Großkarnivorenbeauftragter Stefan Hetger ist überzeugt: Rückkehr ist ein Gewinn für die Artenvielfalt
Großkanivorenbeauftragter gibt Auskunft: Wolf ist im Westerwald mittlerweile heimisch
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Im August sind diese beiden Welpen des Leuscheider Rudels bei Hachenburg in die Fotofalle getappt. Einer der beiden Jungwölfe scheint geradezu für die Kamera zu posieren. Foto: Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft
Forschungsanstalt für Waldökolog

Westerwaldkreis. Der Wolf, einst in weiten Teilen Europas heimisch, ist nach anderthalb Jahrhunderten der Abwesenheit in den Westerwald zurückgekehrt. Derzeit gibt es jedoch – neben dem im Kreis Altenkirchen sowie dem benachbarten NRW ansässigen Leuscheider Rudel – nur ein Wolfsrudel im Westerwaldkreis. Es hält sich im Hachenburger Wald auf, wird daher auch als Hachenburger Rudel bezeichnet und besteht aus zwei Elterntieren und bis zu vier Welpen.

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Belastbare Hinweise auf weitere (Einzel-)Tiere, die in der Region ansässig sind, gibt es nicht. Das berichtet Stefan Hetger, einer von 32 Großkarnivorenbeauftragten in Rheinland-Pfalz. Und er betont: „So wird es nicht bleiben. Ich rechne in wenigen Jahren mit zwei bis drei weiteren Rudeln.“

Der 59-Jährige ist im Hauptberuf Naturschutzreferent bei der Oberen Naturschutzbehörde der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz. Der studierte Forstwirt ist aber im Ehrenamt tätig für das im Jahr 2021 gegründete Koordinationszentrum Luchs und Wolf (Kluwo) in Trippstadt. Das Kluwo koordiniert im Wesentlichen die Maßnahmen mit Bezug auf die beiden Großkarnivoren in Rheinland-Pfalz. Wobei der Luchs bislang lediglich in der Pfalz vorkommt. Der in Ötzingen lebende Stefan Hetger betreut das Gebiet 26 seit 2018. Es umfasst Teile der Verbandsgemeinde Montabaur, Teile der Verbandsgemeinde Selters, die Verbandsgemeinden Wirges, Westerburg, Wallmerod und Rennerod bis hin zur hessischen Landesgrenze.

Sichtungen und Nachweise

Seine Aufgabe ist das Monitoring, er muss also allen Hinweisen nachgehen, die auf die Anwesenheit eines Wolfes hinweisen. Ein Monitoringjahr liegt zwischen dem 1. Mai und dem 30. April. „Das Monitoringjahr ist angelehnt an das biologische Jahr der Wölfe. Anfang Mai bekommen diese ihren Nachwuchs.“ Zum Großteil werden ihm Sichtungen, mögliche Risse oder Losungen durch persönliche Kontakte gemeldet oder aber über die Großkarnivoren-Hotline. Es gibt bundeseinheitliche Kriterien in fünf Kategorien, mit denen Hinweise bewertet werden. Ein sicherer sogenannter C1-Nachweis wäre ein Totfund, ein Fotofallenbild oder ein genetischer Nachweis mittels Losung. All seine Erkenntnisse gibt er ans Kluwo weiter.

Auch für Laien gibt es übrigens Möglichkeiten, dem scheuen Wolf auf die Spur zu kommen. „Um ihr Revier zu markieren, setzen Wölfe Kot bewusst mittig auf Fahr- oder Spazierwegen an prominenten Stellen und Kreuzungen ab. Wenn die Losung Knochen und Haare enthält und etwa 20 Zentimeter mal 2,5 Zentimeter groß ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich um Wolfsausscheidungen.“ Auch das Fraßbild an Wildtierrissen spricht meist eine eindeutige Sprache. „Hunde töten auch Wild, aber sie fressen meist nicht so große Mengen weg. Denn in der Regel sind unsere Haustiere ja satt“, erklärt der Großkarnivorenbeauftragte.

Sicherheit bietet aber nur der DNA-Abstrich. Hetger hat eine große Kiste mit Arbeitsmaterialien, die er bei Einsätzen stets dabei hat. Darin sind neben sterilen Handschuhen und Leichensäcken für verunfallte Wölfe unter anderem auch DNA-Tests, Kits für Kotproben und ein Zollstock. Genetische Proben werden mit der Post ans Kluwo verschickt und anschließend im Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen untersucht.

Streng geschützte Art

Zunächst ein Blick in die Geschichte: Noch im 19. Jahrhundert war der Wolf ein fester Bestandteil der deutschen Tierwelt, auch im Westerwald. Doch durch intensive Jagd und die Zerstörung seines Lebensraums wurde der Wolf bis ins späte 19. Jahrhundert hinein in weiten Teilen Deutschlands ausgerottet. Die Rückkehr des Tieres begann erst in den letzten Jahrzehnten, als sich die Wölfe von Osteuropa aus wieder in Richtung Westen ausbreiteten. In Deutschland steht der Wolf seit 1982 unter strengem Naturschutz, was den Tieren die Möglichkeit gegeben hat, neue Lebensräume zu besiedeln.

Wieso ist der Wolf zurück? Im Westerwald findet er gute Bedingungen vor. Große Wälder und eine nicht zu dichte Besiedlung bieten dem Raubtier den nötigen Schutz und Rückzugsmöglichkeiten. Vor allem aber gibt es eine ausreichend große Population an Wildtieren, wie Rehe und Wildschweine, die den Wolf mit Nahrung versorgen. Stefan Hetger betont: „Die Rückkehr des Wolfes in den Westerwald ist daher nicht überraschend, sondern ein natürlicher Prozess, der durch den wiederhergestellten Lebensraum und das ökologische Gleichgewicht begünstigt wird.“

2012 wurde einer der ersten Wölfe im Westerwald gesichtet und kurz darauf erschossen. Der Jäger behauptete damals, ihn für einen wildernden Hund gehalten zu haben. Das ausgestopfte Tier ist im Landschaftsmuseum in Hachenburg zu sehen. 2020 siedelte sich das nach einem dortigen Waldgebiet benannte Leuscheider Rudel im Kreis Altenkirchen nördlich der B 8 an. Von ihm stammt auch das Hachenburger Rudel ab. Die beiden Leittiere sind Geschwister und haben 2023 und 2024 Nachwuchs bekommen.

Vereinzelt gibt es Hinweise auf Wölfe im Bereich Montabaurer Höhe, in Höhr-Grenzhausen und an der Landshube. „Um aber behaupten zu können, dass es dort ein residentes Einzeltier gibt, müssten wir über sechs Monate hinweg immer wieder genetische Proben von demselben Individuum an verschiedenen Stellen finden. Die haben wir aber nicht.“ Hetger ruft Jäger, Waldbesucher und Förster dazu auf, mögliche Hinweise proaktiv zu melden. „Nur so können wir einen wirklichen Überblick über die Population gewinnen.“

Der Ötzinger ist überzeugt: „Aus ökologischer Sicht ist die Rückkehr des Wolfes in den Westerwald ein Gewinn für die Artenvielfalt. Der Wolf spielt als Spitzenprädator eine wichtige Rolle im natürlichen Gleichgewicht. Durch seine Anwesenheit werden Wildpopulationen reguliert, und schwache oder kranke Tiere werden aussortiert, was zur Gesundheit des Wildbestandes beiträgt.“

In den Regionen, in denen der Wolf zurückgekehrt ist, habe man bereits beobachtet, dass die Wildbestände stabiler und gesünder geworden sind. Auch für andere Tierarten könne die Rückkehr des Wolfes Vorteile bringen, da etwa Aasfresser von den Überresten der Beute des Wolfes profitieren. Hetger betont: „Zu 95 Prozent fressen Wölfe Rehe, Wildschweine und Hirsche, also Huftiere beziehungsweise Schalenwild, wie die Jäger sagen.“

Weidetierhalter sind besorgt

Der Wolf bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Besonders Tierhalter sind besorgt, denn der Wolf kann auch Schafe, Ziegen oder andere Nutztiere reißen. Um Konflikte zu vermeiden, haben Naturschutzorganisationen und die Landesregierungen Maßnahmen entwickelt, um den Wolf und die landwirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen. Nutztierübergriffe sind ausdrücklich nicht Hetgers Thema. Trotzdem weiß er: Werden Schafe und Ziegen angegriffen, liege dies fast immer an unzureichendem Schutz. Ein Zaun allein reiche nicht.

In einem Wolfspräventionsgebiet wie dem geografischen Westerwald bedürfe es stromführender Zäune mit mindestens 4000 Volt Spannung in 1,05 bis 1,20 Meter Höhe mit fünf Litzen, wobei die unterste nicht höher als 20 Zentimeter sein darf. Der Wolf neige viel eher dazu, Zäune zu untergraben, als sie zu überspringen. Untergrabschutz sei deshalb unumgänglich. „Damit liegt der Schutz bei 95 Prozent.“ Der Mehraufwand werde bis zu 100 Prozent bei Neuanschaffung gefördert. Bei nachgerüsteten Zäunen werden immerhin noch 80 Prozent der Kosten bezuschusst. Der Einsatz von Herdenschutzhunden gebe noch mehr Sicherheit.

Hetgers Fazit lautet: „Einen 100-prozentigen Herdenschutz gibt es nicht, aber einen hoch wirksamen.“ Im Westerwald geht ein Großteil der Nutztierrisse auf das Konto des Leitwolfs aus dem Leuscheider Rudel mit der Kennung GW1896m. Dazu sagt Stefan Hetger: „Ich habe nichts gegen eine Entnahme von nachweislich auffälligen Wölfen. Nur leider gelingt dies meist nicht.“ Oft werden die falschen Tiere getötet, so die Erfahrungen aus anderen Bundesländern wie Niedersachsen. In Rheinland-Pfalz wurde noch keine naturschutzrechtliche Genehmigung zur Tötung eines Wolfes erteilt. Es gebe aber eine finanzielle Entschädigung für Landwirte und Hobbyhalter, deren Tiere durch Wölfe getötet wurden, wenn in Präventionsgebieten mindestens der wolfsabweisende Grundschutz installiert war.

Aufklärungskampagnen und transparente Kommunikation zwischen Naturschützern, Politik und der Bevölkerung sind entscheidend, um Konflikte zu vermeiden und eine Akzeptanz für das neue Miteinander zu schaffen. Nur so kann es gelingen, dass der Wolf im Westerwald nicht nur geduldet, sondern als Teil der natürlichen Umgebung geschätzt wird. Seinen Beitrag dazu leistet Stefan Hetger durch regelmäßige Vorträge. So war er jüngst auf Einladung des Westerwaldvereins Selters als Wolfsexperte zu Gast. Hetger zeigte sich begeistert: „Der Vortrag ist sehr gut verlaufen, in sehr guter Atmosphäre, ohne Emotionen, rein sachlich.“

Die landesweite Großkarnivoren-Hotline, bei der man Hinweise auf Wölfe melden kann, lautet 06306/911.199

Angriff bei Langenhahn

War es ein Wolf oder waren es sogar mehrere? 22 tote und verletzte Schafe auf dem Gemeindegebiet von Langenhahn, bei denen der Verdacht auf Beteiligung eines großen Beutegreifers besteht, sind am vergangenen Donnerstag dem Koordinationszentrum für Luchs und Wolf (Kluwo) gemeldet worden. Die Spezialisten nahmen noch am selben Tag eine Begutachtung des Vorfalls vor, der sich offenbar im Tal des Elbbaches zwischen Langenhahn und seinem Ortsteil Hintermühlen in der Nähe einiger Weiher ereignete. Ingesamt wurden 22 betroffene Schaflämmer dokumentiert. Sie waren beim Angriff getötet worden, mussten notgetötet werden oder waren verletzt. Es wurden DNA-Abstriche genommen, welche an das Senckenberg Institut zur Analyse überstellt wurden. Die Beteiligung eines großen Beutegreifers (sprich Wolf), kann derzeit weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, stellt das Kluwo fest. Weitere Angaben wurden, auch auf Nachfrage, bis Redaktionsschluss nicht gemacht. mm

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