Schau mit landesweiten und regionalen Aspekten in Hachenburg eröffnet - Blick auf 1700 Jahre
Blick auf 1700 Jahre: Ausstellung in Hachenburg zeigt jüdisches Leben in seiner Vielfalt
Auf großen Bannern wird die Geschichte jüdischen Lebens in Rheinland-Pfalz im Allgemeinen und in Hachenburg im Speziellen vorgestellt.
Röder-Moldenhauer

Hachenburg. Der Umgang mit den jüdischen Mitbürgern in den Jahren zwischen 1933 und 1945 gehört zu den dunkelsten Kapiteln in Hachenburgs Geschichte. Doch jüdisches Leben in der Löwenstadt ist viel mehr als die Zeit der Schoah. Das zeigt eine Ausstellung, die im Vogtshof zu sehen ist.

Sie freuen sich über die Ausstellung und die neue Publikation über jüdisches Leben in Hachenburg: (von rechts) Dr. Kai-Michael Sprenger (Geschäftsführer Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz), MdB Tanja Machalet, Stadtarchivar Dr. Jens Friedhoff, Projektleiter Dr. Ulrich Hausmann (Institut für geschichtliche Landeskunde), Landtagspräsident Hendrik Hering sowie Stadtbürgermeister Stefan Leukel. Fotos: Röder-Moldenhauer
Röder-Moldenhauer

Die Anfänge gehen auf das Jahr 1349 zurück. Wie sich das Verhältnis zwischen der christlichen Mehrheitsgesellschaft und der jüdischen Minderheit von damals bis heute entwickelt hat, zeigt eine neue Ausstellung im Vogtshof, die von Stadtarchivar Dr. Jens Friedhoff konzipiert und am Wochenende mit einer zweitägigen Veranstaltung eröffnet wurde. Ergänzt wird die Schau durch eine neue Publikation in der Reihe der Schriften des Stadtarchivs mit dem Titel „Jüdisches Leben in Hachenburg: Geschichte – Orte – Personen“. Eingebettet ist diese regionale Betrachtung in die Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ des Instituts für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz, die das Fundament der Präsentation bildet.

Schau läuft bis 24. April

Die Wanderausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ des Instituts für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz in Verbindung mit den regionalen Betrachtungen zur Historie jüdischen Lebens im Raum Hachenburg von Stadtarchivar Dr. Jens Friedhoff ist noch bis Sonntag, 24. April, im Vogsthof zu sehen. Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr sowie samstags und sonntags von 10.30 bis 14.30 Uhr. Weitere Termine sind nach Absprache möglich.

Mit dem Dekret Kaiser Konstantins von 321 wurde es Juden erlaubt, auf dem Gebiet des Römischen Reichs in den Stadtrat berufen zu werden. Mit diesem Dekret, das als älteste erhaltene Urkunde zu diesem Thema gilt, wird erstmals die Existenz von Juden nördlich der Alpen belegt. In Erinnerung daran wurde 2021 ein Jubiläumsjahr mit verschiedenen Aktivitäten begangen. Fast zeitgleich wurden die Schum-Städte Speyer, Worms und Mainz als Weltkulturerbe der Unesco anerkannt.

Viel passiert in Sachen Aufarbeitung

Welche tiefen Spuren die jüdische Kultur in diesen 1700 Jahren in Rheinland-Pfalz hinterlassen hat, aber auch welche schmerzhaften, zerstörerischen und vernichtenden Erlebnisse es währenddessen gab, stellt die Ausstellung des Instituts für geschichtliche Landeskunde, die aktuell auch in Speyer und Wittlich gezeigt wird, eindrucksvoll auf großformatigen Roll-up-Bannern und mit Filmsequenzen dar. Hachenburg ist die erste Kommune im Westerwaldkreis, die zu dieser Ausstellung einlädt.

Dass diese landesweite Schau durch die Recherchen von Jens Friedhoff regionalisiert und somit ausgeweitet wird, entspricht laut Institutsgeschäftsführer Dr. Kai-Michael Sprenger exakt der Intention der Wanderausstellung, die auf ihrem Weg immer weiter wachsen soll. Veranstaltungen wie diese zeigten auf, dass der perfide Plan der Nazis, nämlich die Vernichtung aller Erinnerungen an jüdisches Leben, in letzter Konsequenz nicht aufgegangen sei. Als Beweis führte Sprenger zudem die Tatsache an, dass aktuell viele Juden vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland flüchteten. Dies zeige, dass seit 1945 doch viel in Sachen Aufarbeitung passiert sei.

Den Aufbau der Ausstellung erläuterte Projektleiter Dr. Ulrich Hausmann vom Institut für geschichtliche Landeskunde. Neben einer chronologischen Darstellung der Geschichte der Juden in Rheinland-Pfalz sind auch thematische Schwerpunkte zu Rabbinern, zum Bau von Synagogen sowie zur engen Beziehung zwischen Juden und Weinbau zu sehen. Wie verwurzelt jüdische Begriffe bis heute in vielen Dialekten sind, machte er anhand von Beispielen wie „Zores“ sowie „Bruch und Dalles“ deutlich.

Auf großen Bannern wird die Geschichte jüdischen Lebens in Rheinland-Pfalz im Allgemeinen und in Hachenburg im Speziellen vorgestellt.
Röder-Moldenhauer

Welche Widersprüche jüdische Mitbürger in Hachenburg in der Vergangenheit erlebt haben, betonte Stadtbürgermeister Stefan Leukel mit der Gegenüberstellung der Blütezeit Ende des 19. Jahrhunderts, als die Synagoge am Alexanderring eingeweiht wurde, und der völligen Vernichtung der jüdischen Gemeinde im Dritten Reich.

Dass sich noch viele andere Kommunen im Westerwaldkreis dazu entschließen, die Landesausstellung zu zeigen, hofft die heimische Bundestagsabgeordnete Tanja Machalet (SPD). Denn solche Themen gehörten nicht nur nach Berlin, sondern auch in die Fläche, in die ländlichen Regionen. Da die Zeitzeugen des Holocausts immer weniger werden und Antisemitismus immer unverhohlener geäußert werde, seien solche Veranstaltungen sehr wichtig, so die aus Meudt stammende Machalet, deren Heimatort ebenfalls eine lange jüdische Geschichte hat.

Ein Buch zur Ausstellung

Auf die Notwendigkeit von Veranstaltungen wie die Ausstellung wies der rheinland-pfälzische Landtagspräsident und frühere Hachenburger Stadtbürgermeister Hendrik Hering hin. Die gemeinsame jüdisch-christliche Historie habe einen großen kulturellen Reichtum hinterlassen. Zugleich erinnerte Hering aber daran, wie schwierig es noch im Jahr 1997 gewesen sei, die Umbenennung der Alten Poststraße im Hachenburger Stadtzentrum in ihre ursprüngliche Bezeichnung Judengasse im Stadtrat durchzusetzen.

Beeindruckt davon, wie gut die Ausstellung Geschichte veranschauliche, zeigte sich Helmut Kempf, Beigeordneter der Verbandsgemeinde Hachenburg. In Zeiten von Fake News sei das Aufzeigen von Fakten elementar wichtig. Ein Besuch der Präsentation im Vogtshof müsse für Schüler der Region ab einem gewissen Alter „eine Pflichtveranstaltung sein“, so Kempf. Die Verbandsgemeinde ist Mitfinanzierer des Buchs zur Ausstellung, das nicht nur die Stadt Hachenburg, sondern auch die Nachbargemeinden berücksichtigt.

Stadtarchivar Friedhoff empfiehlt Besuchern, sich für die Ausstellung Zeit zu nehmen, um die komplexen und schwierigen Inhalte verinnerlichen zu können. Die Materiallage für seine wissenschaftliche Arbeit sei nicht immer üppig gewesen. Dennoch ist es ihm mithilfe eindrucksvoller Archivalien gelungen, den Bogen von den Anfängen jüdischen Lebens in Hachenburg im Mittelalter, über die Phase der Grafschaft Sayn-Hachenburg im 17. und 18. Jahrhundert sowie die nassauische Zeit (1799-1866), die Epoche der wilhelminischen Zeit und der Weimarer Republik (1866-1933) bis zu den zwölf Jahren der Hachenburger Juden unter dem Hakenkreuz (1933-1945) zu schlagen.

Erschreckende, aber auch bemerkenswerte Episoden

Seine Publikation enthält viele erschreckende, aber auch bemerkenswerte Episoden, die sechs Jahrhunderte jüdischer Spuren in der Löwenstadt dokumentieren. Neben dem Buch „Zachor“ von Werner A. Güth, Johannes Kempf und Abraham Frank, Fotos und Texten der Hachenburger Geschichtswerkstatt sowie Veröffentlichungen von Dr. Uli Jungbluth dienten ihm vor allem zahlreiche erstmals entdeckte Unterlagen aus verschiedenen Archiven als Zugang zum Thema. Friedhoffs letztes Kapitel ist dem Gedenken und Mahnen gewidmet, wozu beispielsweise der noch erhaltene jüdische Friedhof, die ehemalige Synagoge, die 2012/13 verlegten 42 Stolpersteine sowie persönliche Begegnungen vielfältige Anreize bieten.

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