Eine Binsenweisheit? Vielleicht, aber auch Antrieb für Gruppen wie die Naturschutzinitiative, sich für den Erhalt möglichst jedes noch so kleinen Waldstücks einzusetzen, damit das sensible natürliche Gleichgewicht nicht noch stärker ge- oder zerstört wird, als es vielerorts schon geschehen ist.
Dass das nachhaltige und nicht selten kämpferische Engagement so fruchtet wie am Nauberg, ist die Ausnahme. Vielleicht ist deshalb der Optimismus bei Harry Neumann, dem Vorsitzenden der Naturschutzinitiative (NI), und seinen Mitstreitern so groß: Sie zeigen sich bei einer Exkursion in den herbstlichen Buchenmischwald überzeugt, dass der Nauberg nun dauerhaft einzig der Natur gehört. Die Umwandlung des sichergestellten Bereichs in ein uneingeschränktes Naturschutzgebiet betrachten sie nur noch als Formalie. Dabei sei in den vergangenen zehn Jahren im gesamten nördlichen Rheinland-Pfalz kein Naturschutzgebiet ausgewiesen worden.
„Hier, mitten hindurch, sollte das Förderband laufen.“ Bei diesen Worten schneidet Harry Neumanns Arm eine imaginäre Schneise in den Wald. Er deutet auf mit Sprühfarbe gekennzeichnete Bäume, mehr als 30 Stück in einem kleinen Bereich des weitläufigen Waldgebiets: „Diese Buchen im besten Alter hätten alle gefällt werden sollen“, beschreibt er nur einen kleinen Teil des gesamten Eingriffs, den die Fortführung des Basaltabbaus am Nauberg bedeutet hätte.
Doch die Exkursion galt vielmehr dem, was der Natur durch die Unterschutzstellung erhalten bleibt. Das „größte unzerschnittene Waldgebiet im Oberwesterwald“ nämlich, wie Neumann hervorhob. Neben Harry und Gabriele Neumann, der Wildkatzen-Expertin der NI, begleiteten Günter Hahn, Diplom-Biologe, Landschaftspfleger und FFH-Spezialist, Dorothee Killmann, Expertin für Flechten und Moose von der Uni Koblenz, sowie Konstantin Müller, Tierarzt und NI-Vorstandsmitglied, als Fledermaus-Kenner die Teilnehmer.
Einige Zahlen gab Harry Neumann noch mit auf den Weg: Etwa 425 Hektar umfasst das Naturschutzgebiet, die Kernzone ist etwa 100 Hektar groß. „In der Kernzone wird gar nichts mehr gemacht“, erklärte er, im übrigen Schutzgebiet finde eine naturnahe Waldbewirtschaftung statt. Während häufig Land- und Forstwirtschaft die „größten Bremser“ des Naturschutzes seien, habe sich die Leiterin des Forstamts Hachenburg und des dortigen Forstlichen Bildungszentrums als „sehr naturschutzorientiert“ erwiesen: „Dafür sind wir dankbar“, so Neumann.
Querfeldein – wie es Spaziergängern im Naturschutzgebiet normal verboten ist und hier nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich war – ging es in den Baumbestand, und schon zeigte Dorothee Killmann auf ein grünes Polster: „Waldfrauenhaarmoos“, sagte sie und erklärte, dass diese Art typisch für naturnahen Rotbuchenwald sei. Am Baumstamm daneben gab es Schlafmoos zu sehen und zu fühlen: Diese eher pelzige Art füllte früher manches Kopfkissen, daher rührt der Name.
Flechten, diese stets aus zwei Pilzarten und mindestens einer Alge bestehenden Symbionten, besiedeln lebende Bäume ebenso wie stehendes und liegendes Totholz, erklärte Killmann, wobei je nach horizontaler oder vertikaler Ausrichtung unterschiedliche Arten zu finden seien. Die Silberfleckflechte zeigte sie den Exkursionsteilnehmern: „Sie findet man immer auf glattrindigen Bäumen“, schilderte Killmann. An alten Rotbuchen mit rauer Rinde sei die Lepraflechte zu Hause. Gefragt, ob Flechten auf Pflasterwegen oder Dachziegeln Schäden verursachen könnten, winkte Killmann ab: „Flechten sind eine lebende Patina, die keinerlei Schaden an den Baustoffen verursacht.“ Als besondere Hingucker entdeckte die Biologin eine Schriftflechte, deren dunkle Fruchtkörper auf hellem Hintergrund an Schriftzeichen erinnern.
Konstantin Müller berichtete von der Konkurrenz unter Höhlenbewohnern, wo sich Vögel, Säuger und Insekten Brut- und Ruheplätze streitig machen. Dabei gibt es Spezialisten wie die Mückenfledermaus, die so klein ist, dass sie im Bohrloch des Großen Eichenbocks wohnen kann. Am Nauberg gebe es eine bedeutsame Käferpopulation, hieß es ergänzend. „Wir brauchen viel mehr Bäume, die alt werden dürfen“, schloss Harry Neumann: Nur 3 Prozent aller Buchen würden älter als 140 Jahre und damit erst ökologisch richtig wertvoll.
Katrin Maue-Klaeser