Beim Forum Westerwald verschiedene Ansätze vorgestellt, aber auch viele Probleme aufgezeigt und diskutiert
Chancen, aber auch viele Probleme: Kontroverse Diskussion über regionale Vermarktung im Forum Westerwald
Von mehreren Referenten und vielen Teilnehmern wurde beim Forum Westerwald der Friedrich-Ebert-Stiftung im Stöffel-Park das derzeit im Westerwald besonders aktuelle Problem „Direktvermarktung und regionale Lieferdienste – Wie Kreislaufwirtschaft vor Ort funktionieren kann“ ausführlich und auch teils sehr kontrovers diskutiert.
Markus Müller

Westerwald. Kann man mit regionalen Lieferketten den großen, wenn nicht sogar weltweit tätigen Lieferdiensten wie Amazon & Co. etwas entgegensetzen? Und wenn ja, wie bringe ich da Produzenten und Konsumenten zusammen? Machen da auf beiden Seiten überhaupt genügend Leute mit? Diese Fragen werden aktuell gerade im Westerwald wieder heiß diskutiert.

Als das Regionalbüro Rheinland-Pfalz/Saarland der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung das erste Forum Westerwald im Jahr 2024 konzipierte und dazu in den Stöffel-Park einlud, ahnte wohl niemand, welch große Aktualität das Thema „Direktvermarktung und regionale Lieferdienste – Wie Kreislaufwirtschaft vor Ort funktionieren kann“ plötzlich gewinnen würde. Eine Selbstvermarkterin und Wirtschaftsförderer sowie eine Vertreterin der Landwirtschaftskammer bestritten die Referate und stellten sich der Diskussion. Aber dann trat noch ein besonderer Gast ans Mikrofon. Doch der Reihe nach.

„Regionaler Konsum und direkte Wirtschaftsbeziehungen tragen zur Nachhaltigkeit, zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft, zum sozialen Miteinander sowie zur regionalen Kreislaufwirtschaft bei. Kurze Wege führen zu weniger Emissionen und sind unabhängiger von anfälligen globalen Lieferketten. Beim Kauf regionaler Produkte ist die Distanz zwischen Erzeugern und Verbrauchern geringer. Das ermöglicht einen direkten Austausch und aktive Rückmeldung, führt im Idealfall zu mehr Wertschätzung der Lebensmittel und weniger Lebensmittelverschwendung.“ So war es in der Einladung zu lesen, die damit ziemlich genau das charakterisiert, was den „Wäller Markt“, die genossenschaftlich organisierte Onlineplattform in der Region, ausmacht, durch deren akute finanzielle Schieflage das Thema eben die unerwartete Brisanz erhielt.

„Es ist sehr viel Gutes da, aber viele wissen gar nichts davon.“

Harald Schmillen und Jörg Hohenadl von der Wirtschaftsförderung im Kreis Neuwied

Schon in seiner Einleitung machte der Moderator, Landtagspräsident Hendrik Hering, deutlich, dass die Verbraucher oft nicht den Weg zu den regionalen Vermarktern finden. Andere Regionen machten es vor, wie man lokale Produkte nicht nur an Gäste, sondern auch die eigene Bevölkerung vermarktet. „Da kann man hier noch viel machen“, stellte Hering fest, zudem es eine „Sehnsucht nach Regionalität“ gebe.

Harald Schmillen und Jörg Hohenadl von der Wirtschaftsförderung im Kreis Neuwied stellten den „Naturgenuss Rhein-Westerwald“ vor. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Naturpark Rhein-Westerwald und der Wirtschaftsförderung und will vor allem Erzeuger (sprich vor allem Landwirte), Gastronomen und natürlich auch die Verbraucher zusammenbringen.

„Es ist sehr viel Gutes da, aber viele wissen gar nichts davon“, machten die beiden Referenten deutlich und betonten dabei auch: „Regionalität ist das neue Bio.“ Mit Netzwerkarbeit, Unterstützung und vielfältigen Aktionen will der Naturgenuss dafür sorgen, dass die Menschen in der Region und ihre Gäste nicht nur eine attraktive Region erleben, sondern auch dadurch etwas zur lokalen Wertschöpfung und Attraktivitätssteigerung beitragen.

In “Smart Stores" rund um die Uhr einkaufen

Hildegard Runkel, Referatsleiterin Einkommensalternativen bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, ging vor allem auf die landwirtschaftliche Selbstvermarktung ein und bemängelte in diesem Zusammenhang fehlende regionale und gemeinschaftliche Vermarktungsmöglichkeiten. Das Thema Logistik gehe man jetzt seitens der Kammer ganz groß an und entwickle dazu das Projekt „Smart Stores“, bei dem rund um die Uhr und an sieben Tage in der Woche in Selbstbedienung regionale Produkte angeboten werden sollen.

Davon, wie man erfolgreich landwirtschaftliche Produkte selbst vermarkten kann, berichtete Caroline Giese vom Biolandhof Schürdt in der gleichnamigen kleinen Gemeinde im Kreis Altenkirchen. Der Bioland-Betrieb produziert diverse Gemüsearten, Kartoffeln sowie Getreide, hält Hühner und Schweine und bietet im Hofladen und mit einem weiträumig agierenden eigenen Lieferdienst ein Biovollsortiment an. Insgesamt hat der Familienbetrieb 40 Mitarbeiter, davon viele in Teilzeit. Giese ging aber nicht nur auf den Erfolg ihres Unternehmens ein, sondern verhehlte auch nicht die Probleme, die dabei auftauchen. Das seien aktuell vor allem die hohen Energiepreise und auch die Kosten, die für Beratungen aufgrund der ständig steigenden behördlichen Auflagen entstehen.

Teilnehmer fordern die Politik

Nachdem alle drei Referate von den vielen Forumsteilnehmern (Verbraucher, Landwirte, Unternehmer und einige mehr) teils sehr kontrovers diskutiert wurden, gab Wendelin Abresch, Vorstand des „Wäller Markt“, einen Überblick über die aktuellen Probleme, aber auch Chancen der regionalen Plattform mit ihrem Lieferdienst (wir berichteten mehrfach). Auch nach seinem Vortrag entspann sich eine ausführliche Diskussion, bei der deutlich wurde, dass viel Vorhandenes einfach noch nicht genug bekannt ist und deshalb noch mehr Dialog und Netzwerkarbeit gebraucht wird.

Aus den Reihen der Teilnehmer kam zudem die Anregung, dass auch die Politik mehr dazu tun müsse, dass regionale Anbieter und Plattformen gegenüber den globalen Lieferdiensten bessere Chancen haben. Bedauert wurde weiter, dass zum Beispiel die Landwirte selbst für eine Zentralisierung gesorgt haben, wie etwa bei den Molkereien. Und dass es aktuell zum Beispiel nicht mehr möglich sei, Kindergärten in und Schulen der Region mit Milch oder anderen Lebensmitteln direkt aus der Region zu versorgen. Hier allein gäbe es viele Ansätze zur Verbesserung, war die einhellige Meinung.

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