Von unserem Redakteur Michael Wenzel
Wegen unterlassener Hilfeleistung erhielt ein Mann, der seine alkoholisierte Schwester in einer hilflosen Lage zurückgelassen hatte, eine sogenannte Verwarnung unter Strafvorbehalt. Die Frau war wegen starker Unterkühlung in ein Koblenzer Krankenhaus eingeliefert worden und dort verstorben. Eventuell hätte sie gerettet werden können, wenn früh genug ein Arzt gerufen worden wäre, so die Staatsanwaltschaft.
Es war am späten Abend des 20. Februars, als der Beschuldigte seine Schwester stark alkoholisiert auf dem Boden kriechend und völlig durchnässt vor seinem Haus vorfand. Wie die Staatsanwaltschaft weiter zum Tatgeschehen ermittelte, rief der Mann einen Bruder herbei, der ihm sodann dabei half, die Schwester in die Garage zu bringen. Die Frau klagte offenbar über heftige Schmerzen, soll aber jede weitere Hilfe, insbesondere das Hinzuziehen eines Notarztes, abgelehnt haben. Die Männer ließen ihre Schwester alleine und gingen zu Bett.
Am folgenden Morgen ging der Hauptbeschuldigte wieder in die Garage, um nach seiner Schwester zu schauen. Spätestens jetzt, so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, müsse dem Bruder klar gewesen sein, dass seine Schwester dringend ärztlicher Hilfe bedurfte, denn sie habe völlig durchnässt, unterkühlt und röchelnd auf dem Garagenboden gelegen. Das war gegen 7 Uhr in der Frühe. Doch anstatt zu helfen ging der Beschuldigte wieder zurück ins Haus, so die Ankläger. Erst als der Ehemann der Schwester seine Frau gegen 8.30 Uhr in der Garage liegend vorfand, und dachte, diese sei tot, wurde ein Arzt hinzugezogen. Die Frau wurde sodann in den Koblenzer Marienhof transportiert, wo sie später verstarb. Als Todesursache wurde Kammerflimmern infolge von Unterkühlung diagnostiziert. Bei Einlieferung ins Krankenhaus lag die Körpertemperatur der Verstorbenen bei nur noch 23,6 Grad. Die Frau hätte möglicherweise gerettet werden können, wenn der Bruder am Morgen sofort einen Arzt verständigt hätte, so die Vorwürfe der Koblenzer Staatsanwaltschaft.
Die Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl des Amtsgerichtes ist mittlerweile abgelaufen, sodass er Rechtskraft erlangt hat. Der Bruder erhielt auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht eine sogenannte Verwarnung unter Strafvorbehalt. Sollte er sich während einer Bewährungszeit etwas zu Schulden kommen lassen, muss er 60 Tagessätze zu je 30 Euro zahlen. Wird der Verwarnte nicht zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, so stellt das Gericht nach Ablauf der Bewährungszeit fest, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat.
Der menschliche Körper hat die Fähigkeit, seine Körpertemperatur auch bei Schwankungen der Umgebungstemperatur konstant bei rund 37 Grad Celsius zu halten, was man als Thermoregulation bezeichnet. Sinkt die Temperatur auf weniger als 28 Grad Celsius ab, kommt es zum Verlust des Bewusstseins, einem unregelmäßigen und abgeschwächten Puls, später zu einem Atem- und Kreislaufstillstand infolge von Herzrhythmusstörungen. Lichtstarre Pupillen und Lähmung der Muskulatur kommen hinzu. Bei Körpertemperaturen unter 28 Grad ist es nur noch schwer möglich, eindeutig zu bestimmen, ob die unterkühlte Person noch lebt oder bereits tot ist. Die Atmung in diesem Status kann zu abgeflacht, der Puls zu langsam und zu schwach sein, vor allem in den wenig durchbluteten Extremitäten. Bei Einlieferung ins Krankenhaus lag im vorliegenden Fall die Körpertemperatur der Verstorbenen bei nur noch 23,6 Grad Celsius.