Vor fast einem Jahr, am 1. April 2024, wurde der Konsum von Cannabis teillegalisiert. Einen Monat später folgte der Startschuss für die Inbetriebnahme der sogenannten Cannabis-Social-Clubs (CSC). Mittlerweile haben die ersten Vereine im Land mit der Abgabe des legal angebauten Cannabis an ihre Mitglieder begonnen. Wie ist der Stand beim einzigen CSC im Westerwaldkreis? Der Vorsitzende Nikolai Aller und Investor Agron Dervishaj nehmen unsere Zeitung mit hinter die Kulissen.
In der Ortsgemeinde Siershahn ist das Westwood Cannabis Collectiv (WCC) zu Hause. Neben modernen Büroräumen befindet sich auf dem Grundstück in der Bahnhofstraße auch ein Lagerhaus, welches für den Cannabis-Anbau vorgesehen ist. Doch hinter den schweren alten Holztoren der Halle befindet sich Wiedererwartens noch keine Vielzahl an Cannabis-Pflanzen, die unter UV-Lampen heranreifen und auf ihre erste Ernte warten.

Bereits 2022, kurz nachdem die Regierung die Teillegalisierung ins Rollen brachte, gründete Nikolai Aller seinen CSC. „Mir war klar, ich will von Anfang an dabei sein und mitwirken“, erinnert sich der Vorsitzende. Doch erst seit Anfang Januar hat der WCC die offizielle Erlaubnis des rheinland-pfälzischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, um gemeinschaftlich Cannabis anzubauen und an die Vereinsmitglieder abgeben zu können. Auch der Umbau der Halle konnte deshalb bis jetzt noch nicht vollzogen werden.
Dass Aller seine Lizenz erst kürzlich erhalten hat, liegt unter anderem an den vielen gesetzlichen Bedingungen, welche die CSCs erfüllen müssen. Der Club-Gründer erklärt, dass es sich als schwierig und langwierig entpuppte, entsprechende Konzepte zu entwerfen und diese dann durch die Behörden prüfen zu lassen. Erschwerend kam hinzu, dass Aller und Dervishaj für sich selbst den Anspruch hatten, die Vorgaben von der Regierung noch verschärfter umzusetzen. „Uns ist wichtig, dass alles seriös ist. Deshalb sind unsere eigenen Anforderungen an das Sicherheitskonzept und den Jugendschutz höher, als gesetzlich gefordert“, sagt der Investor.
„Vorurteile sind immer da, dann liegt es aber an uns, diese auszuräumen.“
Agron Dervishaj
Konkret bedeutet das etwa, dass bei dem Westerwälder CSC keine Abgabe an Personen unter 21 Jahren erfolgt. Außerdem wird eine Einstiegsgebühr von 200 Euro erhoben. Damit will Aller sicherstellen, dass sich die Mitglieder „den Konsum leisten können“. Auch eine Jugendschutzbeauftragte sowie ein Präventionsbeauftragter gehören dem Club an. Zum Schutzkonzept gehört für Aller darüber hinaus auch eine Kooperation mit der Westerwälder Diakonie. Ziel sei es schließlich, etwas Positives zu bewirken und keine Probleme zu verursachen. Der Investor spricht davon, einen verantwortungsvollen Konsum und einen vernünftigen Umgang mit Cannabis zu schulen.
Darüber hinaus muss auch die Anbauhalle einige Kriterien erfüllen. „Je unauffälliger, desto besser“, so Aller. Von außen dürfe man nicht in die Räumlichkeiten reingucken, es sollen Zutrittskontrollen stattfinden, Überwachungskameras installiert werden, und ein gesicherter Schrank zur Aufbewahrung des Ernteprodukts muss vorhanden sein. Dervishaj erklärt: „Das kann mit einem Banktresor verglichen werden, da kommt niemand rein, der nicht rein soll.“

All das musste bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und vonseiten der Behörden abgesegnet werden, bevor der CSC seine Lizenz erhalten konnte. Was den Prozess zusätzlich verzögerte: Sowohl für die Verwaltungen als auch für die Antragsteller ist die Thematik Neuland. Vor diesem Hintergrund hatten beide Seiten viel Verständnis füreinander, lobt der Investor.
Mit den Behörden arbeiten Aller und Dervishaj eng zusammen – auch um zu zeigen, dass sie sich mit dem einst kontroversen Geschäftsmodell optimal in die Westerwälder Ortsgemeinde eingliedern können. Sie wollen transparent handeln, damit Bürger, die Fragen oder Sorgen beim Thema Cannabis haben, aufgeklärt werden können. „Vorurteile sind immer da, dann liegt es aber an uns, diese auszuräumen“, sagt Dervishaj.
„Dank der offenen und sehr guten Gespräche mit den Verantwortlichen und handelnden Akteuren ist das Projekt auf einem guten Weg.“
Alexandra Marzi, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Wirges
Das ist auch im Sinne der Verwaltung. Alexandra Marzi, Bürgermeisterin der VG Wirges, teilt auf Anfrage mit, dass die Eröffnung des Clubs ein sensibles Thema sei, das viele Perspektiven vereine. „Als Bürgermeisterin sehe ich meine Aufgabe darin, gemeinsam mit meinem Team die rechtlichen Rahmenbedingungen und die öffentliche Sicherheit im Blick zu behalten“, betont sie. Marzi merkt zudem an, dass es aufgrund der Neuheit des Gesetzes keine rechtliche Blaupause gab. Doch das Projekt sei nun auf einem guten Weg, „dank der offenen und sehr guten Gespräche mit den Verantwortlichen und handelnden Akteuren“. Der angemessenen Integration des CSC in die Ortsgemeinde steht laut der VG-Bürgermeisterin also nichts entgegen.
Für das WCC geht es nun erst einmal richtig mit dem Umbau los. Der erste Cannabis-Ertrag soll voraussichtlich im Herbst an die Mitglieder abgegeben werden. Rückblickend auf die vergangenen Monate stellt Aller fest: Die größte Schwierigkeit lag darin, das Vertrauen der rund 120 zahlenden Mitglieder zu halten, die der Club bereits zählt. Nicht nur er und sein Partner hingen mit einem finanziellen Risiko bei dem Hin und Her vor der Legalisierung in der Schwebe, sondern auch die Menschen, die sich bereits verbindlich im Verein angemeldet haben.

Branche im Gründungsrausch: Ansturm auf die Cannabis-Klubs der Region
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Weg frei gemacht. Jetzt kann auch in der Region legal Cannabis angebaut werden. Im Westerwald und an der Nahe sind zwei Social Clubs an den Start gegangen, die sich vor Anfragen kaum retten können.