Personenverkehr auf der Brexbachtalbahnstrecke zwischen Engers und Siershahn könnte sich lohnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Land Rheinland-Pfalz in Auftrag gegebene Untersuchung von stillgelegten Bahnstrecken. Beim sogenannten Kosten-Nutzen-Index hat die „Brex“ den sensationellen Wert von 3,89 erreicht. Damit nimmt sie den Spitzenplatz innerhalb der zwölf Routen ein, die von einem Fachbüro unter die Lupe genommen wurden. Rollen also bald wieder Züge? Wie ist die Position der Anliegerkommunen dazu?
Die Stadt Neuwied steht einer Reaktivierung uneingeschränkt positiv gegenüber. 2013 und zur Bekräftigung noch einmal 2016 hat der Stadtrat Resolutionen pro Brex verabschiedet. „Nachteile sehen wir nicht“, betont Pressesprecher Ulf Steffenfauseweh. Die Stadt sei auch bereit, einen entsprechenden finanziellen Beitrag zu leisten. In der Resolution von 2016 heißt es, der Stadtrat bringe sein großes Interesse an der Reaktivierung der Brexbachtalbahn mindestens bis Grenzau zum Ausdruck und bekräftige darüber hinaus seine Bereitschaft, einen entsprechenden finanziellen Beitrag leisten zu wollen. „Die Gründe für diese Haltung liegen in der Erkenntnis des hohen touristischen Potenzials einer möglichen Wiederinbetriebnahme der Strecke: Die Brexbachtalbahn dient als Verbindungslinie von touristisch bedeutsamen Anlaufpunkten, wie beispielsweise dem Schloss Sayn, der Sayner Hütte und dem Schloss Engers mit der Villa Musica. Die Strecke führt mit diversen Tunnels und Brücken durch eine besonders reizvolle Landschaft und ist gleichermaßen für Freunde historischer Bahnstrecken wie auch Naturliebhaber/Wanderer interessant“, heißt es in der Resolution.
Stadt und VG Ransbach-Baumbach sprechen sich für Fuß- und Radweg aus
Michael Merz, Bürgermeister von Stadt und Verbandsgemeinde Ransbach-Baumbach, äußert sich zu einer möglichen Wiederinbetriebnahme wie folgt: „Der seit 2011 rechtsverbindliche Flächennutzungsplan, also der unverbindliche Bauleitplan für das gesamte Gebiet der Verbandsgemeinde, sieht für die Strecke die Planung ,Überregionaler Fuß- und Radweg’ vor. Die ist auch noch die aktuelle Beschlusslage des Verbandsgemeinderates. Mit Rücksicht auf die angespannte verkehrliche Situation in der Stadt Ransbach-Baumbach – auf der Rheinstraße verkehren täglich mehr als 17.000 Fahrzeuge – ist die Flächennutzungsplanung der VG auch im Sinne der Stadt Ransbach-Baumbach und entspricht der vor einiger Zeit gefassten und noch wirksamen Beschlusslage. Eine Reaktivierung der Bahnstrecke kann nicht nur auf Schienenpersonenverkehr begrenzt bleiben – Güterverkehr durch die Ortslage der Stadt Ransbach-Baumbach ist naturgemäß mit Schwierigkeiten beziehungsweise Nachteilen verbunden. Problematisch ist die Situation auch durch den Verkauf des Bahnhofsgebäudes an eine Privatperson und damit verbundene einschränkende bahnliche Nutzung.“
Ähnlich kritisch sieht Achim Schwickert die Situation. Der Landrat des Westerwaldkreises betont: „Die Brexbachtalbahn ist durch die Deutsche Bahn seinerzeit stillgelegt worden, weil sich kein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Strecke mit 36 Brücken und sieben Tunneln mehr ergeben hatte. Alle nachfolgenden Überlegungen zur Reaktivierung der Strecke, die unter Miteinbeziehung der Anliegerkommunen angestellt worden sind, sind ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis gekommen.“ Die erneute Prüfung einer möglichen Reaktivierung der Brexbachtalbahnstrecke sei allein vom Land Rheinland-Pfalz veranlasst und beauftragt worden.
„Eine finanzielle Beteiligung durch den Westerwaldkreis wäre nicht möglich, weil die allgemeine Finanzsituation des Kreises zwischenzeitlich so ist, dass eine solche freiwillige Leistung einfach nicht mehr darstellbar ist.“
Der Westerwälder Landrat Achim Schwickert wird keine Kosten für eine eventuelle Reaktivierung übernehmen.
„Wir kennen lediglich das Ergebnis, also die Punktzahl des Kosten-Nutzen-Index’, nicht aber die Herleitung und Begründung. Das Land Rheinland-Pfalz plant offensichtlich eine Finanzierung allein aus Bundesmitteln. Jedenfalls ist es nicht an den Westerwaldkreis mit der Bitte um Prüfung herangetreten, ob der Westerwaldkreis einen Finanzierungsanteil – und wenn ja welchen – übernehmen könnte. Eine finanzielle Beteiligung durch den Westerwaldkreis wäre auch nicht möglich, weil die allgemeine Finanzsituation des Kreises zwischenzeitlich so ist, dass eine solche freiwillige Leistung einfach nicht mehr darstellbar ist.“
Im Übrigen sei die Strecke über Jahre hinweg praktisch nicht mehr genutzt worden. Die Welt habe sich entlang der Strecke dennoch weiterentwickelt. Es seien bauliche Maßnahmen und wirtschaftliche Investitionen vorgenommen worden, davon ausgehend, dass dort keine Züge mehr fahren. „Dies kann man bei den Überlegungen um eine mögliche Reaktivierung nicht unberücksichtigt lassen“, betont Schwickert.

Die Nutzung und Zukunft der Brexbachtalbahn ist seit dem Jahr 2001 regelmäßig Thema in den politischen Gremien der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen sowie im Stadtrat. Ein zentraler Beschluss wurde vom Verbandsgemeinderat am 26. September 2016 einstimmig getroffen. Grundlage war damals eine neue Konzeption zur Reaktivierung der Brexbachtalbahn des Vereins „Die Brex“. „In dem vom Verbandsgemeinderat getroffenen Beschluss wird eine touristische Nutzung der Strecke von Engers bis Grenzau ausdrücklich begrüßt. Ein Güterverkehr wird von unserer Seite ausgeschlossen. Der Beschluss stellt klar, dass die Verbandsgemeinde keine Trägerschaft – weder in Form von Eigentum noch Pacht – für die Infrastruktureinrichtungen übernehmen wird. Grund hierfür sind die langfristigen finanziellen Verpflichtungen, die nicht verlässlich beziffert werden können“, erläutert Bürgermeister Thilo Becker.
Und weiter: „Die Brexbachtalbahn hat aus unserer Sicht touristisch Potenzial. Eine tatsächliche Nutzung im Rahmen des Schienenpersonennahverkehrs muss mit einer guten Konzeption für Pendler ausgestattet sein. Die aktuell fehlenden Parkmöglichkeiten am Bahnhof Grenzau und die nicht befriedigende Anbindung des Bahnhofs Grenzau an den öffentlichen Busverkehr müsste als Herausforderung gelöst werden.“ Die generelle finanzielle Ausstattung zur Beauftragung von Fahrten im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs sieht Becker als eine weitere Hürde. Der scheidende Verwaltungschef fragt: „Was nutzt eine ausgebaute Strecke, wenn anschließend kein Verkehr erfolgt oder mangels Finanzen beauftragt werden kann?“ In der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen gebe es viele Berufspendler, die nach Koblenz zur Arbeitsstätte müssen oder die in Richtung des Ballungsgebietes Frankfurt pendeln. „Hier müssen die Fahrzeiten annähernd mit dem Individualverkehr mittels Pkw konkurrieren können, ansonsten vermute ich, wird das Angebot durch die Bevölkerung nicht angenommen“, sagt Becker. Abschließend betont er: „Sollte es doch nicht zu einer Reaktivierung der Strecke kommen, würde ich mir wünschen, dass die Trasse, wenn auch nur teilweise, einer anderen touristischen Nutzung zugeführt werden kann.“

Wiederaufnahme des Schienenverkehrs widerspricht dem Wohl der Stadt Bendorf
Aus Sicht der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz haben sich bislang keine neuen Voraussetzungen und Handlungsmöglichkeiten rund um eine mögliche Reaktivierung der Brexbachtalbahn ergeben. Das teilt Damian Morcinek von der Stabsstelle Büro Landrat mit. Es obliege zunächst dem Rat und der Verwaltung der Stadt Bendorf, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Inwiefern das Land Rheinland-Pfalz eine mögliche Priorisierung vornehmen wird, ist derzeit noch unklar. Ohne entsprechende Fördermittel des Landes ist eine Realisierung des Vorhabens jedoch nicht möglich.
Christoph Mohr, Bürgermeister der Stadt Bendorf, ist deutlich. „Der Stadtrat der Stadt Bendorf steht einer Reaktivierung der Brexbachtalbahn ablehnend gegenüber.“ Im September 2021 sei dazu im Stadtrat eine Resolution mehrheitlich beschlossen worden. Ihr Inhalt: „Eine Wiederaufnahme des Schienenverkehrs auf dieser Strecke widerspricht dem Wohl der Stadt Bendorf und seinen Einwohnern. Insbesondere die Freigabe der Strecke für den Güterverkehr würde die Stadt nachhaltig belasten.“

Landrat Achim Hallerbach vom Kreis Neuwied erläutert: „Der Kreistag hat sich mit dem Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse nicht beschäftigt, da seitens des Landkreises auch kein Handlungsbedarf besteht. Außerdem betrifft die Streckenführung überwiegend den Westerwaldkreis. Der Kreis wie die von der Streckenführung betroffenen Kommunen müssen sich zuerst selbst positionieren, da in deren Regionen die größten baulichen Herausforderungen und Eingriffe bestehen.“
Eine finanzielle Beteiligung an der Wiederinbetriebnahme schließt er aus. „Dafür hätte unser Kreishaushalt überhaupt nicht die finanzielle Möglichkeit, da es sich auch um eine freiwillige Finanzierung handeln würde. Wir sehen die Wiederinbetriebnahme einer Schienenstrecke nicht als kommunale Aufgabe der Finanzierung. Hier ist das Land in der Pflicht.“ Die Untersuchungen zeigen einen klaren Nutzen für die regionale Wirtschaft im Schienengüterverkehr. Auch im Personennahverkehr zeigt die Studie Möglichkeiten. Für Menschen, die entlang der Strecke gebaut oder auch wirtschaftlich investiert haben, und die dabei die Hoffnung hatten, dass nie wieder ein regelmäßiger Zug da lang fährt, kann ein Schienenverkehr Probleme bereiten. Hier gibt es viele Zielkonflikte, die miteinander besprochen werden müssen.
„Sollten das Land Rheinland-Pfalz und der Bund dieses Projekt in finanzieller Eigenregie realisieren wollen, wird sich die Verbandsgemeinde Wirges der ideellen Unterstützung dieses Projektes sicher nicht verschließen.“
Das sagt Bürgermeisterin Alexandra Marzi
Zum derzeitigen Zeitpunkt gibt es keine Beschlusslage zu einer finanziellen Beteiligung der Verbandsgemeinde Wirges an der Reaktivierung der Brexbachtalbahn und der damit verbundenen Wiederinbetriebnahme. Da es sich nicht um eine Pflichtaufgabe der Verbandsgemeinde beziehungsweise der Daseinsvorsorge handelt, gab es dafür bisher auch noch keine Notwendigkeit, erklärt Bürgermeisterin Alexandra Marzi auf Nachfrage unserer Zeitung.
Und weiter stellt sie klar: „Mit Blick auf die Aufgabenfülle der kommunalen Ebene und der seit Langem nicht ansatzweise auskömmlichen Finanzausstattung für unsere Pflichtaufgaben in Orts- und Verbandsgemeinden sehe ich für ,freiwillige’ Projekte wie das hier erwähnte leider keinen Spielraum, selbst wenn diese einer klimafreundlichen Mobilitätswende förderlich erscheinen. Sollten das Land Rheinland-Pfalz und der Bund dieses Projekt jedoch in finanzieller Eigenregie realisieren wollen, wird sich die Verbandsgemeinde Wirges der ideellen Unterstützung dieses Projektes sicher nicht verschließen.“