Ehemaliger Kreisveterinär und engagierter Tierschützer berichten von erfolgreichen Einsätzen - Hirschkalb sprang selbst davon
Gelebter Tierschutz in Gackenbach: Rehkitze mit Drohne vor dem Mähtod gerettet
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Jagdpächter Martin Wendlandt (rechts) und Revierförster Philipp Gräf beim Start der Drohne.
Helmut Stadtfeld

Als ortsansässiger Tierschützer konnte Helmut Stadtfeld in den vergangenen Tagen die Gackenbacher Jäger dabei unterstützen, Rehkitze im hohen Gras aufzuspüren und vor der Mähmaschine zu retten. Wie geht der ehemalige Kreisveterinär bei solchen Rettungsaktionen vor?

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„Die Kitzrettung mittels Drohne ist eine sinnvolle und weitgehend alternativlose Maßnahme des Tierschutzes“, so der seit Langem im Tierschutz auch ehrenamtlich tätige Tierarzt. „Die Rehkitze kommen in der Regel in den Monaten Mai und Juni zur Welt und werden von ihrer Mutter im vermeintlich sicheren hohen Gras abgelegt. Wenn aber die Wiesen zur Gewinnung von Heu oder Grassilage gemäht werden, sind die Jungtiere oftmals noch nicht in der Lage, die Gefahr zu erkennen und sich in Sicherheit zu bringen.“

Die Absprache zwischen den Landwirten und der Jägerschaft funktioniere in Gackenbach – und auch oft anderswo im Westerwald – sehr gut. Kurz vor der Mahd bekommt Revierinhaber Martin Wendlandt Bescheid und hat Gelegenheit, mithilfe seiner Drohne, die mit Wärmebildkamera ausgestattet ist, die Kitze in der Wiesenfläche aufzuspüren. Sodann marschieren zwei Helfer los in Richtung Drohne und werden von deren Bediener, der Mensch und Tier auf seinem Monitor im Wärmebild sieht, mittels Sprechfunkgerät genau an die Fundstelle dirigiert. Es gilt, die kleinen Rehe ohne unmittelbare Berührung in einen Korb zu verbringen und bis zum Abschluss der Mäharbeiten außerhalb der Wiese zu sichern.

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Diese Zwillingskitze im Gelbachtal ließen sich nicht fangen. Dennoch hat die Entdeckung mittels Drohne sie gerettet, denn sie flüchteten aus der Wiese und wurden später von ihrer Mutter gefunden.
Helmut Stadtfeld

Größere Kitze flüchten bei Annäherung, aber nicht immer aus der Gefahrenzone. Wenn das Gras nicht allzu hoch ist, kann es in solchen Fällen sinnvoll sein, dass eine Person auf dem Traktor mitfährt und nach Rehkitzen Ausschau hält. „Das haben wir in diesem Jahr auf einer Wiese im Gelbachtal praktiziert, nachdem Zwillingskitze sich nicht fangen ließen und wegsprangen“, berichtet Stadtfeld. „Da es sich bereits um den zweiten Schnitt handelte und der Traktor nicht allzu schnell war, hätte man die Tierchen möglicherweise frühzeitig entdecken können. Wir haben keines entdeckt, es wurde aber auch keines ausgemäht. Später konnte Martin Wendlandt zu seiner Freude die beiden Kitze mit ihrer Mutter beobachten.“

Unterhalb der Ortslage Gackenbach lag ein kleines, höchstens zwei Wochen altes Rehkitz gut versteckt im Gras. „Wir haben es eingefangen und am Waldrand in einem Wäschekorb sicher gelagert“, erzählt Stadtfeld. „Drei Stunden später, nachdem die große Fläche gemäht war, wurde es freigelassen. Die Chance, dass Mutter und Kind sich durch Laute verständigen und wiederfinden, ist in solchen Fällen sehr groß. Ein etwa vier Wochen altes Rotwildkalb, das neben einer Pferdeweide im hohen Gras abgelegt war, sprang in großen Sätzen davon, als wir uns ihm näherten. Hirschkälber sind durch das Mähen nicht so stark gefährdet wie Rehkitze, da sie eher zur Flucht neigen als zum Wegducken.“

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Philipp Gräf mit einem Rehkitz kurz vor dessen Freilassung am Waldrand.
Helmut Stadtfeld

Das Aufsuchen der Kitze mittels Fluggerät und Wärmebildkamera ist die Methode der Wahl, um Tierleben zu retten und hat inzwischen in vielen Revieren Einzug gehalten. Das Abfliegen der Flächen muss in den frühen Morgenstunden stattfinden, ehe die Sonne das Gras erwärmt und eine Identifizierung der kleinen Tierkörper im Wärmebild erschwert oder gar unmöglich macht. Im Idealfall erwirbt ein örtlicher Jäger eine Drohne und die entsprechende Lizenz, damit das Gerät jederzeit verfügbar ist.

Die auswärtigen Dienstleister sind gerade in diesen Tagen und Wochen vermehrt im Einsatz und nicht immer verfügbar. Eine Zusammenarbeit zwischen Jäger und Landwirt, möglichst auf der Basis gegenseitigen Vertrauens, ist für den Erfolg der Maßnahme unerlässlich. „Ich möchte betonen, dass auch der Landwirt eine Verantwortung gegenüber den kleinen Geschöpfen hat und sich sogar strafbar machen kann, wenn er ohne jede Vorsorge seine Wiese mäht und dabei Rehkitze verletzt oder tötet“, so Experte Stadtfeld abschließend.

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