Gewässerschutz im Westerwald
Fetthauer fordert ganzheitliche Untersuchung der Nister
Nasen waren früher ein Massenfisch in Europas Flüssen. Der Bestand ist jedoch massiv zurückgegangen. Dabei erfüllt diese Art nach Auskunft von Manfred Fetthauer, Vorsitzender der Arge Nister, eine wichtige Selbstreinigungsfunktion im Gewässer.
Karl-Josef Hildenbrand. picture alliance/dpa

Nasen gelten als die Rasenmäher der Flüsse. Doch ihr Bestand ist in den vergangenen 30 Jahren deutlich zurückgegangen – mit Folgen, die nach Auskunft von Manfred Fetthauer, Vorsitzender der Arge Nister, bislang nicht ausreichend gewürdigt wurden.

Mit verschiedenen Renaturierungsmaßnahmen und weiteren Schutzprojekten wie dem Besatz von Fischen wird seit Jahren versucht, die Gewässergüte der Nister zu verbessern und die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten. Doch trotz aller Bemühungen seien keine durchgreifenden Erfolge zu verzeichnen, sagt Manfred Fetthauer, Vorsitzender der Arge Nister. Stellenweise sei sogar das Gegenteil der Fall. Das hänge damit zusammen, dass zwar viele gut gemeinte Einzelmaßnahmen umgesetzt würden, es aber an einer umfassenden und ganzheitlichen Herangehensweise fehle.

Bei seiner Einschätzung stützt sich Fetthauer unter anderem auf eine kürzlich veröffentlichte Studie unter Federführung des Senckenberg-Wissenschaftlers Peter Haase. Bei dieser Untersuchung von Flüssen in aller Welt sei herausgekommen, dass viele Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen zu kurz griffen. „Es fehlt eine Gesamtbetrachtung aller Sachverhalte rund um das Gewässer“, bemängelt Fetthauer. So gäbe es Gruppen, die sich beispielsweise ausschließlich mit der Bemessung des Nährstoffeintrags beschäftigten, wieder andere Gruppen schauten nur auf den Makrozoobenthos oder beschäftigten sich ausschließlich mit Fischen.

„Es fehlt eine Gesamtbetrachtung aller Sachverhalte rund um das Gewässer.“
Manfred Fetthauer

Vor diesem Hintergrund sei in den vergangenen Jahren unter anderem viel (Steuer-)Geld in Maßnahmen in den Bereichen Kläranlagen und Landwirtschaft geflossen, ebenso in den von Menschen vorgenommenen Besatz von Fischen. Dennoch sei die Algenproduktion in der Nister unverändert groß, das Flussbett sei stellenweise verstopft, die Fischpopulation deutlich dezimiert. „Vor allem im Bereich Fischbesatz wird immer wieder Geld zum Fenster rausgeworfen. Die Tiere kommen ins Gewässer und werden kurz darauf vom Kormoran weggefressen“, kritisiert Fetthauer.

Der Stein weist klare "Knabberspuren" auf: Nasen haben Teile des Algenbewuchses abgefressen. Wegen dieser Fähigkeit gilt diese Fischart als Rasenmäher der Nister.
Felix Stumpf

Dabei sind es aus Sicht des Arge-Vorsitzenden vor allem fehlende Fischarten wie die Nasen, die als gewässerbezogene „Systemingenieure“ eine besondere Bedeutung für die Nister hätten. Das Räuber-Beute-Verhältnis stimme nicht mehr, sagt Fetthauer. Nasen, der einstige Massenfisch in Europas Flüssen, hätten als Ökosystem-Dienstleister viel zur Wasserqualität beigetragen. Wenn man bedenke, dass ein Exemplar dieser Art rund 100 Kilogramm Biomasse gefressen habe, bis es das Eigengewicht von einem Kilogramm erreicht habe, werde die Leistung deutlich.

Einheimischer Fischbestand ist deutlich zurückgegangen

„Nasen werden nicht umsonst von Experten als Rasenmäher der Gewässer bezeichnet, denn sie können als einzige Fischart in Europa den Algenbewuchs vom Untergrund von Steinen abschaben. Von dieser Nährstoffumwandlung profitieren letztendlich wieder andere im Gewässer lebende Arten“, sagt Fetthauer. Verleibe dieser Bewuchs aber mangels Fischen im Gewässer und sterbe ab, beginne ein Teufelskreis.

Der einheimische Fischbestand sei in den zurückliegenden 30 Jahren um circa 90 Prozent gesunken. „An der industriellen Überfischung der Binnengewässer kann es nicht liegen, auch nicht an der von der EU geforderten, aber bislang nicht umgesetzten Wasserrahmenrichtlinie. Sollte man da nicht den Kormoranbestand, der in den vergangenen 30 Jahren um circa 2300 Prozent gestiegen ist, hinterfragen?“, so Fetthauer. Viele Naturforscher der letzten Jahrhunderte hätten den Vogel bereits in der Fachliteratur als gefährlichsten Räuber für die Fische an den Meeresküsten und in den Binnengewässern beschrieben.

„Die Überfischung – egal ob durch Mensch oder Raubvogel – dürfte Algenblüten hauptsächlich dann fördern, wenn eine einzige Art befischt wird, die zahlen- und funktionsmäßig in der Fischgemeinschaft eine Vorrangstellung einnimmt.“
Manfred Fetthauer

Der Arge-Vorsitzende geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er fragt: „Kann es sein, dass die EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 im Fall Kormoran nicht weit genug gedacht wurde und hinsichtlich der Biodiversitätsstrategie genau das Gegenteil bewirkt und damit auch ein Naturgesetz gebrochen hat?“ Ein ähnliches Phänomen sei durch die industrielle Überfischung der Meere entstanden. „Die Überfischung – egal ob durch Mensch oder Raubvogel – dürfte Algenblüten hauptsächlich dann fördern, wenn eine einzige Art befischt wird, die zahlen- und funktionsmäßig in der Fischgemeinschaft eine Vorrangstellung einnimmt“, schreibt Fetthauer in einem Exposé zum Thema „Blaualge“, das mit „Eine Katastrophe mit Ansage“ überschrieben ist.

Entlang der Nister ist die Kormoran-Population deutlich angewachsen.
Manfred Fetthauer

Mit dem Verlust der Artenvielfalt im Fluss gehe ein Verlust der Selbstreinigungskräfte des Gewässers einher. Nachdem der Umweltausschuss des Bundestags auf Antrag der Fraktion von CDU/CSU bereits im Sommer vergangenen Jahres über ein bundesweites Kormoranmanagement beraten hatte (Ausgangspunkt waren Forderungen vom Bodensee gewesen), erteilte der Ausschuss den Plänen zur Reduzierung der Vögel (etwa durch Entnahme der Eier im Tausch gegen Gipseier) im Oktober schließlich mehrheitlich eine Absage. Manfred Fetthauer hofft dennoch darauf, dass auch der Aspekt der Kormoranpopulation alsbald Eingang in eine disziplinenübergreifende, ganzheitliche Untersuchung der Nister findet.

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