Bauzuschüsse sollen gestrichen werden - Sparmaßnahmen der Bundesregierung haben Auswirkungen auf den Westerwald
Bundeskabinett beschließt Kürzungen: Nun droht dem Familienferiendorf Hübingen das Aus
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Die Reihenhäuser im Bauhausstil sind mit zwei Bitumenschichten gedeckt, von denen die obere bereits Blasen wirft. Sobald ein Dach undicht wird, sei Schluss, erklärt Hanno Heil, Vorsitzender des Trägers.
Maja Wagener

„Im Moment sind die Dächer noch dicht“, sagt Hanno Heil, Vorsitzender des Vereins Familienferiendorf Hübingen, und zeigt auf die mit Bitumen gedeckten Reihengebäude. An manchen Stellen wirft die schwarze Abdeckung allerdings schon Blasen. Deswegen ist die Erholungs- und Bildungsstätte angezählt: Die Bundesregierung hat aus Spargründen beschlossen, die Zuschüsse für Sanierung und Modernisierung von Familienferiendörfern ab Mitte 2024 zu streichen.

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Die Reihenhäuser im Bauhausstil sind mit zwei Bitumenschichten gedeckt, von denen die obere bereits Blasen wirft. Sobald ein Dach undicht wird, sei Schluss, erklärt Hanno Heil, Vorsitzender des Trägers.
Maja Wagener

Und in der gemeinnützigen Einrichtung stehen unter anderem für die Dachsanierung Arbeiten mit Kosten von 2,8 Millionen Euro an.„Wir haben so viele glückliche Familien hier“, sagt Hanno Heil und lässt den Blick über das Dorf schweifen. Familien, die zum Beispiel Schreikinder haben oder so wenig verdienen, dass sie sich einen Urlaub anders gar nicht leisten könnten.

Die Lage ist traumhaft, auf der Bergseite von Wald umgeben, mit Blick auf Hübingen und an schönen Tagen bis zum Feldberg. Auf dem weitläufigen Gelände des Familienferiendorfs verteilen sich kleine Reihenhäuschen im Bauhausstil, das Empfangsgebäude mit Speisesaal, Tagungs- und Kreativräumen und die eigene Kapelle. Markant sind das bunte Zirkuszelt und der historische Schaustellerwagen, wo erst kürzlich Kulturveranstaltungen stattfanden. In den 1960er-Jahren von Architekt Johannes Krahn erbaut, haben hier bereits Generationen von Familien, Schulklassen und Vereinen Erholung und Bildung genossen.

An den Reihenhäusern stehen nach 15 Jahren nun Sanierungsarbeiten an, bei den 30 Jahre alten Dächern, die neu eingedeckt, gedämmt und mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet werden sollen, bei der Heizungssteuerungstechnik, bei den Nachtspeicheröfen, die die kleinen Häuschen nach wie vor heizen. Die sollen den Solarstrom speichern und in Schlaf- und Badezimmern durch Infrarotpaneele ergänzt werden, berichtet Hanno Heil.

Bisher seien Modernisierungskosten aufgeteilt worden, ein Drittel habe der Bund gezahlt, ein Drittel das Land und ein Drittel die Einrichtung selbst. Wenn der Kabinettsbeschluss durchgehe, müsse das Familienferiendorf zwei Drittel der Kosten aufbringen, erklärt Hanno Heil. Durch die geplanten Kürzungen sei die Existenz des Feriendorfs mittel-, eventuell sogar kurzfristig infrage gestellt, schreibt Michael Nagel, Hausleitung in Hübingen, in einem Hilfegesuch an die rheinland-pfälzische Landespolitikerin Jenny Groß (CDU).

„Selbst das Aufbringen des Trägeranteils von 33 Prozent war und ist für uns bereits eine Herkulesaufgabe und nicht allein aus den Erlösen der Beherbergung zu erwirtschaften.“

Michael Nagel, Hausleitung

Die Drittelfinanzierung habe in den vergangenen Jahrzehnten geholfen, das Feriendorf zu erhalten und auf einem angemessenen baulichen Stand zu halten. Doch: „Selbst das Aufbringen des Trägeranteils von 33 Prozent war und ist für uns bereits eine Herkulesaufgabe und nicht allein aus den Erlösen der Beherbergung zu erwirtschaften“, berichtete der Hausleiter Jenny Groß bei ihrem Besuch vor Ort. Dabei seien sie auf Spenden angewiesen, betonen Nagel und Heil. Fraglich ist zudem, ob die Länderförderung bestehen bleibt. Das Familienministerium Rheinland-Pfalz sagt dazu: „Sollten alle geplanten Einsparungen auf Bundesebene umgesetzt werden, ist es nicht realistisch anzunehmen, dass sie allesamt vom Land ausgeglichen werden können.“

Jenny Groß kennt die Einrichtung aus ihrer Zeit als Lehrerin und weiß: „Gerade in Zeiten von Inflation, der Energiekrise und den Post-Corona-Themen, die die Kinder weiterhin beschäftigen, ist das Feriendorf als Bildungs- und Aufenthaltsort von großer Bedeutung.“ Die Inflation trifft auch das Feriendorf. Es fahre mit minimalem Gewinn, 2023 rechne er durch die hohen Teuerungen sogar mit einem Verlust, erklärt Heil weiter.

Hanno Heil, Vorsitzender des Trägervereins für das Familienferiendorf Hübingen, in einem der Ferienhäuser. Hier können sich auch Familien mit sehr geringen Einkommen und Alleinerziehende einen Urlaub leisten.
Maja Wagener

Er und Nagel haben, ebenso wie die 20 Mitarbeiter, Sorge, dass das Familienferiendorf über kurz oder lang schließen muss. „Hier geht genug ehrenamtliches Engagement rein. Dass der Staat so etwas nicht honoriert, halte ich ordnungspolitisch für falsch“, ärgert er sich. Die Mitarbeiter würden arbeitslos und die örtlichen Unternehmen bekämen die Aufträge für die Sanierungsarbeiten nicht: „Was ich da an Steuereinnahmen kaputt mache, hat die 1,8 Millionen in ein paar Jahren aufgefressen.“ Da sei an anderer Stelle viel mehr zu holen

„Von daher setzen wir alles daran, diesen Beschluss zu kippen“, zeigt sich der langjährige Vorsitzende kämpferisch. Dafür hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung, der das Feriendorf Hübingen angehört, eine Petition gestartet. Die Zukunft ist fraglich: „Wenn die Dächer undicht sind, dann ist hier Schluss“, bringt Heil es auf den Punkt.

Hier ist die Petition der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung zu finden.

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