Umlage und Steuernachzahlungen
Ehemals reiche Ortsgemeinde plötzlich pleite
120 Euro pro Einwohner und Monat zahlt Görgeshausen in diesem Jahr an Umlage. Ortsbürgermeister Martin Bendel kritisiert dies mit einer selbst gestalteten Box, die in den Bürgersprechstunden auf seinem Tisch steht.
Thorsten Ferdinand

Viele Jahre lang war die Ortsgemeinde Görgeshausen vergleichsweise reich. Doch der Trend zeigt nach unten – und dafür macht der Ortsbürgermeister vor allem die Verbandsgemeinde Montabaur und den Westerwaldkreis verantwortlich.

Steigende Umlagesätze der Landkreise und Verbandsgemeinden nehmen immer mehr Dörfern ihren finanziellen Handlungsspielraum. Ein besonders drastisches Beispiel ist in diesem Jahr die Ortsgemeinde Görgeshausen in der VG Montabaur. Dank hoher Gewerbesteuereinnahmen und kommunaler Solarparks ging es dem 1000-Einwohner-Ort viele Jahre relativ gut. Doch 2025 ist die Gemeinde plötzlich pleite – und das, obwohl nicht ein Cent mehr für Görgeshausen ausgegeben wird, wie Ortsbürgermeister Martin Bendel betont.

Seit Bendel den aktuellen Haushalt kennt, ist er frustriert und verärgert. Seine Gemeinde muss in diesem Jahr 828.720 Euro an den Westerwaldkreis und 635.000 Euro an die Verbandsgemeinde Montabaur abführen. Das sind rund 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit rutscht Görgeshausen tief in die roten Zahlen. Im sogenannten Ergebnishaushalt klafft ein Loch von 553.000 Euro.

„Das Geld ist auf Knopfdruck einfach weg, bevor wir auch nur einen Cent für unsere Gemeinde ausgegeben haben. Und wir können nichts dagegen tun, das kann doch nicht richtig sein.“
Ortsbürgermeister Martin Bendel zu den Umlagezahlungen.

Hauptursache für den starken Anstieg ist eine Gewerbesteuernachzahlung, von der Görgeshausen im Vorjahr profitierte und die nun zeitversetzt in die Umlageberechnung einfließt. Aber auch ohne diesen Sonderfaktor zeigt der Trend nach unten, da die Umlagesätze des Kreises und der VG in den vergangenen Jahren mehrfach erhöht wurden.

Noch vor fünf Jahren lag die Umlage des Westerwaldkreises bei 40 Prozent und der Satz der VG Montabaur bei 28 Prozent, was im landesweiten Vergleich recht niedrig war. Inzwischen ist die Kreisumlage jedoch auf 43 Prozent und die VG-Umlage auf 33 Prozent gestiegen – zusammen also eine Erhöhung der finanziellen Belastung für die Ortsgemeinden um 8 Prozentpunkte.

Stein des Anstoßes: Die gestiegene Umlage der VG Montabaur führt Bendel vor allem auf den teuren Ratshausneubau zurück.
Thorsten Ferdinand

Zusammen mit der Gewerbesteuerumlage und der Finanzausgleichsumlage ergibt sich für Görgeshausen in diesem Jahr eine Gesamtbelastung von rund 1,5 Millionen Euro. „Das Geld ist auf Knopfdruck einfach weg, bevor wir auch nur einen Cent für unsere Gemeinde ausgegeben haben“, ärgert sich der Ortschef. „Und wir können nichts dagegen tun, das kann doch nicht richtig sein.“

Die Kreise und die Verbandsgemeinden verweisen in diesem Zusammenhang stets darauf, dass ihnen von Land und Bund immer neue Aufgaben zugewiesen werden. Sie brauchen deshalb mehr Personal und mehr Räume, was letztlich über die Umlage finanziert werden muss, da die übergeordneten Kommunen keine eigenen Steuereinnahmen haben.

Der Görgeshausener Ortsbürgermeister vermisst bei „den Raubrittern aus Montabaur“ (O-Ton Bendel) allerdings die Sparsamkeit, die man den Ortsgemeinden abverlange. Als Beispiel nennt er das neue Rathaus der Verbandsgemeinde Montabaur, dessen Gesamtkosten derzeit mit 38,5 Millionen Euro beziffert werden. In diesem Rathaus koste jeder Arbeitsplatz ein halbes Einfamilienhaus, rechnet der Ortschef vor. Das Projekt werde den Kommunen auf Jahre hinaus die Luft zum Atmen nehmen.

Das Fass zum Überlaufen brachte für den Ortschef ein Schreiben der Kommunalaufsicht bei der Kreisverwaltung, in dem die Görgeshausener auf einen Verstoß gegen die Gemeindeordnung hingewiesen wurde, weil der Haushalt 2025 nicht ausgeglichen ist. „Wir machen das alles in unserer Freizeit und waren immer bodenständig“, sagt Bendel. „Und dann bekommen wir einen Brief, in dem steht, wir hätten gegen Recht und Gesetz verstoßen“, schimpft er. „Das ist für mich unter aller Kanone.“

„Wenn das so weitergeht, bekommen wir hier Zustände wie in Nordrhein-Westfalen, wo die gesamte kommunale Infrastruktur vergammelt.“
Ortsbürgermeister Martin Bendel

Damit auch die Bürger sehen, wie eng der finanzielle Spielraum der Dörfer inzwischen ist, hat Bendel eine selbst gestaltete Box in seinem Bürgermeisterbüro aufgestellt. Sie zeigt einen 120-Euro-Schein – so viel muss jeder Einwohner der 1000-Seelen-Gemeinde durchschnittlich pro Kopf und Monat an Steuern zahlen, um die Umlagezahlungen zu finanzieren (die Gewerbebetriebe nicht mitgerechnet).

Das Geld fehle an anderer Stelle, so Bendel. Kommunen können nicht mehr ohne Weiteres in ihre Kindergärten oder den Straßenausbau investieren, wenn sie rote Zahlen schreiben. „Wenn das so weitergeht, bekommen wir hier Zustände wie in Nordrhein-Westfalen, wo die gesamte kommunale Infrastruktur vergammelt“, warnt der Ortschef. „Das können wir uns als Bürger nicht gefallen lassen.“

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