Diese und weitere Fragen hat Natur-Kultur-Keramik, das Online-Magazin der Stadt Höhr-Grenzhausen, gestellt. Unsere Zeitung veröffentlicht Auszüge daraus.
Woher kommen Sie?
Ich bin im tiefen Westerwald aufgewachsen, in Driedorf. Später bin ich nach Wetzlar gezogen.
Wie sind Sie in Höhr-Grenzhausen gelandet?
Nach dem Realschlussabschluss wollte ich etwas Soziales oder Kreatives lernen, ich habe ein Jahr im Altenheim gearbeitet und bin 1998, mit 17 Jahren, hierhergezogen. In Ransbach-Baumbach habe ich dann bei Pfeiffer-Gerhards, einer Keramikmanufaktur, eine Keramiklehre gemacht.
Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt bereits, dass es in Richtung Keramik gehen sollte?
Ich hätte schon auch gerne Altenpflege gemacht, meine Mutter sagte, ich sei zu jung dafür. Ich hatte einen nicht ganz so guten Realschulabschluss, sodass ich nicht viele Auswahlmöglichkeiten hatte. Ich habe vom Arbeitsamt die Adresse einer Töpferei bekommen. Da wurde ich genommen. Man verdient als Töpferlehrling aber wenig, meine Mutter hat mich Gott sei Dank unterstützt, sodass ich auch hierherziehen konnte.
Wie ging es nach der Lehre weiter?
Nach der Lehre wusste ich noch gar nicht, wo ich hin möchte. Es haben sich alle an der Fachschule beworben, da dachte ich, das mach' ich auch. Man hat zu den Fachschülern auch immer etwas aufgeblickt. Deren Exponate waren toll, ich hatte Lust, das auch zu machen.
War nach der Fachschule sofort klar, dass Sie hierbleiben?
Eigentlich wollte ich nie hierbleiben. Ich fand es mit 17 ganz gruselig hier, man kam nicht so rein, hatte nur mit Keramikern Kontakt. Mittlerweile fühle ich mich total wohl und will gar nicht mehr weg. Wir haben ein kleines Haus, fußläufig zur Werkstatt, ich bleib' hier. Das hat sich total gewandelt.
Anschließend haben Sie noch am Institut für Künstlerische Keramik und Glas (IKKG) studiert. Wie kam es dazu?
Nach der Fachschule habe ich mich noch nicht getraut, selbstständig zu werden. Ich war kurz arbeitslos gemeldet, aber die wollten mich in irgendwelche Maßnahmen stecken und haben gar nicht verstanden, was ich möchte, nämlich einen Job, um mich nebenbei selbstständig zu machen. So habe ich mich am Institut für Künstlerische Keramik und Glas beworben und bin auch genommen worden. Mein Traum war es sowieso schon immer, Kunst zu studieren.
Jetzt sind Sie aber wieder im Handwerk gelandet. War Ihnen das damals schon bewusst oder holt einen eher die Realität wieder ein?
Als Künstlerin von der eigenen Arbeit leben zu können, das ist schwierig. Und ich bin nicht so selbstdarstellerisch. Künstler müssen sich viel präsentieren, du brauchst Galerien, und jemand muss dich entdecken. Ich habe gemerkt, dass das nicht meins ist, so konzeptionell zu sein und immer so viel darüber zu reden, was ich mache. Ich fand die Zeit am Institut dennoch toll und habe jede Menge gelernt. Ich habe mich aber letztendlich dazu entschieden, nur den Bachelor zu machen, keinen Master mehr. Nach neun Jahren Ausbildung war das dann genug. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auch schon eine Werkstatt in der ehemaligen Merkelbach-Manufaktur.
Zuvor, noch zu Fachschulzeiten, hatte ich einen Tisch in der Werkstattgemeinschaft „Trialog“ zusammen mit Susi Schmidt und Verena Skirde (beide Kolleginnen aus Höhr-Grenzhausen). Das wurde damals aber irgendwann verkauft, und das Keramik-Kasino (mittlerweile aufgelöst) entstand. Susi hat daraufhin eine Werkstatt gesucht, und wir haben uns zusammen einen Raum in der Merkelbach-Manufaktur angeschaut. Zu dieser Zeit wurde dort noch produziert, also die Öfen waren in Betrieb. Als die schließlich aufgehört haben, durften wir uns Drehscheiben und anderes Equipment nehmen, das war natürlich super als Einstieg, wir mussten keinen Kredit aufnehmen, um uns selbstständig zu machen.
Sie waren zunächst zu dritt, schon unter dem Label CeraMix?
Damals waren wir noch unter dem Namen „Kle“ zu finden, CeraMix kam später. Zunächst haben wir eine gemeinsame Keramiklinie produziert und gingen damit auch mal auf einen Weihnachtsmarkt. Es hat sich mit der Zeit aber herausgestellt, dass wir das so nicht wollen und dass jeder Seins machen möchte. Auch hat sich die Konstellation geändert. Einige sind gegangen, manche sind noch stille Mitglieder, neue kamen dazu. Aktuell sind wir Arwed Angerer, Kathrin Bachmann, Grit Uhlemann. Susi Schmidt brennt bei uns die Öfen, hat aber ihre Werkstatt hinter dem Café Libre.
Ist es Ihnen wichtig, in einer Gruppe zu arbeiten? Oder ist das auch mal anstrengend?
Mit dem Alter kommt manchmal der Wunsch auf, etwas Eigenes zu haben. Bei uns ins kleine Haus würde aber keine Werkstatt passen, und alles wäre ständig dreckig. Außerdem finde ich es gut, wenn Werkstatt und Zuhause getrennt bleiben, damit man auch rauskommt. Ich bin nicht so extrovertiert, da ist es gut, in einer Gruppe zu sein, sodass man mit jemandem reden kann, wenn man Probleme hat, seien es keramische Probleme oder auch so. Man kann sich die Öfen teilen und zusammenarbeiten, gerade auch für Veranstaltungen zieht man an einem Strang. Wie im Namen CeraMix schon anklingt, sind wir sehr wild zusammengewürfelt und alle sehr unterschiedlich. Aber man respektiert sich in seiner Unterschiedlichkeit, und dann funktioniert das.
Sie sind dann ja zu viert in einem Raum, oder?
Ja, aber jeder hat seine Koje und zahlt anteilsmäßig Miete, je nach Größe. Dass alle mal gleichzeitig in der Werkstatt sind, kommt nur selten vor. Dadurch funktioniert das gut.
Wussten Sie sofort, dass Sie Geschirr machen möchten, oder waren Sie erst mal auf der Suche, in welche Richtung Sie arbeiten möchten?
Ich war nicht so auf der Suche. Ich habe gesehen, wie Kollegen arbeiten, und dachte, das könnte doch auch was werden. Ich mache neben dem Geschirr auch Figuren und Wandarbeiten. An sich bin ich nicht so der Geschirrkeramiker, mir kommt es eher auf die Malerei an. In der Lehre lag der Fokus auf dem Handwerk, ich habe aber vor allem gerne gemalt. In der Fachschule konnte ich das gut miteinander kombinieren.
Wie kommt es dazu, dass Sie vor allem Frauengesichter malen?
Das kommt aus der Fachschulzeit, da habe ich viel Akt-Frauen gemalt. Anfangs habe ich auch Frauen auf kleinen Tassen gemalt. Durch die Märkte wurde ich dann genanter, was das Malen von nackten Frauen angeht. Schließlich sind vor allem Frauengesichter draus geworden.
Beschränken Sie sich hierbei nur auf die Keramik?
Malerei wäre natürlich auch etwas, aber ich komme kaum mehr zum Zeichnen neben der Keramik. Der Einstieg in die Keramik war anfangs sehr schwer. Beim ersten Markt habe ich nur ein Schälchen verkauft und das ganze Wochenende gefroren, das war frustrierend. Das hat mindestens fünf Jahre gedauert, bis ich mal die Früchte ernten konnte.
Versuchen Sie sich schon mal an anderen Dekoren?
Männer und Hunde kann ich einfach nicht. Es kommen unterschiedliche Tiere dazu, die Papageien zum Beispiel, andere Motive fallen weg. Wenn man alte Stücke von sich betrachtet, bekommt man die Krise. Anfangs hatten alle Frauen rote Haare, und jetzt haben sie schwarze.
Bestimmt das mitunter auch die Nachfrage?
Es ist schon immer wie Lottospielen, wenn man auf Märkte fährt. Während Corona konnte ich dann wieder etwas freier und größer arbeiten, da gab es zum Beispiel diese Projektstipendien, das hat mir sehr gutgetan.
Ist dabei etwas Neues entstanden?
Ich habe mich mit Renaissance-Malerei beschäftigt, dazu abfotografierte Dinosaurier meines Sohnes gesetzt und das wiederum keramisch umgesetzt, das hat einfach Spaß gemacht. Ich würde am liebsten in diese Richtung weiterarbeiten, dabei habe ich wirklich Feuer gefangen. Auch habe ich mich mit Vögeln beschäftigt, wie sehen die aus, was machen sie für Laute …
Was treibt Sie an, immer weiterzumachen?
Das Geld (lacht). Nein, ich habe nicht so große Ziele, es sind eher kleine.
Nun noch ein paar technische Fragen, wie brennen Sie Ihre Stücke?
Bei 1240 Grad Celsius mit Westerwälder Steinzeug, dicht brennend, im Elektroofen.
Wie lange arbeiten Sie an einem Stück?
Ich schaffe vielleicht so 20 bis 30 Tassen pro Woche – vom Drehen, also rohen bis zum fertigen Stück. Das Bemalen dauert sehr lange. Aber so genau kann ich das nicht sagen.
Was bedeutet der Standort Höhr-Grenzhausen für Sie?
Das ist mein Lebensort, und für mich ist es wichtig, an dem Ort zu sein, wo die Tradition der Keramik herkommt … und na ja, ich lebe gerne hier.
Die Fragen stellte das Team von Natur-Kultur-Keramik
Mehr Informationen zu Natur-Kultur-Keramik
Das vollständige Interview mit Tine Angerer, Mitglied der Keramikgruppe CeraMix, ist auf der Internetseite natur-kultur-keramik.de, dem Online-Magazin der Stadt Höhr-Grenzhausen, zu sehen. red