Doch der entscheidende Faktor, der diesen Räumen über Jahrzehnte seinen besonderen Charme verliehen und Leben eingehaucht hat, fehlt: die Neugeborenen. Das Stillzimmer ist abgedunkelt, ein Stillkissen liegt einsam auf einem Sessel. In einem Nebenraum stehen zahlreiche leere Babybetten dicht nebeneinander, kein einziges ist belegt. Die Tür zu einem Elternzimmer ist geöffnet: Die beiden Betten, die hier sonst auf frischgebackene Mütter und Väter warteten, wurden zwar lediglich zur Reinigung rausgerollt, wie Mitarbeiter versichern, doch der Anblick ist bezeichnend für die neue Situation, die hier von Freitag an herrscht.
Das bedeutet aber keineswegs, dass in der letzten Betriebswoche der gynäkologischen Abteilung alle Patientenzimmer auf der Station unbesetzt sind – ganz im Gegenteil. Die Zimmer werden nur bereits anderweitig, interdisziplinär, genutzt – zumeist von Menschen mit kardiologischen Beschwerden. Damit wandelt sich der Personenkreis auf dem langen Flur Tag für Tag ein bisschen mehr.
Einige Pflegekräfte der ehemaligen Geburtsstation werden hierbleiben. Stationsleiterin Martina Denter ist bereits dabei, interne Fortbildungen zu organisieren: Schließlich werden Mitarbeiter, die sich Jahrzehnte um Säuglinge und deren Mütter gekümmert haben, künftig beispielsweise Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen pflegen. Das erfordert ganz andere Kenntnisse. „Wenn wir was machen, dann richtig“, betont Denter.
„Dass wir bereit sind, zu bleiben und noch mal was Neues zu lernen, liegt ohnehin nur an unserer guten Stationsleitung“, loben einige Krankenschwestern. Andere Kräfte werden in die Geburtshilfe nach Kirchen wechseln. Doch es gibt auch Mitarbeiter, die beim DRK gekündigt haben und demnächst etwa in Kinderarztpraxen arbeiten. „Ich wünsche allen Kolleginnen, dass sie auch künftig eine Beschäftigung haben, die ihnen zusagt“, so Martina Denter.
Jahrzehntelang wurden im Hachenburger Krankenhaus Kinder geboren – doch spätestens an diesem Donnerstag um 20 Uhr ist damit offiziell Schluss: Die in der Insolvenz befindliche DRK-Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Geburtshilfe und die gynäkologische Station ...Früher als geplant: Geburtshilfe in Hachenburg wird Donnerstag geschlossen
Wenn an diesem Donnerstag um 20 Uhr definitiv das Licht für die Geburtshilfe in Hachenburg ausgeschaltet wird, müssen Frauen, die kurz vorher noch hier entbunden haben oder wegen Beschwerden aufgenommen wurden, entweder nach Hause gehen oder nach Kirchen verlegt werden. Gynäkologen und Hebammen sind dann keine mehr vor Ort. Als die Mitarbeiter im Pressegespräch von diesen Fakten berichten, fließen bei einigen von ihnen Tränen. So wird es wohl auch am Donnerstagabend sein, wenn sich das ganze Team, das immer wieder von der hervorragenden Gemeinschaft schwärmt, nach Ende der letzten Schicht zur Verabschiedung trifft.
Die Solidarität der Bevölkerung ist sehr groß.
Das Team der Gynäkologie/Geburtshilfe Hachenburg freut sich über den Zuspruch, den es von vielen Bürgern erhalten hat.
Auch für viele Familien ist das Aus der Station emotional bewegend. Durch die um vier Wochen vorgezogene Schließung, von der die Mitarbeiter erst in einer Versammlung am 6. Februar erfuhren, müssen sich circa 30 Frauen, die laut Vorplanung im März noch in Hachenburg entbinden wollten, nun eine andere Klinik suchen. Besonders berührend ist, was eine Hebamme berichtet: Eine Frau, die 2023 eine Totgeburt hatte und anschließend in der Klinik in der Löwenstadt betreut wurde, hat dem Team einen langen, sehr persönlichen Brief geschrieben, in dem sie ihr Bedauern zum Ausdruck bringt, dass sie nun im März nicht mehr zur Entbindung ihres gesunden Kindes hierher kommen kann.
Der 29. Februar 2024 ist ein denkwürdiger Tag für Hachenburg. Seit 1950 wurde hier im Krankenhaus nahezu täglich neues Leben, neue Hoffnung, ja Zukunft geboren. Somit ist die Schließung der Geburtshilfestation, gegen die die Bevölkerung zusammen mit den Mitarbeitern über Monate hinweg engagiert ...Kommentar zur Schließung der Hachenburger Geburtenstation: Ein Verlust für die ganze Region
Die Solidarität der Bevölkerung sei sehr groß, heißt es. Immer wieder gäbe es Rückmeldungen, wie zufrieden die Familien gewesen seien – ob mit der medizinisch-pflegerischen Betreuung, der Möglichkeit, die Neugeborenen vor der Entlassung noch im Krankenhaus der U 2-Untersuchung durch einen kooperierenden Kinderarzt unterziehen zu können, der umfassenden Aufklärung über das Beratungsnetzwerk „Frühe Hilfen“ für die Zeit nach der Klinik oder auch mit der Möglichkeit, die Säuglinge über die Klinik beim Standesamt anmelden zu lassen, was den Weg zur Verwaltung ersparte.
So sehr sich das Geburtshilfeteam in den vergangenen Monaten über den Rückhalt aus der Bevölkerung gefreut hat, so enttäuscht sei man von der Landespolitik: Sie hätten viele Briefe geschrieben, erzählen die Mitarbeiter, aber man habe immer nur die Standardantwort erhalten, dass man die Schließung zwar bedauere, aber nichts machen könne, weil die Entscheidung in der Hand des Trägers liege.
Doch nicht nur für Familien und die Mitarbeiter hat das Aus Folgen, sondern ebenso für die künftig Ausbildung von Pflegekräften: „Konnten sich Praktikanten und Pflegeschüler früher bei uns alles live anschauen und sich von uns zeigen lassen, werden sie Arbeitsschritte aus der Geburtshilfe künftig nur noch in der Theorie kennenlernen. Dafür sollte ich sogar schon Fotos von unseren Räumen machen“, berichtet Hebamme Christine Rebmann. „Was muss noch passieren, damit die Geburtshilfe endlich mehr Wertschätzung erhält?“, fragt eine Kinderkrankenschwester nachdenklich.