ICE-Notbremsung
Erschrecktes Pferd kollidiert mit ICE bei Deesen
Der ICE kam nach einer 1,2 Kilometer langen Gefahrenbremsung im Bahnhof Montabaur zum Stehen.
Sascha Ditscher

Ein Pferd entkam der Besitzerin während einer Veranstaltung in Großmaischeid und geriet auf seiner Flucht vor den 300 Stundenkilometer fahrenden ICE zwischen Köln und Frankfurt bei Deesen. 

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Mit einem Pferd kollidierte der ICE 412 am Sonntagabend auf der Schnellfahrstrecke Köln in Richtung Frankfurt auf Höhe der Ortschaft Deesen. Bei Tempo 300 leitete der Führer des Hochgeschwindigkeitszuges, der keine Fahrgäste an Bord hatte, eine Schnellbremsung ein und kam nach etwa 1,2 Kilometern im Bahnhof Montabaur zum Stehen, wie unsere Zeitung nach Angaben der Polizei Montabaur berichtete. Das Pferd überlebte die Kollision nicht.

Der aus Köln kommende, beschädigte Zug konnte seine Fahrt zumindest bis zum DB-Regio-Werk in Frankfurt-Griesheim fortsetzen und die Bahnstrecke wurde nach mehrstündiger Sperrung am späten Abend wieder freigegeben. Am Einsatz beteiligt waren Bundespolizei Trier, Landespolizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk Montabaur.

Treibjagd traditionell ausgerichtet

Die Besitzerin des aus Großmaischeid stammenden Pferdes konnte ausfindig gemacht werden und wurde von der Polizei über den Unfall informiert. Wie Deesens Ortsbürgermeister Armin Hoffmann mitteilt, sei das Pferd in die Pfingstschleppjagd am Sonntag mit den Hunden des Schleppjagdvereins Rheinlandmeute in Großmaischeid involviert gewesen. Nach bisherigen Angaben der Polizei wurde das Pferd während der in der Nähe stattfindenden Schleppjagd beim Verladen auf einen Pferdeanhänger aufgeschreckt und riss aus, woraufhin es zum Zusammenstoß mit dem ICE kam.

Der Verein hatte die Schleppjagd rund um Großmaischeid ausgerichtet. Nach einem mittäglichen Stelldichein mit Sektempfang am Naturresort Tannenhof sollte gegen 14 Uhr am Naturresort der Abritt stattfinden. Die Schleppjagd wurde von der Jagdhornbläsergruppe des Schleppjagdvereins Rheinlandmeute musikalisch begleitet. Die Jagdstrecke führte durch den Stebacher Wald und war mit jagdgerechten Hindernissen geschmückt. 

Ungewöhnlicher Vorfall

Angesichts des tragischen Unfalls herrschen bei den Mitgliedern des Schleppjagdvereins mit Sitz in Kleinmaischeid Bestürzung und Mitgefühl mit der betroffenen Halterin vor. Die Geschäftsführerin des Vereins, Dorothea Hargen, die an der Schleppjagd teilgenommen hatte, sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „In der Form habe ich das in den 20 Jahren, in denen ich beim Schleppjagdverein dabei bin, noch nie erlebt. Der Verladevorgang stellt für die Tiere eigentlich eine viele geübte Routine dar.“

Hargen bestätigt zudem die Informationen der Polizei und beschreibt, was weiterhin geschah: „Das Pferd hat sich beim Verladen auf dem Parkplatz neben dem Sportplatz am Ortsausgang von Großmaischeid erschreckt und ist ausgerissen, offenbar in Panik geraten. Wir sind sofort mit Fahrzeugen hinterhergefahren und haben den Jagdpächter verständigt.“ Die Kollision mit dem ICE, nach Schätzung von Hargen etwa fünf Kilometer vom Verladeplatz entfernt, ließ sich dennoch nicht mehr verhindern. Darüber hinaus stellt sie richtig: „Im Gegensatz zu der von der Polizei weitergegebenen Information trug das Pferd keinen Sattel mehr und hatte auch kein Zaumzeug mehr um. Das Tier trug ein Führhalfter und eine Abschwitzdecke und sollte, wie gesagt, in den Anhänger geführt werden.“

„Waffen sind kein Bestandteil einer Schleppjagd, die zudem nichts mit einer herkömmlichen Jagd zu tun hat.“
Geschäftsführerin des Schleppjagdvereins, Dorothea Hargen

Was in manchen Medien und sozialen Netzwerken aus dem Unfall gemacht worden sei, ärgert Hargen zutiefst. So sei die Vermutung geäußert worden, dass sich das Pferd aufgrund eines Schusses aus einer Waffe erschreckt habe und ausgerissen sei. Hargen betont: „Das entspricht nicht der Wahrheit – und es bringt die Schleppjagd an sich und uns als ausübende Akteure zu Unrecht in Verruf.“ Die Schleppjagd habe nichts mit dem Vorfall danach auf dem Verladeplatz zu tun gehabt. „Und Waffen sind kein Bestandteil einer Schleppjagd, die zudem nichts mit einer herkömmlichen Jagd zu tun hat“, stellt sie klar, und, dass bei diesem „Traditionssport“ keine Tiere gejagt werden.

Die Großmaischeider Pfingstjagd 

2012 fand in Großmaischeid erstmalig am Pfingstsamstag die Tannenhof-Pfingstjagd statt, bei der sich über 40 Reiter und die Rheinland-Meute versammelten. Die Meute ist im Nachbarort Kleinmaischeid mit dem Schleppjagdverein Rheinland ansässig. Da in Deutschland nicht auf Wild gejagt wird, dienen die Tiere ausschließlich der Schleppjagd, bei der die Hundemeute einer Duftspur folgt.Ein Mitglied der Jagdbegleitung übernimmt die Rolle des Fuchses und legt die Schleppe. Wenn der Schleppenleger genügend Vorsprung hat, werden die Hunde frei gelassen und folgen bellend der Schleppe. Sie werden von Hundeführern begleitet.  Die „wildreine“ Jagdhundmeute folgt der künstlichen, mit Gülle präparierten Schleppe, verfolgt deren Spur über Wege und teils Wiesen. Die Reiter wiederum folgen der Hundemeute und überwinden dabei mitunter Hindernisse wie querliegende Baumstämme. Die Schleppjagd in Großmaischeid verlief laut Vereinsgeschäftsführerin Dorothea Hargen über etwa 10 Kilometer ohne Zwischenfälle.

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