Das Sozialkaufhaus in Montabaur, akut von der Schließung bedroht, erfüllt seit vielen Jahren zwei wichtige Funktionen: „Zunächst können sich hier bedürftige Menschen mit Kleidungsstücken, Möbeln, Haushaltsgegenständen und mehr versorgen. Und: Im Kaufhaus werden die Teilnehmenden vom Träger der Einrichtung erfolgreich qualifiziert und auf eine Arbeitsaufnahme vorbereitet. Betreut von erfahrenen Fachleuten, war das Projekt wie kaum ein anderes erfolgreich bei der Vermittlung in Arbeit heraus aus dem Bürgergeldbezug.“ So schildert der Kreissozialausschuss die Bedeutung der Einrichtung, der zum Jahresende die Schließung droht.
„Die Sache ist total verrückt!“ In dieser Bewertung waren sich laut einer Pressemitteilung die 32 Teilnehmenden einig, die zu einem für alle Interessierten offenen Krisengespräch ins Sozialkaufhaus gekommen waren. Empfangen von der langjährigen Einrichtungsleiterin Andrea Leineweber, konnten sie zunächst einen Rundgang durch das Kaufhaus machen. Danach benannte Uli Schmidt als Unterstützer der Einrichtung und Moderator des Abends die Problematik: „Wenn wir nicht gegensteuern, droht uns im Westerwald in den kommenden Jahren ein sozialer Kahlschlag“, sagte das langjährige Mitglied des Kreissozialausschusses.
„Wir konnten für sehr viele der jährlich zugewiesenen etwa 100 Leistungsempfänger eine bleibende Perspektive erarbeiten.“
Stephan Reckmann, Geschäftsführer der SoRocket GmbH aus Koblenz als Träger des Sozialkaufhauses Montabaur
„Wir gewöhnen hier Bürgergeldempfänger erfolgreich an Arbeit und konnten für sehr viele der jährlich zugewiesenen etwa 100 Leistungsempfänger eine bleibende Perspektive erarbeiten“, betonte Stephan Reckmann, Geschäftsführer der SoRocket GmbH aus Koblenz als Träger. Er verwies dabei auf im bundesweiten Vergleich Top-Ergebnisse bei der Vermittlung in Arbeit. Einrichtungsleiterin Leineweber erläuterte die soziale Bedeutung des Sozialkaufhauses: „Das Haus ist auch zu einem festen Bestandteil des sozialen Lebens für viele Menschen geworden.“
Tanja Machalet, einzige Politikerin unter den Teilnehmern, berichtete, dass sie mit Entscheidungsträgern von Montabaur bis Nürnberg (Sitz der Bundesagentur für Arbeit) in Kontakt sei. Die Zuständigen verhielten sich bei ihren Entscheidungen rechtskonform, aber es gebe auch Spielraum: „Dass es wie bisher weitergehen könnte, zeigen andere Projekte, die nach den bisherigen Förderbedingungen erfolgreich weiterlaufen“, so die SPD-Bundestagsabgeordnete.
„Wir möchten dem Sozialkaufhaus eine Zukunft geben – als Ort der Hilfe, der Begegnung und der gelebten Solidarität.“
So heißt es seitens des Vereins Wäller Helfen
Nun kam der Verein Wäller Helfen ins Spiel, der vor einigen Wochen seinen Hut in den Ring geworfen und Interesse an einer Fortführung des Sozialkaufhauses mit geändertem Konzept geäußert hatte. „Über ein breites freiwilliges Engagement können wir uns als Verein vorstellen, die wichtigen Funktionen Warenverkauf und Treffpunkt ab 1. Januar 2026 fortzuführen“, sagte der Vorsitzende Björn Flick. Voraussetzung dafür sei, dass man schnell ein Dutzend Freiwillige finde, die sich rund um das Sozialkaufhaus einbringen wollen.
„Besonders hervorzuheben ist der Nachhaltigkeitsgedanke: Spenden aus der Region werden nicht entsorgt, sondern erhalten ein zweites Leben. Soziales Handeln und Nachhaltigkeit greifen hier ineinander. Es ist ein Stück gelebte Verantwortung für Mensch und Umwelt“, hebt der Verein hervor.

Damit die Übernahme gelingen kann, sucht der Verein zwei Mitarbeitende auf Minijob-Basis sowie mindestens acht bis zehn Ehrenamtliche, die sich regelmäßig engagieren möchten. Die Aufgaben reichen vom Sortieren und Aufbereiten gespendeter Ware über das Abholen von Möbeln bis zur Unterstützung im laufenden Betrieb. Willkommen sind Menschen, die sich sozial engagieren möchten – gerne auch Senioren, die eine sinnstiftende Tätigkeit suchen. Moderator Uli Schmidt schloss, es gebe jetzt nur zwei Wege: „Entweder gelangt die Arbeitsverwaltung ganz kurzfristig zu anderen Einsichten, sonst besteht die begründete Hoffnung, dass Wäller Helfen schnell genug Freiwillige findet.“ red
Potenzielle Mitarbeiter, Ehrenamtler, Sponsoren und Förderer können sich schnell wenden an den Verein per E-Mail an info@waellerhelfen.de oder an das Sozialkaufhaus – persönlich während der Öffnungszeiten sowie per E-Mail an info@sozialkaufhaus-montabaur.de
Erfolgsprojekt nicht leichtfertig aufgeben
Im Sozialkaufhaus seien die Weichen von bisher verpflichtender Maßnahme-Teilnahme auf freiwillige Bildungsgutscheine umgestellt worden, hat der Kreissozialausschuss mitgeteilt. Folglich kämen kaum noch Qualifizierungs-Teilnehmer an, die Arbeit könne nicht weitergeführt werden. „Dabei sollte doch mehr Druck auf Bürgergeldempfänger ausgeübt und mehr Arbeitsanreiz geschaffen werden“, heißt es in der Mitteilung des Ausschusses. „Im Westerwald praktiziert man nun wohl das Gegenteil.“ Neben dem Sozialkaufhaus kämpfe aktuell auch das Familienferiendorf in Hübingen um seine Zukunft, das Projekt Paul e.V. im Kannenbäckerland habe bereits verloren. Weiteren drohe eine unsichere Zukunft. „Meist trifft es dabei Menschen auf der Schattenseite des Lebens, die wir aber als Gesellschaft nicht aufgeben dürfen“, so Uli Schmidt. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, weshalb man leichtfertig ein Erfolgsprojekt wie das Sozialkaufhaus gefährde. red
