Ebernhahn
Hat ein Mann seinen Schulfreund getötet? Urteil im Ebernhahner Totschlags-Prozess gefallen
Prozess um Im Implantate aus Billigsilikon
Uli Deck. picture alliance / dpa

Im Prozess um einen 59-jährigen Mann, der seinen alten Schulfreund (60) im Oktober 2022 in dessen Wohnung in Ebernhahn nach einem Streit mit mehreren Messerstichen getötet haben soll, ist nun das Urteil gefallen.

Prozess um Im Implantate aus Billigsilikon
Uli Deck. picture alliance / dpa

Die Rechtsmedizin hatte Suizid nicht ausgeschlossen: Nach dieser überraschenden Wendung im Prozess vor dem Koblenzer Landgericht um den 59-Jährigen, der im Oktober 2022 in Ebernhahn einen Schulfreund mit mehreren Messerstichen getötet haben soll (wir berichteten), wartete bei der Urteilsverkündung eine weitere Überraschung auf die Zuschauer im Saal. Richter Rupert Stehlin sprach den Mann wegen verminderter Schuldfähigkeit frei und ordnete eine dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Zudem trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Strafkammer sei davon überzeugt, dass der Angeklagte die Tat begangen habe, betonte Stehlin bei der Urteilsverkündung. Der Mann sei zur Tatzeit in der Wohnung des Freundes gewesen und habe den mit mehreren Messerstichen getötet. Das Tatwerkzeug habe er in der Brust des sterbenden Mannes stecken lassen. Als das Opfer versucht habe, es aus seiner Brust zu ziehen, habe der Angeklagte mit einem weiteren Messer noch einmal zugestochen, um sicherzugehen, dass sein Freund wirklich tot sei. Daraufhin habe er die Leiche des Freunds mit einer Bettdecke verhüllt.

„Die Kammer schließt im Ergebnis ein suizidales Ereignis aus.“

Richter Rupert Stehlin

Das geschah am Abend des 7. Oktober 2022 nach einem Streit, der abrupt endete, wie mehrere Zeugen aussagten – daran hatte das Gericht keine Zweifel. Der Angeklagte soll weiter in der Wohnung des Opfers gewohnt haben; er wurde am kommenden Tag von dort von einem Krankenwagen abgeholt. Am Abend des Samstags, 8. Oktobers 2022, so glaubt die Kammer, sei der Angeklagte noch einmal in die Wohnung des Opfers zurückgekehrt und habe sich bis Sonntag dort aufgehalten.

Das belegten unter anderem Blutspuren am Schuh des Beschuldigten. Zudem hatte der 59-Jährige nach dem Tod seines Opfers dessen Handy genutzt. „Die Kammer schließt im Ergebnis ein suizidales Ereignis aus“, erklärte der Richter zu der Arbeitshypothese der Rechtsmediziner. Die hatten einen Selbstmord für möglich erklärt. Die im Laufe der Verhandlung wiederkehrende Vermutung, ein unbekannter Dritter habe den Schulfreund des Angeklagten umgebracht, verwarf der Richter. In seiner eigenen Aussage hatte der 59-Jährige erklärt, er habe seinen Freund nach dessen Tod in der Wohnung gefunden und ihn dann zugedeckt. Die Polizei habe er nicht alarmiert, weil er nicht unter Tatverdacht geraten wollte, brachte der Beschuldigte vor.

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Aufgrund der bipolaren Störung des Angeklagten, dessen Alkoholabhängigkeit und eines hirnorganischen Abbaus, der eine Persönlichkeits- und Verhaltensänderung zur Folge hat, sei nicht klar, ob er zum Tatzeitpunkt schuldfähig war. Deshalb wurde der Angeklagte freigesprochen. Gleichzeitig entschied das Gericht, dass der 59-Jährige in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist.

Damit folgte die Kammer dem Antrag des Oberstaatsanwalts, der aufgrund der schlechten Prognose des psychiatrischen Sachverständigen Gerhard Buchholz einen weiteren Aufenthalt in einer Entziehungseinrichtung ausschloss. Das brächte bei dem dauerhaft Kranken keinen Erfolg. „Es läge auf der Hand, dass wenn der Angeklagte wieder auf freien Fuß gesetzt würde, würde er wieder dem Alkohol zusprechen“, machte auch der Richter deutlich. Das, sein aggressives Verhalten und die fehlende Konfliktfähigkeit, die für die Allgemeinheit gefährlich sei, rechtfertige die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Mit der Entscheidung, den Angeklagten die Kosten des Verfahrens tragen zu lassen, übertraf die Strafkammer die Forderungen des Staatsanwalts. Der Freispruch jedoch war nach den Plädoyers keine Überraschung mehr. Zuvor hatten schon Oberstaatsanwalt Thorsten Kahl und Verteidiger Michael Hürth einen Freispruch für den Westerwälder gefordert, wenngleich mit verschiedenen Begründungen. Während der eine aus Schuldunfähigkeit aufgrund einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen dafür plädierte, pochte der andere auf Unschuld oder zumindest auf „In dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten).

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