„Glyphosat wird in erster Linie im Zuge der konservierenden Bodenbearbeitung eingesetzt und war einst der Wegbereiter für bodenschonende Anbauverfahren mit weniger Pflügen, Grubbern und Eggen, dafür mit mehr Mulch- und Direktsaat“, stellt Matthias Müller, Kreisvorsitzender des Bauernverbandes Westerwald, fest.
Mit der sogenannten minimalen Bodenbearbeitung in Verbindung mit Glyphosat sei erfolgreich gegen Bodenerosionen, Humusabbau und den Verlust von wertvollen Bodenlebewesen wie dem Regenwurm gearbeitet worden.
Dadurch sei auch das Wasseraufnahmevermögen der Äcker deutlich verbessert worden. Mit einer konservierenden Bodenbearbeitung würden etwa 50 Prozent Kohlenstoffdioxid und teure Arbeitszeit eingespart. „Mit systematischer Minderung des Glyphosateinsatzes bereiten wir uns auf das Verbot Ende 2023 vor. Allerdings werden die Kosten für alle bisherigen Anwender von Glyphosat durch das Verbot erheblich steigen“, sagt Müller.
Anwendung von alten “Rezepten„ ist kontraproduktiv
Ein Zurückgreifen auf alte „Rezepte“ kommt für den Kreisvorsitzenden allerdings nicht infrage. Denn das wäre „kontraproduktiv zu allen Anstrengungen, die wir für Klima, Arten-, Wasser- und Bodenschutz in Zukunft noch leisten müssen“, stellt er kategorisch fest.
Markus Mille schätzt: 2000 Hektar Ackerfläche betroffen
Im Westerwaldkreis gibt es gut 6000 Hektar Ackerfläche. Das entspricht 6 Prozent der gesamten Fläche des Landkreises (100.000 Hektar), informiert der Geschäftsführer des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau (Bezirksgeschäftsstelle Hachenburg), Markus Mille. Bundesweit liegt die Anwendungsquote von Glyphosat auf Ackerflächen im Durchschnitt derzeit bei circa einem Drittel. „Das dürfte im Westerwaldkreis ähnlich sein. Somit dürften rund 2000 Hektar betroffen sein“, meint Mille.
Das Anwenden von Rezepten aus der Vergangenheit würde eine intensivere Bodenbearbeitung mit höherem CO2-Ausstoß, höherer Bodenerosion und stärkeren Abschwemmungen bedeuten. Und das gerade jetzt, wo auch die Westerwälder nachweislich mit stärkeren und häufigeren Starkregen zu kämpfen haben und den CO2-Fußabdruck der Nahrungsmittelerzeugung senken wollen.
Da das Verbot von Glyphosat aber nun schon seit Jahren diskutiert wird, hätten Wissenschaft und Landwirtschaft neue Alternativen zur Unkrautbekämpfung entwickelt, erklärt Müller. Er sieht eine Grundlage für stabile Ernten in der Digitalisierung und in Präzisionstechnologien. „Wir werden bodenschonende Verfahren ergänzen durch Grünstreifen in den Kulturpflanzenreihen, Dauerbegrünung mithilfe von Zwischenfrüchten und Untersaaten, sensorgesteuertem Pflanzenschutz und Düngung und vieles mehr“, kündigt er an.
Kein anderes Mittel ist so effektiv gegen Unkraut wie Glyphosat
Digitalisierung und GPS-Technik seien in keiner Branche so weit verbreitet wie in der Landwirtschaft. Trotzdem werde es noch Jahre brauchen, um die Nachteile des Glyphosatausstiegs wenigstens im Umweltschutzbereich zu kompensieren.
Für den Kreisvorsitzenden steht fest: Es gibt kein anderes Mittel auf dem Markt, welches ähnlich effektiv Unkraut bekämpft. Und dies gelte sowohl für den Einsatz im Acker-Wein-Obstbau als auch im privaten kommunalen und im Gartenbaubereich. Andere Unkrautvernichter zum Beispiel mit Pelargonsäure müssten häufiger und in größeren Mengen eingesetzt werden und dürften seines Erachtens als Alternative nicht in Betracht kommen.
„Stellen Sie sich nur mal vor, die Deutsche Bahn AG mit einem Jahresverbrauch von circa 75.000 Liter Glyphosat würde auf Pelargonsäure bei mehrmaliger Anwendung umsteigen, dann würde dies einen Chemieeinsatz von 6 Millionen Litern zur Folge haben. Hoffentlich wird das nicht die Antwort der Deutschen Bahn AG auf das Glyphosatverbot sein“, hofft der Landwirt.
„Die derzeitigen Forderungen von Politik und Gesellschaft im gesamten Agrarbereich treffen uns mit einer Wucht, die unsere heimische Lebensmittelerzeugung innerhalb weniger Jahre zerstören wird, wenn unsere Warnungen vor einem ,zu viel auf einmal' weiterhin nicht ernst genommen werden“, stellt Müller fest. Denn auf die Landwirte werden hohe Kosten zukommen: Die Investitionen in die Unkrautregulierung mithilfe moderner Technik würden mit den Investitionen in neue Düngeverfahren, in Klima-, Arten-, Grundwasser- und Gewässerschutz, in soziale Standards und Ausbildung einhergehen und jährlich im dreistelligen Millionenbereich liegen.
“Die im Ausland so billig erzeugten Lebensmittel machen uns die Preise für hochwertig erzeugte Lebensmittel kaputt"
Kreisvorsitzender des Bauernverbands Westerwald, Matthias Müller
Auch darauf, was angebaut wird, werde das Glyphosatverbot Auswirkungen haben. Müller führt aus, was das konkret heißt: Die Fruchtfolgen werden erweitert. Weniger Getreide wird angebaut und dafür mehr Leguminosen und stickstoffeffiziente Pflanzen. Die intensive Pflanzenzüchtung der letzten Jahrzehnte habe moderne Sorten hervorgebracht, die heute schon in allen Eigenschaften in Bezug auf Klimawandel und CO2-Effizienz besser seien als alle alten Sorten. „Alternative Kulturen können allerdings nur dann eingesetzt werden, wenn sich auch ein Absatzmarkt findet“, gibt Müller zu bedenken.
Hinzu komme, dass durch den geplanten grundsätzlichen Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat die Erträge sinken und die Kosten steigen werden. Alternativer Landbau sei grundsätzlich teurer und mindere die Erträge, deswegen seien Bioprodukte auch teurer. Dabei sei das geplante Glyphosatverbot nur eines der drängenden Probleme, welche die Landwirte zurzeit zu bewältigen haben, betont der Kreisvorsitzende.
Er sagt: „Besonders ärgerlich ist an dem geplanten Verbot, dass gerade in Deutschland und Europa Glyphosat überwiegend in Verbindung mit wichtigen bodenschonenden Anbaumethoden eingesetzt wurde und in anderen Ländern wie USA und Lateinamerika Glyphosat zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen weiterhin genutzt wird. Die im Ausland so billig erzeugten Lebensmittel werden auch noch verstärkt über Freihandelsabkommen hier auf unsere Märkte gebracht und machen uns die Preise für hochwertig erzeugte Lebensmittel kaputt.“
Was die Landwirte von der Politik fordern
„Wir brauchen Rahmenbedingungen die unsere Politiker gemeinsam mit Praxis, Wissenschaft und Marktforschern erarbeiten und weniger kleindetaillierte Entscheidungen, die von Meinungsumfragen und populistisch agierenden Nichtregierungsorganisationen oder von parteipolitischem Machterhalt getrieben sind“, sagt Matthias Müller.
Er fährt fort: Um bei der gewollten Agrarwende eine heimische, bäuerliche Lebensmittelproduktion zu erhalten, müssen nachhaltig durchdachte, langfristige Strategien ausgearbeitet werden, auf die sich die Bauern auch verlassen können. Ansonsten würden Milliarden Euro in den Sand gesetzt und künftig nur noch teure Landschaftspflege betrieben.
Die Folge wäre, dass die Feldfrüchte, die in Deutschland und Europa nicht mehr angebaut werden, dann aus anderen Ländern rund um den Erdball kommen, wo vielfach ohne Umwelt- und Sozialstandards produziert werde. Die Lebensmittel hätten dann einen weiten Weg hinter sich, bis sie in unseren Regalen liegen, beschreibt Matthias Müller das Szenario.