit leistete er nicht als ,Tätigkeit‘, sondern als Herzenssache.“ Was Neumann empört ist die Entscheidung der Ausländerbehörde, die den Mann nach Ägypten zurückschicken will. „Dadurch würde uns eine höchst willkommene, wertvolle, zugewanderte Arbeitskraft verloren gehen“, verdeutlicht er.
Auch Vinzenz Baldus, der bekannte Westerwälder Wirtschaftscoach, kann diese Entscheidung nicht verstehen, die er eine „Ungeheuerlichkeit“ und „irrwitzige Abschiebung“ nennt. „Bilal ist der beliebteste Pfleger in der gesamten Einrichtung“, verdeutlicht Baldus. Der 33-Jährige beziehe weder Bürger- noch Kindergeld und habe eine feste Zusage zur Ausbildung. „Und so einen weist der Staat aus, das ist eine Ungeheuerlichkeit. Ein solcher Mensch, vorbildlich, der beliebteste Kollege!“, empört er sich und hat sich deshalb unter anderem an den Landrat gewandt.

Schwierige Sachlage
In dessen Auftrag erhielt Baldus eine Antwort von der Ersten Kreisbeigeordneten Gabriele Wieland, die unserer Zeitung vorliegt. Darin heißt es: Hemdan sei 2022 ohne gültiges Visum eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Damit seien die Aufenthaltsgestattung und die Arbeitserlaubnis erloschen. „Derzeit steht ein Gespräch zwischen Ausländerbehörde und Herrn Hemdan noch aus, um die weitere Vorgehensweise zu klären“, kündigt Wieland an. Sie fügt noch an, dass der Ägypter als nicht ausgebildeter Pflegehelfer gearbeitet habe und schlussfolgert: „Das heißt, er wird – wenn dies rechtlich möglich wäre – nicht den nötigen Verdienst für die Duldung der Familie nachweisen können.“
Schließlich gibt sie noch den Hinweis: „Ein Spurwechsel gilt für Personen, die ihren Asylantrag zurücknehmen und Fachkräfte sind. Der Gesetzgeber hatte wohl die Intention zu vermeiden, dass abgelehnte Asylbewerber eine (Schein-)Tätigkeit z. B. im Pflegebereich ohne langfristige Perspektive aufnehmen, um die Abschiebung zu verhindern.“ Die Sachlage sei, wie so oft, sehr schwierig.
Bilal hat die Hoffnung nicht aufgegeben
Diese Stellungnahme hat auch andere „Fürsprecher“ erreicht. So erhielt Erich Neumann eine E-Mail vom Abgeordnetenbüro Hendrik Hering, in welcher Thomas Mockenhaupt dem 91-Jährigen mitteilt, dass dieser Stellungnahme seitens der Kreisverwaltung zu entnehmen sei, „dass dort keine Bereitschaft besteht, die Abschiebung abzuwenden. Wir werden prüfen lassen, welche Möglichkeiten wir haben, Montabaur daran zu hindern“. Empört reagiert auch Baldus und schreibt an Wienand: „Wie schön wäre es gewesen, wenn sich das Bürokratieland Deutschland in allen Fällen so eng am Gesetzestext orientiert hätte.“ Im Fall von Bilal seien wohl Paragrafen einfach wichtiger als Menschen.
Der 33-Jährige hat für seine Familie und sich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er seinen Traum doch noch weiterleben darf: hier zu bleiben, zu arbeiten und seinem Kind eine sichere, gute Zukunft zu ermöglichen. Am Montag hat er einen Termin bei der Ausländerbehörde.
Was sind sichere Herkunftsländer?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge informiert auf seiner Homepage in dem Artikel „Asyl und Flüchtlingsschutz“ vom 15. Januar 2024: Als sicheren Herkunftsstaat definiert das Gesetz Länder, von denen aufgrund des demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage davon ausgegangen werden kann, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann. Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung bedeutet zum Beispiel, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Bevölkerung existieren und diese auch zugänglich gemacht und angewendet werden. Bei der Auflistung, welche Länder in Deutschland derzeit als sichere Herkunftsstaaten gelten, ist Ägypten nicht gelistet. bau