Preisgekrönte Autorin im Stöffel-Park zu Gast
Ein poetischer Leseabend mit Judith Hermann: Preisgekrönte Autorin im Stöffel-Park
a Judith Hermann
Heimelige Atmosphäre: Judith Hermann sprach im Rahmen der ww-lit-Reihe in der Historischen Werkstatt im Stöffel-Park über ihr Schreiben und ihr Leben und über das, was Schreiben und Leben zusammenhält und miteinander verbindet: Wahrheit, Erfindung und Geheimnis.
Angela Baumeier

Rasch nimmt Judith Hermann an ihrem Lesetisch in der Historischen Werkstatt des Stöffels Platz, schaut in ihr Publikum, das die bekannte Autorin schon mit großer Neugier und Ehrerbietung erwartet. Sie freue sich, so bekennt die charmante Frau mit einer Stimme, die sofort gefangen nimmt, an diesem Abend hier zu sein, auch wenn sie gar nicht recht wisse, wo das eigentlich sei.

Lesezeit 3 Minuten

Schon diese Einführung ist typisch für Judith Hermann, die – so wird es in der Lesung aus „Wir hätten uns alles gesagt“ deutlich – immer wieder mit der Wahrheit spielt, Realität und poetische Fiktion ineinander verwebt, sodass ein Text entsteht, der zu schweben scheint und Platz lässt für eigene Assoziationen.

Dass Judith Hermann an dem liebevoll dekorierten Tisch sitzt, ist der Veranstaltungsreihe ww-lit zu verdanken, wie Johannes Schmidt (Kulturreferent der VG Westerburg) bei der Begrüßung sagt. Er stellt die preisgekrönte Autorin vor, der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki schon bei ihrer Erstveröffentlichung eine glänzende Karriere prognostiziert habe. Ein Ritterschlag, dem Jahre später ein weiterer folgte, der für die Autorin, wie sie versichert, zum Kraftakt werden sollte: Sie wurde eingeladen, in die Fußstapfen von Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll oder Günter Grass zu treten und eine Poetiklesung in Frankfurt zu halten.

Dass Judith Hermann an dem liebevoll dekorierten Tisch sitzt, ist der Veranstaltungsreihe ww-lit zu verdanken, wie Johannes Schmidt (Kulturreferent der VG Westerburg) bei der Begrüßung sagt. Er stellt die preisgekrönte Autorin  vor.
Angela Baumeier

Das ist die Geburtsstunde des Buches, das nun vor Judith Hermann liegt. Eine Mammutaufgabe, schwierig. Wie schreibt jemand über sein eigenes Schreiben, den Prozess, der nicht herbeizuzwingen ist, harte Arbeit bedeutet, bis die Geschichte erzählt ist? Judith Hermann nutzt die Herausforderung, stellt sich ihr mitten in der Coronazeit, die ihr pures Schreiben ermöglicht – in der Gewissheit, dass sie diesen Text nie werde vorlesen müssen, stellte doch der Lockdown jegliche Normalität infrage und somit auch die Gewissheit eines Auditoriums von vielen Hundert Zuhörern.

Judith Hermann erzählt davon, wie „Wir hätten uns alles gesagt. Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben“ entstand, warum es den Konjunktiv im Titel gibt, bekennt, dass sie in Frankfurt an dem berühmten Theodor-W.-Adorno-Pult gestanden und ohne einen Blick ins Auditorium zu wagen, gelesen habe.

Während Lesung gegoogelt

Wie sie später erfuhr, dass Studenten noch während ihrer Lesung googelten, ob es die Kneipe „Trommel“ wirklich gibt oder den Psychoanalytiker Dr. Dreehüs, von dem die Autorin erzählt. Da wusste sie: Der Text, den sie ursprünglich nie veröffentlichen wollte, war in die Welt gegangen, hatte sein Eigenleben begonnen. „Ich hatte am Ende das Gefühl, eine Mutprobe bestanden zu haben“, bekennt sie. So stimmte sie der Veröffentlichung der Poetikvorlesungen dann zu.

Ich baue einen Text wie ein Haus aus Karten. Dann gibt es mehrere Arbeitsfassungen. Es ist erstaunlich, wie viele Karten ich raus-nehmen kann.“

Judith Hermann bei der Lesung

An diesem Abend ist es anders als bei der Frankfurter Poetiklesung, Judith Hermann sucht den Kontakt zu ihren Zuhörern, ermuntert sie ausdrücklich, Fragen zu stellen, freut sich über die Resonanz und übernimmt – notgedrungen, weil Moderator Michael Au – erkrankt ist, auch dessen Aufgabe. Nimmt sich quasi selbst an die Hand, so wie sie bekennt, ihre Texte „dem eigenen Leben entlang“ zu schreiben. Das sei wie ein Kartenhaus, das sie erbaue, dabei nach und nach Karten herausnehme, so lange, bis das nun „löchrige“ Gebäude sich trägt. Und genau diese „Leerstellen“ seien es dann, in die der Leser mit seinen Gedanken und Empfindungen, Erfahrungen und Träumen eintreten könne.

Judith Hermann war  gerne bereit, an diesem Abend nicht nur von sich selbst zu erzählen und von ihrem Schreiben, sondern auch zum Signieren der Bücher,
Angela Baumeier

Rezeption: poetische Erklärung

Rezeption nennen das die Literaturwissenschaftler. Aber Judith Hermann erklärt es in der Historischen Werkstatt viel poetischer. So wie ihre Person an diesem Abend selbst die Poesie zu umwehen scheint. Stundenlang könnte man ihr noch zuhören, sie ansehen, wie sie gezielt bestimmte Passagen in ihrem Buch auswählt, dann, nach dem Lesen, die große Brille absetzt, um in Kontakt mit ihrem Publikum zu treten. Und natürlich: Sie ist gerne bereit, an diesem Abend nicht nur von sich selbst zu erzählen und von ihrem Schreiben, sondern auch zum Signieren der Bücher, die von der Buchhandlung Logo wieder bereitgehalten werden.

Zuvor aber dankt nicht nur Johannes Schmidt der Autorin für diesen besonderen Literaturabend, auch sie bedankt sich bei allen Gästen: „Das war schön mit Ihnen, vielen Dank. Es hat großen Spaß gemacht.“

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