Von 130 Entlassungen mindestens die Hälfte in Heiligenroth - Insider stellt Argumentation der Unternehmensleitung infrage
Entlassungen bei Folienspezialist Klöckner Pentaplast: Etliche Betroffene in Heiligenroth
Von insgesamt 130 geplanten Entlassungen bei Klöckner Pentaplast ist auch der Heiligenrother Standort betroffen: Mindestens 65 Beschäftigte müssen hier um ihren Job bangen.
Katrin Maue-Klaeser

„Personalanpassungen“ hat die Vertriebs- und Marketingabteilung von Klöckner Pentaplast den Mitarbeitern an zwei deutschen Standorten angekündigt - auf Nachfrage hat unsere Zeitung erfahren: Es geht um Kündigungen. Mit Heiligenroth ist auch der Gründungsstandort der Unternehmensgruppe betroffen.

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„Es wird erwartet, dass rund 130 Mitarbeiter von dieser Maßnahme betroffen sein werden“, teilt ein Unternehmenssprecher mit. Mindestens die Hälfte dieser circa 130 geplanten Entlassungen sollen den Standort Heiligenroth treffen, hat unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfahren. Es sind also mindestens 8,5 Prozent der rund 770 Beschäftigten des Folienspezialisten an der Industriestraße im Gewerbegebiet Heiligenroth betroffen. Die Kündigungswelle schwappt dabei nahezu über alle Abteilungen, von der Produktion über technische Planung und Instandhaltung bis hin zu Verwaltung und Finanzbereich, beschreibt unsere Quelle.

Unternehmen argumentiert mit Marktlage

Auf Nachfrage heißt es von dem Unternehmenssprecher: „Klöckner Pentaplast hat seine Absicht angekündigt, die Zahl der Beschäftigten an den deutschen Produktionsstandorten Montabaur (Heiligenroth, d.Red.) und Gendorf sowie in den Corporate- und Vertriebsfunktionen in Montabaur und Gendorf anzupassen und die Mitarbeiterzahl zu reduzieren. Diese Entscheidung wurde aufgrund der aktuellen Markt- und Betriebssituation getroffen.“

Das hat nichts mit der Leistungsfähigkeit und
-bereitschaft der Beschäftigten an diesem Standort zu tun.

Ein Insider aus Heiligenroth widerspricht der Begründung für die Entlassungen.

Dieser Argumentation widerspricht unsere Quelle vehement: Im vergangenen Jahr habe gerade der Standort Heiligenroth das beste Gewinnergebnis seines gesamten 59-jährigen Bestehens erzielt, 69 Millionen Euro (vor Steuern und Abschreibungen). Die geplante Reform basiere nicht etwa auf wirtschaftlichen Daten, sondern auf einer budgetierten Annahme, sozusagen einer willkürlichen Planung. „Das hat nichts mit der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten an diesem Standort zu tun“, sagt der Insider und fügt an: „Es tut einfach weh.“ Seit Jahren sei zu beobachten, wie der US-Investor Strategic Value Partners aus Connecticut den Standort Heiligenroth regelrecht aussauge.

Belegschaft hat auf Gehalt verzichtet

Wie groß auch die Opferbereitschaft der Mitarbeiter sei, zeige sich daran, dass die Belegschaft in Heiligenroth massiv auf Gehalt verzichtet habe, damit eine zusätzliche Produktionsmaschine für ihren Standort angeschafft werden konnte – und nun sei im Frühjahr diese, von den Heiligenrother Mitarbeitern mitfinanzierte, Maschine nach Portugal verfrachtet worden, obwohl es am dortigen Standort weder die Aufträge noch Personal gebe, das sie bedienen könne.

Bei den bevorstehenden Entlassungen bei Klöckner Pentaplast am Standort Heiligenroth gelten meine Sorgen zuallererst den betroffenen Mitarbeitern und ihren Familien.

Ulrich Richter-Hopprich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Montabaur

Der Montabaurer Verbandsgemeindebürgermeister Ulrich Richter-Hopprich schaut sorgenvoll auf die Entwicklung: „Bei den bevorstehenden Entlassungen bei Klöckner Pentaplast am Standort Heiligenroth gelten meine Sorgen zuallererst den betroffenen Mitarbeitern und ihren Familien“, betont er auf Anfrage. „Die Entlassungen beruhen auf einer unternehmerischen Entscheidung, die wir als Kommune nicht hinterfragen können. Die Unternehmensleitung hat mir jedoch versichert, dass die jetzigen Maßnahmen für die Entwicklung und Stabilität des Unternehmens unumgänglich sind. In dieser Situation appelliere ich an die Verantwortlichen im Unternehmen und an den Betriebsrat, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu ergreifen, um die Auswirkungen für die betroffenen Menschen abzumildern“, so Richter-Hopprich weiter: „Ich hoffe, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen dazu führen, dass Klöckner Pentaplast als ein wichtiges Unternehmen an unserem Standort sich gut weiterentwickelt und dadurch die vielen verbliebenen Arbeitsplätze für die Zukunft gesichert werden.“

Personalanpassungen im Lauf des Jahres

Zurück zur Mitteilung des Unternehmenssprechers: „Es ist beabsichtigt, diese geplanten Personalanpassungen im weiteren Verlauf des Jahres 2024 vorzunehmen, sobald die erforderlichen Konsultationen und Verhandlungen mit dem Betriebsrat stattgefunden haben. Alle Mitarbeiter in Montabaur und Gendorf sind informiert und werden in dieser Zeit vom Betriebsrat und Vertretern der Personalabteilung unterstützt.“

Betriebsrat kümmert sich um Betroffene

Laut unserer Quelle sollen die ersten Mitarbeiter im Oktober freigesetzt werden. Einzig der Betriebsrat kümmere sich um die Menschen, während die Geschäftsführung den Fragen und Sorgen der Beschäftigten konsequent ausweiche. „Es ist dramatisch, wie hier mit den Menschen umgegangen wird“, kritisiert der Insider. Es fehle jede wirtschaftliche Grundlage für das Vorgehen.

Sprecher: Verkauf und Produktion gesunken

Mit Informationen zur allgemeinen Lage der Branche und den beiden betroffenen deutschen Standorten schließt der Unternehmenssprecher von Klöckner Pentaplast (kp): „Die letzten Jahre waren für die Kunststoffindustrie eine Herausforderung, und der Druck des Marktes hat insbesondere in Europa zu einem Nachfragerückgang geführt. Trotz erheblicher Fortschritte bei der Entwicklung innovativer neuer Produkte, der kp-weiten Fokussierung auf Nachhaltigkeit sowie auf Vertriebs- und Marketingaktivitäten, sind die Verkaufs- und Produktionsmengen in einigen Bereichen zurückgegangen. Den größten Anteil an diesem Volumenrückgang haben die deutschen kp-Standorte Montabaur und Gendorf.“

Insider: Heiligenroth leistungsfähigster Standort

Diese Aussage entlarvt der Insider als falsch: Von 240 Millionen Euro Gesamtgewinn der Unternehmensgruppe im Jahr 2023 habe der Standort Heiligenroth mit 69 Millionen Euro den größten Anteil aller Niederlassungen erzielt. Generell sei Heiligenroth der leistungsfähigste Standort – und nicht zuletzt Ursprung der Klöcknergruppe.

Der Folienspezialist
Klöckner Pentaplast (kp) wird 1965 in Heiligenroth gegründet, das Werk dort nimmt 1966 den Betrieb auf. Ab 1970 werden laut Unternehmens-Website Produkte in die USA und nach Kanada exportiert, 1977 in Gordonsville (Virginia) eine Schwestergesellschaft gegründet. In den 90er-Jahren wächst die Unternehmensgruppe auch durch Erwerb anderer Firmen. Durch ein Joint Venture mit Hoechst/Kalle 1996 als „Kalle Pentaplast“ wird die kp-Gruppe zum weltweit größten Produzenten von Spezialfolien. Weitere Unternehmen werden zugekauft und in den 2000er-Jahren neue Standorte unter anderem in Kanada, Thailand, China und Portugal errichtet. 2012 wird kp von Strategic Value Partners aufgekauft. 2015 wird der 50. Unternehmensgeburtstag in Heiligenroth groß gefeiert, auch zur Einweihung des neuen Verwaltungstrakts 2017 treffen sich Mitglieder der deutschen und amerikanischen Geschäftsführung mit Kommunalpolitikern der Region.

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