Was die Westerwälder bewegt: Wir haben die Kreistagsfraktionen vor der Kommunalwahl gefragt, wo sie anpacken wollen
Frage an die acht Westerwälder Kreistagsfraktionen: Hätte man die Geburtsstation Hachenburg retten können?
In Hachenburg wurde die Geburtsstation geschlossen. Ausweichmöglichkeit ist Kirchen. Doch ist das der einzige Weg für die Zukunft? Foto: Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Westerwaldkreis. Acht Parteien beziehungsweise Wählergruppen treten bei der Kommunalwahl an, um in den Westerwälder Kreistag einzuziehen. Aber wie stehen die Bewerber zu den Themen, die die Menschen in der Region bewegen? Wir haben nachgehört und stellen jeweils sechs Antworten auf sechs Fragen gegenüber.

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Im dritten Teil unserer Serie widmen wir uns der Situation rund um die Geburtsstation in Hachenburg. Hätte der Kreis mehr für den Erhalt tun können oder müssen?

1 CDU: Unsere Krankenhäuser werden in privater Trägerschaft geführt, dies sind keine Kreiseinrichtungen. Wir akzeptieren, dass die Träger auf einen wirtschaftlichen Betrieb angewiesen sind. Wie alle Krankenhäuser in Deutschland leiden auch die im Westerwald betriebenen Häuser unter den Folgen einer völlig verfehlten Gesundheitspolitik der derzeitigen Regierungen in Bund und Land. Das eingeleitete Insolvenzverfahren war ein deutlicher Hinweis, dass nur eine neue Struktur das Überleben der Kliniken sichern konnte. Die Alternative wäre die Schließung aller Stationen in Hachenburg und Altenkirchen gewesen.

Der Träger hatte insofern ein Konzept vorzulegen, das die Zustimmung aller Gläubiger finden musste, auch hier war der Kreis nicht gefragt. Es gab für den Westerwaldkreis keine Möglichkeit, hierauf Einfluss zu nehmen.

Wir bedauern die Schließung der Geburtsstation in Hachenburg sehr, freuen uns aber andererseits, dass der Standort Hachenburg in der neuen Struktur deutlich gestärkt wurde. Das ist ein Gewinn für die Mitarbeiter, für die Patienten, für die Region des nördlichen Kreisteils und hoffentlich auch Sicherheit für den dauerhaften Bestand der Klinik in Hachenburg.

2 SPD: Der Westerwaldkreis ist vom Gesetz her Träger der stationären Gesundheitsversorgung. Anders als unsere Nachbarn im Lahn-Dill-Kreis hat sich unser Kreis in der Vergangenheit entschieden, diesen Auftrag zu privatisieren und die Krankenhäuser abzugeben. Damit hat er die Möglichkeit aus der Hand gegeben, aktiv die Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern zu beeinflussen. Die Insolvenz der DRK-Trägergesellschaft, die neben Hachenburg auch die Krankenhäuser Altenkirchen und Kirchen im Nachbarkreis getroffen hat, führte zur Konzentration der Geburtshilfe in Kirchen.

Die SPD im Westerwald ist keine Partei, die zu lange in den Rückspiegel schaut und sich darin ergeht, für solche Entscheidungen Schuldige zu suchen. Wir schauen vielmehr in die Zukunft und stehen dafür, dass das DRK seine Pläne in Müschenbach für einen Krankenhausneubau realisiert und damit die veralteten Häuser ablöst. Wir sind zuversichtlich, dass die angekündigte Krankenhausreform für diesen Neubau eine große Chance ist. Wir modernisieren und verbessern damit unsere stationäre Gesundheitsversorgung und kämpfen sehr dafür, dass es in diesem Haus auch wieder eine Geburtsstation gibt.

3FDP: Wir Freien Demokraten sind davon überzeugt, dass Krankenhausplanungen nicht an Kreisgrenzen enden, sondern kreisübergreifend, ja, eigentlich sogar länderübergreifend betrachtet werden müssen. Im Falle des Verbundkrankenhauses Altenkirchen–Hachenburg betrifft diese Gesamtbetrachtung also zumindest den Kreis Altenkirchen und den Westerwaldkreis.

Bereits im vergangenen Bundestags- und Landtagswahlkampf hat die FDP des Westerwaldkreises mehrfach und intensiv in Presse und Videoschalten auf die Notwendigkeit einer bundesweiten Reform des Vergütungssystems für die Geburtshilfe hingewiesen, dies auch zusammen mit den Repräsentanten der Hebammenverbände. DRK-Landesvorstand Manuel Gonzales berichtete bereits im Oktober 2023, dass in Hachenburg immer wieder die Situation bestanden habe, die Geburtshilfe wegen fehlenden Personals abmelden zu müssen.

Die gynäkologisch-geburtshilfliche Abteilung Hachenburg wurde zum 1. April in das DRK-Krankenhaus Kirchen verlagert. In dieser Abteilung wurden bereits vor der Verlagerung von Hachenburg mehr als 1000 Kinder pro Jahr geboren, Tendenz steigend. In diesem Krankenhaus existiert eine Hauptfachabteilung für Kinderheilkunde mit Neonatologie. Die Neonatologie befasst sich als Spezialbereich der Kinderheilkunde mit den typischen Erkrankungen von Neugeborenen und mit der besonders aufwendigen Behandlung von Frühgeborenen. Damit steht zukünftig dort eine State-of-the-art-Betreuung den werdenden Müttern, vor allem aber den Neugeborenen zur Verfügung. Die zum Teil etwas längere Fahrzeit zum Krankenhaus für werdende Mütter wird durch eine gesteigerte medizinische Qualität eindeutig kompensiert.

Die Gynäkologie/Geburtshilfe in Hachenburg schrieb erhebliche finanzielle Verluste, unter anderem auch durch die exorbitant hohen Haftpflichtversicherungsprämien, die in der Geburtshilfe aufzuwenden sind. Die besondere Problematik des Fachgebietes Geburtshilfe ist bekannt. 2009 gab es noch 52 Geburtskliniken in Rheinland-Pfalz, jetzt sind es nur noch 28. Zuletzt kamen in Hachenburg weniger als 700 Kinder zur Welt, Tendenz sinkend. Geburtskliniken mit weniger als 1000 Neugeborenen gelten nach dem bisherigen Finanzierungssystem als defizitär. Deshalb sehen wir dringenden Reformbedarf und setzen auf eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen für eine umfassende Verbesserung dieses Sektors.

4Grüne: Der Erhalt einer umfassenden stationären und ambulanten Krankenhausversorgung an den Standorten Dernbach, Hachenburg, Montabaur und Selters ist uns ein wichtiges kommunalpolitisches Anliegen. Dazu zählt ausdrücklich auch der Zugang zu einer schnell erreichbaren Geburtsstation für alle Bürgerinnen und Bürger. Der Wegfall der Geburtsstation in Hachenburg stellt insbesondere für den nördlichen Westerwald eine bedauerliche Entwicklung dar, da hierdurch eine essenzielle Dienstleistung für die lokale Bevölkerung weggefallen ist.

Sicherlich hätten die politischen Mehrheiten im Landkreis mit einer öffentlichen Kampagne stärker auf die Bedeutung der Geburtsstation für die Region aufmerksam machen können. Dennoch ist es uns wichtig zu betonen, dass die Entscheidung über die Schließung der Station nicht in der Zuständigkeit der politischen Entscheider des Landkreises liegt, sondern durch die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eigenverantwortlich getroffen wurde. Dennoch erkennen wir die Notwendigkeit an, dass der Kreis auch in Zukunft proaktiv in Dialog treten und mögliche Unterstützungsmaßnahmen prüfen sollte, um eine adäquate medizinische Versorgung in der Region sicherzustellen.

5FWG: Die wirtschaftliche Schieflage vieler Krankenhäuser ist kein spezielles Problem im Westerwaldkreis, sondern ein bundesweites. Im Falle des DRK-Krankenhauses Hachenburg hat der Träger nach Lösungen gesucht. Das Krankenhaus Hachenburg ist in seiner Funktion fast vollständig erhalten geblieben. Bis auf die, aus Sicht des Trägers, unwirtschaftliche Geburtsstation. Dies ist für die Region nicht erfreulich, verhindert aber die komplette Schließung des Krankenhauses.

Ein Engagement des Kreises zum Erhalt der Geburtsstation wäre aus unserer Sicht damit einhergegangen, dass der Westerwaldkreis letztendlich die Krankenhausträgerschaft hätte übernehmen müssen. Im Sinne der Gleichbehandlung aller Krankenhäuser im Westerwaldkreis halten wir dies nicht für machbar.

6 Die Linke: Die Geburtsstation hätte wie in Dernbach durch Hebammen geführt werden können. Dass die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung allein privaten Trägern und dem Markt überlassen wird, ist ein Fehler. Andernorts werden diese Leistungen durch kommunale Krankenhäuser sichergestellt.

7 Freie Wähler: Insgesamt wird die Gesundheitsversorgung der Menschen vor allem auf dem Land schlechter. Dafür gibt es viele Gründe. Wenn Kliniken und diverse Stationen in Krankenhäusern schließen müssen, gehen dem meistens finanzielle und/oder personelle Probleme voraus. Ob dann auf kommunaler Ebene gegengesteuert werden kann, ist fraglich. Wir würden es zumindest sehr begrüßen, wenn künftig alle Seiten frühzeitig das Gespräch miteinander suchen, um unter anderem zu erörtern, wie die Kommune bei Problemen unterstützen kann.

8AfD: Die ärztliche Versorgung, gerade im ländlichen Raum, ist ein hochkomplexes Thema. Der Kreis in seiner Funktion hat hier zugegebenermaßen limitierte Einflussmöglichkeiten. Die Finanzierung der Krankenhauslandschaft wird auf anderer Ebene maßgeblich entschieden und beeinflusst. Die Schließung der Geburtsstation Hachenburg ist sehr bedauerlich. Der Verweis auf Kirchen als Ersatz ist in der Praxis schon durch die langen Wege keine Alternative. red

Die Fragen

Acht Parteien beziehungsweise Wählergruppen treten bei der Wahl zum Westerwälder Kreistag an. Wir haben allen sechs Fragen gestellt; die Antworten stellen wir gegenüber.

Stichwort Verkehrsinfrastruktur: Warum sollten weitere Ortsumgehungen der B 255 nicht oder doch gebaut werden?

Die finanzielle Lage des Kreises ist nicht mehr so rosig, wie es vor einigen Jahren noch war. Trotzdem sind einige freiwillige Ausgaben weiterhin möglich: Welche dieser Leistungen sollte der Kreis auf keinen Fall einsparen?

Heute: Inwiefern hätte sich der Kreis mehr für den Erhalt der Geburtsstation in Hachenburg einsetzen können/müssen?

Energiekosten, Fachkräftemangel oder auch Bürokratie: Mit welchen Mitteln sollte der Kreis die heimischen Wirtschaftsunternehmen ganz konkret mehr unterstützen?

Kitas und Schulen: Nicht nur als Träger, sondern auch als Zuschussgeber ist der Kreis in Maßnahmen involviert. Das ist gerade durch neue gesetzliche Vorgaben sehr viel teurer geworden: Wie sind die Kosten künftig zu stemmen

In welchen Bereichen könnten die Westerwälder Landkreise – wie etwa bei der Gemeinschaftsinitiative „Wir Westerwälder“ – noch kooperieren? red

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