Gewalt gegen Frauen nimmt zu
Frauenhaus Westerwald ist mehr als nur ein sicherer Ort
Schläge, Tritte, Vergewaltigung, soziale Isolation und Kontrolle bis zu psychischen und seelischen Demütigungen: Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Laut Zahlen des Bundesinnenministeriums sind mit 70,5 Prozent überwiegend Frauen und Mädchen Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland (Zahlen aus 2023).
Maurizio Gambarini. picture alliance / dpa

Gewalt gegen Frauen hat viele Formen und ist leider keine Seltenheit – auch nicht im Westerwaldkreis und im Kreis Altenkirchen. Unsere Zeitung hat die Beratungsstelle des Frauenhauses Westerwald besucht – wir wollten wissen, wie die Lage ist.

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Egal ob Schläge, Tritte, Vergewaltigung, soziale Isolation und Kontrolle bis hin zu psychischen und seelischen Demütigungen: Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in Rheinland-Pfalz belegen: Im Jahr 2024 wurden 8941 Fälle von Partnerschaftsgewalt erfasst – die Dunkelziffer wird von den Verantwortlichen im Frauenhaus Westerwald weitaus höher geschätzt. Von den insgesamt 14.384 Opfern von häuslicher Gewalt starben 17 Personen. Im Jahr 2023 starben 23 Menschen durch häusliche Gewalt. Auch in Neuwied – im Einzugsgebiet des Frauenhauses Westerwald – gab es im Dezember 2023 einen Femizid. Damals tötete ein 34-jähriger Mann seine frühere Lebensgefährtin mit einem Hammer und einem Messer in der gemeinsamen Wohnung in Neuwied; er wurde 2024 schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Damit es gar nicht erst so weit kommt, können von Gewalt betroffene oder bedrohte Frauen (egal ob mit oder ohne Kinder) Unterschlupf und Unterstützung beim Frauenhaus Westerwald kostenlos in Anspruch nehmen. „Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem“, berichtet Diplom-Sozialpädagogin Marlies Donnhauser vom Frauenhaus Westerwald. Gerade die erste Zeit nach einer Trennung sei für Frauen gefährlich.

„Wichtig ist, dass der erste Schritt in unsere Richtung von den Frauen ausgeht, das erfordert viel Mut“, sagt Sozialarbeiterin Elena K., die auch Traumapädagogin tätig ist. Sie verstärkt seit dem 1. Mai 2025 die Frauenberatungsstelle des Frauenhauses Westerwald. Die halbe Stelle wird vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration unbefristet finanziert und unterstützt damit die Beratungsstelle, ein besseres Angebot für betroffene Frauen zu schaffen. Man sei froh, dass die Stelle gefördert wird, wie beide beim Gespräch mit unserer Zeitung in der Beratungsstelle betonen. „Vom Land wird gesehen, dass der Bedarf da ist“, sagt Marlies Donnhauser. Doch sie betonen auch, der Bedarf an Beratungen sei noch weitaus größer im Zuständigkeitsgebiet (Westerwaldkreis, Kreis Altenkirchen und Neuwied) des Frauenhauses Westerwald.

Elena K.(von links, Sozialarbeiterin) und Marlies Donnhauser (Diplom-Sozialpädagogin) stehen im Beratungsraum. Hier wird Frauen unkomplizierte, unterschwellige Hilfe angeboten - dies geht auch telefonisch oder per E-Mail.
Annika Stock

Die Frauenberatung findet unterschwellig anonym per Telefon oder per E-Mail statt. Ein persönliches Gespräch ist ebenfalls möglich, hier wird individuell nach einem Termin und einem passenden Ort geschaut – man wolle bei der Beratung entgegenkommen, schließlich befinde man sich immer noch im ländlichen Raum und nicht alle Betroffenen sind mobil, wie Donnhauser ausführt.

„Alle Frauen sollen sich durch das Beratungsangebot angesprochen fühlen“, führt Sozialarbeiterin Elena K. aus. Sie betont, dass man versuche, die Frauen „in kleinen Schritten zu begleiten.“ So werde geschaut, wie die vorhandenen Ressourcen aussehen, also wie man wohnlich und finanziell den Frauen Unterstützung zuführen kann. Das sei alles sehr individuell und persönlich. Manche Frauen sind durch die Erlebnisse aus Partnerschaften traumatisiert – aber nicht alle.

Frauen durch alle Altersschichten hindurch nehmen das Angebot von Frauenhaus und Beratungsstelle wahr. „Wir haben Frauen querbeet dabei im Alter von 18 bis 75 Jahren“, sagt Marlies Donnhauser. „Insgesamt ist der Beratungsbedarf gestiegen.“ Gerade der Druck, der in sozialen Medien auf Frauen ausgeübt wird, sei sehr hoch, wie Elena K. beobachtet. Generell habe sich auch das Bewusstsein verändert, man sei in der Gesellschaft sensibler für das Thema Gewalt gegen Frauen. Bisher war die Auslastung des Frauenhauses immer hoch. „Mindestens 90 Prozent sind dauerbelegt“, berichtet Marlies Donnhauser.

Verweildauer im Frauenhaus teilweise „sehr lang“

Der Neubau des Frauenhaus Westerwald ist eine Bereicherung für die bisherige Arbeit, hier wird eine Wohlfühlatmosphäre für Frauen und Kinder geschaffen, die aus Partnerschaften fliehen mussten. Momentan sind sechs Frauen und elf Kinder dort untergebracht. Teilweise sei die Verweildauer der Frauen „sehr lang“, da es schwierig ist, auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt bezahlbaren Wohnraum zu finden – gerade für alleinerziehende Frauen ist die Suche nach einer Bleibe ein Problem.

Die neue Fachkraft hat bereits Ideen für weitere Angebote mit Blick auf die Beratungsstelle: „Wir möchten eine Selbsthilfegruppe anbieten und künftig auch externe Räumlichkeiten anmieten“, blickt K. voraus. Man wolle entsprechend ein ländliches, niederschwelliges Angebot bieten. Denkbar ist auch der Schritt in Richtung Online-Beratung, hier müssen aber noch Fragen zur Datensicherheit geklärt werden.

Intensive Netzwerkarbeit mit verschiedenen Akteuren

Insgesamt führe man eine intensive Netzwerkarbeit mit der Polizei und anderen Stellen. So gibt es in Rheinland-Pfalz den Runden Tisch gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (siehe Info-Kasten). Hier wird die Entwicklung von Strategien zur Prävention und Intervention thematisiert, es erfolgt eine enge Netzwerkarbeit.

Die Arbeit des Frauenhauses Westerwald sowie Projekte für Kinder werden durch Spenden realisiert. Personalkosten werden mit Geldern vom Land Rheinland-Pfalz bezahlt, der Kreis Westerwald beteiligt sich an der institutionellen Förderung.

NRW bringt schärferes Gesetz im Bundesrat ein

Um Frauen besser vor der häuslichen Gewalt in der Partnerschaft schützen zu können, hat Nordrhein-Westfalen jüngst am 23. Mai im Bundesrat ein schärferes Gesetz eingebracht, hierdurch sollen Wiederholungstäter leichter in Haft genommen werden können.

Weitere Informationen zu dem autonomen Frauenhaus Westerwald gibt es im Internet unter www.frauenhaus-westerwald.de (Telefon: 02662/5888). Die Frauenfachberatungsstelle ist unter 02662/9466630 erreichbar. Hier gibt es Beratung und Unterstützung für betroffene Frauen.

Wichtige Schritte, um Frauen vor Gewalt zu schützen

Die Istanbul-Konvention des Europarats ist das internationale Abkommen aus dem Jahr 2011 zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen – diese gilt als Menschenrechtsverletzung und als Zeichen der Ungleichstellung von Frauen und Männern. Die Konvention gilt in Deutschland seit Februar 2018. Neben der Istanbul-Konvention besteht seit Oktober 2000 das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RIGG), in welchem sowohl die Ministerien als auch Frauenunterstützungseinrichtungen ständig an der Weiterwicklung von Hilfsangeboten arbeiten. Am 31. Januar 2025 wurde das Gewalthilfegesetz im Bundestag beschlossen. Es sieht vor, dass ab 2032 Frauen und ihre Kinder, die Opfer geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt werden, einen bundesweiten Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung haben. Unter https://www.frauenhaeuser-rheinlandpfalz.de/ können Frauen schauen, wo es in Frauenhäusern in RLP freie Plätze gibt. 

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