Der erste, der diesen Titel in Rheinland-Pfalz tragen durfte, war Toni Stum vom Westerwälder Bestattungshaus Christoph Müller aus Atzelgift. Im November 2019 hat er diese Qualifikation erworben. Ein knappes Jahr später besuchte seine Kollegin Andrea Müller einen entsprechenden Kurs. Nach eigenen Angaben sind die beiden bislang die einzigen Bestatter in ganz Rheinland-Pfalz, die diesen Service anbieten.
Auf der Internetseite www.demenzfreundlichebestattung.de, die von den niederländischen Begründern der Methode geführt wird, wird beschrieben, wie drastisch Demenz das Leben der Betroffenen und der Angehörigen verändert. Aufgrund dieser Veränderungen sei der Alltag für alle Beteiligten unter normalen Umständen schon eine Herausforderung. „Ein Sterbefall mit einem Menschen mit Demenz im unmittelbaren Kreis der Angehörigen führt fast immer zu komplizierten Umständen. Der Verlust eines Elternteils, Partners, Kindes oder Geschwisters verlangt unter diesen Umständen allen Beteiligten viel ab“, heißt es dort.
Über einen Facebook-Eintrag wurde Toni Stum, ausgebildete Bestattungsfachkraft mit Auszeichnung als Innungs-, Landes- und Bundessieger im Jahre 2011 und zudem der einzige geprüfte Thanatopraktiker (kümmert sich um die ästhetische Versorgung eines Verstorbenen) in der Region, auf die Terramor-Methode aufmerksam, die 2017 von der Vereinigung Alzheimer Niederlande gewürdigt wurde. „Ich war von dem Ansatz sofort total begeistert, denn wir standen in der Praxis schon häufiger vor dem Problem, dass Angehörige von Verstorbenen nicht wussten, wie sie diese Nachricht ihrem demenzkranken Familienmitglied vermitteln und dieses in die Trauerfeier einbinden sollten“, berichtet Stum. Das sei für das Bestattungsunternehmen jedes Mal eine sehr unbefriedigende Situation gewesen, zumal beim Abschiednehmen und bei der Beisetzung ja das Gedenken an den Toten im Fokus stehen soll.
Probleme bestünden beispielsweise darin, dass die demente Person den Verstorbenen gar nicht mehr erkenne. Auch könnten sich demente Angehörige unter Umständen bei der Beerdigung unpassend verhalten. Die Terramor-Methode, benannt nach dem sie entwickelnden niederländischen Trauerhaus, setzt da an, den dementen Menschen im Rahmen seiner Möglichkeiten und ganz individuell, gemessen an dessen Fähigkeiten, in den Trauerprozess einzubeziehen. Dazu werden beispielsweise Reize gesetzt, durch die das kranke Familienmitglied seinen langjährigen Ehepartner möglicherweise doch wieder erkennt: „Etwa könnte der Demenzkranke dabei mithelfen, Kleidung rauszusuchen, die er oder sie gerne an dem Toten gesehen hat“, erklärt Andrea Müller. Auch sei es möglich, das Lieblingsparfüm des Verstorbenen einzusetzen und damit vielleicht Erinnerungen an den Verstorbenen zu wecken. Weitere Reize könnten durch das Aufstellen und Anschauen von alten Fotos, durch eine spezielle Blumenwahl oder durch das Abspielen bestimmter Musik gesetzt werden, fügt Stum hinzu. Jede Familie könne ihre eigenen Rituale finden. Damit alles funktioniert, raten die Experten Angehörigen, den Bestatter frühzeitig über die Situation in der Familie zu informieren. Dann könnten gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeitet und alle Beteiligten wie etwa Pfarrer und Friedhofspersonal involviert werden. Wer Sorge habe, dass eine öffentliche Beisetzung den Demenzkranken und damit letztlich auch die Angehörigen überfordere, könne auch überlegen, zusätzlich eine Trauerfeier im ganz kleinen Familienkreis zu organisieren, an der der Betroffene dann teilnimmt, während auf sein Beisein bei der großen Beerdigung verzichtet wird.
Auf keinen Fall aber, so Stum und Müller, solle man einem Demenzkranken die Nachricht über den Tod eines geliebten Menschen vorenthalten – selbst wenn er diese am nächsten Tag schon wieder vergessen habe. „Hier geht es um die Würde des Demenzkranken und um sein Recht zu erfahren, dass sein Partner oder sein Kind tot ist“, macht Toni Stum deutlich.
So sei es in der intensiven zweitägigen Schulung zum demenzfreundlichen Bestatter zunächst grundlegend darum gegangen, welche Arten von Demenz es gibt und wie man einen Demenzpatienten anspreche. „Wichtig ist, dass man mit und nicht über den Kranken redet“, so die Atzelgifter Bestatter. Manchmal würden schon Kleinigkeiten helfen, die Situation zu entspannen und den Betroffenen zu beruhigen. „Der Kurs war anspruchsvoll, aber sehr lehrreich“, betont Andrea Müller, die gelernte Krankenschwester ist und als solche den Umgang mit Dementen kennt. Die demenzfreundlichen Bestatter sind über ihren Verband auch als Partner des Bündnisses für eine demenzfreundliche Gesellschaft anerkannt.
Seit das Atzelgifter Unternehmen dieses Angebot macht, seien schon etliche Kunden dankbar für die größeren und kleineren Tipps im Umgang mit dementen Angehörigen im Sterbefall gewesen, die es erleichterten, die Trauer in Gemeinschaft mit Oma und/oder Opa zu erleben. Hin und wieder gebe es jedoch auch Familien, die die Anregungen ablehnten. „Wir können unsere Hilfe bei dem Thema nur anbieten, akzeptieren aber selbstverständlich jedwede Entscheidung der Angehörigen“, so Stum und Müller.
Weitere Infos unter: www.bestattung-mueller.de