„Vielen Vereinen geht es aufgrund dieser Ausnahmesituation massiv an die Substanz – eine Menge Kostenbereiche laufen unverändert weiter, die Einnahmeseite fällt zu einem großen Prozentsatz weg. Viele Vereine finanzieren sich, neben den Beiträgen der Mitglieder, zu einem großen Anteil durch die Durchführung von Veranstaltungen“, führt Alfred Labonte, der Vorsitzende des Kreis-Chorverbands Westerwald aus. Raimund Schäfer, Schatzmeister und Regionalvorsitzender, ergänzt: „Sicherlich sind viele Vereine in der Lage, eine gewisse Zeit finanziell zu überbrücken, aber je länger das Vereinsleben brachliegt und je länger das Verbot für die Durchführung von Veranstaltungen existent ist, desto stärker wird die finanzielle Substanz der Vereine massiv beeinträchtigt.“
Insbesondere Vereine, denen die finanzielle Basis verloren geht und solche, die vorher schon unter Nachwuchsproblemen litten, werden unter Umständen auch nach dem Ende der Beschränkungen kaum noch in der Lage sein, das Vereinsleben in der vorherigen Form wieder aufzunehmen. Ebenso sind auch die fortschrittlichen Chöre gefährdet, die durch eine moderne Chorstruktur mit Kinder- und Jugendchören, Pop-Chören und anderen Ensembles mehrere Chorleiter beschäftigen und den finanziellen Spagat nur mit Einnahmen aus Veranstaltungen und Sponsoring bewältigen können.
Labonte und Schäfer schreiben unisono ins Pflichtenheft: „Es ist unabdingbar, dass bei der Definition von Hilfsprogrammen seitens der Politik auch dieser wichtige kulturelle Bereich entsprechende Berücksichtigung findet und auch Chöre im Bedarfsfalle finanziell unterstützt werden.“
Kreis-Chorleiter Mario Siry sieht neben der finanziellen Situation insbesondere die weitestgehend brachliegende Chorarbeit als Problem an und hofft auf einen Wiedereinstieg. „Die im Grunde strenge Struktur und der geregelte Ablauf einer Chor- und Musikprobe sollten es ermöglichen, den Probebetrieb wieder aufzunehmen und dabei strengste Hygienevorschriften und die geforderten Sicherheitsabstände einzuhalten“, ist Siry überzeugt. „Die Musikhochschule Freiburg hat dazu eine wissenschaftliche Messung bei den Bamberger Symphonikern herangezogen, die wissenschaftlich Atemströmungen im Abstand über 50 Zentimetern nicht mehr nachweisen konnte, und hat einen Abstand von zwei Metern beim Singen als sicher kommuniziert“, zitiert der Kreis-Chorleiter.
Die Bundeswehr komme bei Untersuchungen zu einem ähnlichen Ergebnis. Leider bestimmten jedoch Negativbeispiele aus der Vor-Corona-Zeit, in der es während Chorproben zu Ansteckungen gekommen ist, momentan vielfach die Diskussion.
„Nach einer Zeit der Isolation ist die schrittweise Aufnahme der Probetätigkeit ein erster Ansatz, um gesellschaftlichen Kontakt und Kommunikation wieder zu ermöglichen. Der Besuch von Chor- und Musikproben wäre gerade eine erste Möglichkeit, die häusliche Isolation zu überwinden“, argumentiert Labonte. „Unsere Chöre brauchen kurzfristig Lockerungen der Kontaktsperre, um – gegebenenfalls auch mit Einschränkungen – den Probebetrieb schrittweise wieder aufnehmen zu können.“
Dabei sei man sich bewusst, dass es nicht um Chorproben wie in der Vor-Corona-Zeit gehe, sondern um einen stufenweisen Einstieg in die Chorarbeit mit stimmenweiser Probentätigkeit und Berücksichtigung aller notwendigen Abstands- und Sicherheitsvorkehrungen. „Normale Proben sind sicherlich noch lange Zeit undenkbar“, dessen sind sich die Vertreter des Kreis-Chorverbands bewusst.
„In den Chören sind alle Generationen, alle Altersklassen aktiv eingebunden, die Vereine bieten gesellschaftliche Heimat und fördern das Wohlbefinden aller Beteiligten, indem sie den Stress des Alltags für die Zeit des aktiven Musizierens, aber auch die Zeit des musikalischen Genusses als Zuhörer vergessen lassen und der Gesundheit überaus förderlich sind“, führt Siry einen weiteren Aspekt für eine zeitnahe Wiederaufnahme der Chorarbeit an.
Die Vertreter des Chorverbandes Westerwald treibt eine große Sorge um den Verlust von Chören um, „bedeutet dies doch einen massiven Verlust für die Gesellschaft. Ein aktives Vereinsleben stellt in vielen Bereichen das Rückgrat des privaten gesellschaftlichen Miteinanders dar: Kinder werden betreut und gefördert, allen Generationen wird ein aktives, gesellschaftliches Miteinander geboten. Vereine erbringen einen unverzichtbaren und nicht wegzudenkenden gesellschaftlichen Mehrwert. Ohne Vereinstätigkeit wäre unsere Gesellschaft in vielen Bereichen massiv ärmer“.
Der Chorverband hat unlängst ein offizielles Statement über die Situation der Chöre im Westerwald an die Landes- und Bundespolitiker des Westerwaldes, an die Verbandsgemeinden und den Kreis gerichtet, um entsprechende Unterstützung für die Chorarbeit im Westerwald zu gewinnen.