Biotop hat sich durch den Nager und dann ohne ihn gravierend verändert - Naturschutzinitiative: Bedeutung für Artenschutz hat dennoch Bestand
Fehlendes Nagetier, verändertes Biotop: Was wird aus dem Biberweiher in Wölferlingen?
Der Biberweiher bei Wölferlingen bot als kleine seichte Wasserfläche vielen Vogelarten Futter, Nist- und Rastmöglichkeit. Auch Amphibien, Reptilien und Insekten siedelten sich an.
Harry Neumann/NI

Vor knapp sechs Jahren stellte sich vor den Toren von Wölferlingen ein Neubürger ein, dessen eifrige Bautätigkeit rasch bemerkt wurde. Die Rede ist vom Biber – der allerdings vor rund anderthalb Jahren verschwunden ist. Welche Bedeutung die Bautätigkeit des Nagetiers für Fauna und Flora hatte und hat, haben Wolfgang Burens, Gabriele und Harry Neumann und Immo Vollmer von der Naturschutzinitiative (NI) im Folgenden dokumentiert.

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Der Biberweiher bei Wölferlingen bot als kleine seichte Wasserfläche vielen Vogelarten Futter, Nist- und Rastmöglichkeit. Auch Amphibien, Reptilien und Insekten siedelten sich an.
Harry Neumann/NI

„Im November 2017 ließen sich am Saynbach zwischen Wölferlingen und Freilingen auffallende Landschaftsveränderungen feststellen. Eine Feuchtgrünlandbrache verwandelte sich nach und nach in eine circa 1,4 Hektar große Überschwemmungsfläche, die durch einen gewaltigen Damm aus dünnen Stämmen, Ästen und Zweigen aufgestaut wurde. Nagespuren und erste gefällte Bäume zeigten, dass sich ein Biber das Tal des Saynbachs als neuen Lebensraum ausgesucht hatte. Nach Jahrhunderten der Ausrottung war der Europäische Biber (Castor fiber) in den Westerwald zurückgekehrt.

(…) Seinen Bau legte der Biber in einer Böschung des Saynbachs an, in der Nähe eines zwar strukturarmen, aber extensiv genutzten Fischteich-Geländes. Zwischen Bau und Teich ließ sich eine täglich begangene vegetationsfreie Spur erkennen. Der Biber bevorzugte den Aufenthalt in Gewässernähe. Entsprechend erfolgten seine Baumfällungen meist direkt am Ufer.

Das legendäre wasserbauliche Talent des Bibers erstaunte immer wieder aufs Neue. Der Nager schuf durch die geschickte Anlage seiner Dämme drei abgegrenzte Gewässerräume. Dabei erfüllten die Dämme unterschiedliche Funktionen. Ein recht kleiner Damm am oberen Bachlauf sollte wohl die erste Wucht von Hochwässern brechen. Der mittlere Damm mit circa 50 Metern Abstand vom Bau ermöglichte eine verlässliche Regelung der Stauhöhe im direkten Umfeld des Wohnkessels und dessen Zugängen.

Vier Jahre lang prägte der Biber die Landschaft und die Artenvielfalt bei Wölferlingen durch seinen Dammbau.
Ingo Kühl

Biber hat besonderes Biotop erschaffen

Mit dem mittleren Damm wurde ein eher kleines Flachgewässer aufgestaut, das zum größten Teil von einem Rohrglanzgrasröhricht bedeckt war. Der untere, an der Saynbachbrücke bei Freilingen liegende Damm erreichte eine Höhe von etwa 1,5 bei einer Breite von rund 9 Metern. Dessen Aufgabe bestand wohl vorwiegend darin, einen ausreichend großen Wasserkörper zu unterhalten, der die bequeme Beschaffung von Nahrung und Baumaterial sicherstellen sollte. Die bevorzugten Aktivitätszeiten des ansässigen Bibers lagen in der Nacht, sodass der Nager nur selten beobachtet werden konnte.

2022 erfolgte durch Biologe Immo Vollmer eine Biotopkartierung in dem vermuteten Aktionsraum des Bibers und dem Einwirkungsraum des Wasserstaus. Im Vergleich zur Landes-Biotopkartierung von 2006 hatte sich durch die Biberdämme die Fläche der naturschutzfachlich besonders wertvollen Sümpfe, Röhrichte sowie Feucht- und Nasswiesen deutlich vergrößert. Es war eine Fülle unterschiedlicher Gewässerbiotope entstanden. Es ist bekannt, dass die Artenzahl an Bibergewässern sehr stark ansteigt. Der Biber kann als Schlüsselart für den Erhalt der Biodiversität angesehen werden.

Die augenscheinlichen Hauptprofiteure der Biberaktivität waren die Vögel. Ornithologe Wolfgang Burens notierte bisher 128 Vogelarten als Brutvögel, Nahrungsgäste und Rastvögel. Hervorzuheben sind die in Rheinland-Pfalz seltenen Bruten von Reiher- und Tafelente, die zwischen 2018 und 2022 regelmäßig erfolgten. Aufgrund der fehlenden Dammertüchtigung durch den Biber kam es 2022 zu starken Wasserstandsschwankungen, die weitere erfolgreiche Bruten beider Entenarten verhinderten.

Seit dem Verschwinden des Bibers und schließlich dem Einsturz seines Hauptdamms ist der Weiher weitgehend verlandet. Laut Naturschutzinitiative lässt sich bereits ein deutlicher Verlust an Biodiversität feststellen.
Harry Neumann/NI

Biber kämpfte lange um Akzeptanz

Auch der Zwergtaucher, ein Kleinfischfresser an kleineren verkrauteten Gewässern, der zwischen 2018 und 2021 mit meist zwei Brutpaaren erfolgreich brütete, fiel in 2022 nach einer anfänglichen Balzphase aus. Das in Rheinland-Pfalz nur sehr selten nachgewiesene Tüpfelsumpfhuhn konnte 2018 von Mitte Mai bis Anfang Juni und 2019 Ende April mit bis zu drei rufenden Männchen festgestellt werden.

Das Auftreten der genannten brütenden Wasservögel im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Biberteichs zeigt, wie stark sie von dem durch den Biber geregelten konstanten Wasserstand profitieren. Das rasche Verschwinden von anspruchsvollen Arten nach dem Ende der Biberbesiedlung unterstreicht diese Annahme eindrucksvoll. (…)

Lautstarke Forderungen, den Biber zu entfernen, führten im Sommer 2018 zu einer ersten Absenkung des Wasserspiegels. Weitere Absenkungen, die zur Zerstörung des Gebietes geführt hätten, konnten nur durch massive Proteste der NI verhindert werden. Eine Informationskampagne der NI und praktische Maßnahmen eines ehemaligen Försters und Ratsmitglieds in Freilingen unterstützten die Schutzbemühungen am Biberweiher. Die von der NI veranstalteten zehn „Bibersonntage“ mit fast 1000 Teilnehmern führten zu einer zunehmenden Akzeptanz des zugewanderten größten Nagetiers Europas. Informationstafeln an dem viel begangenen Uferweg (Westerwaldsteig) bieten Informationen.

Zu den häufigen Gästen am Weiher und in den nahen Feuchtbiotopen zählt der Silberreiher.
Harry Neumann/NI

Bedeutung für Artenschutz hat dennoch Bestand

Die letzten Anwesenheitsspuren des Bibers datieren vom Spätherbst 2021. Unklar bleibt, ob der Biber verstorben oder abgewandert ist, vergrämt oder sogar getötet wurde. Eine neue Ansiedlung im näheren Umkreis konnte nicht festgestellt werden, sodass eine Abwanderung unwahrscheinlich ist.

Das Holzgerüst der drei Biberdämme blieb 2022 weitgehend stabil, allerdings schwand die Einlagerung von Schlamm und Erde, das Wasser bahnte sich verstärkt einen Weg. Damit waren stärkere Wasserschwankungen verbunden, die das Brutgeschehen der Vögel negativ beeinflusste. Im Dezember 2022 schließlich brach der Hauptdamm. Die gravierenden Veränderungen durch den nun ungehinderten Abfluss und der Verlust an Biodiversität zeigen sich seit dem Frühjahr deutlich.“ red

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