Limburg. Ist das Alter ein Glücksfall? Dieser Frage stellte sich der Schweizer Soziologe Professor Dr. Peter Gross im Rahmen der Kreuzwoche am Tag der Caritas in der Limburger Stadthalle. Vor mehr als 250 Besuchern sprach sich der langjährige Professor für Soziologie an der Universität St. Gallen für eine positive Sicht auf das Alter und das Älterwerden aus.
„Kein Tag vergeht ohne düstere Bilder, Alzheimerkranke und Demente. Mutlose, die traurig auf einer Friedhofsbank sitzen“, so Peter Gross. Diese Sichtweise verenge den Blick auf das Alter, so dass die glücklichen Aspekte aus dem Blick geraten. Dazu gehöre, dass es zu einer der großen Errungenschaften moderner Gesellschaft gehöre, dass in ihr so viele Menschen so gut alt werden könnten. „Dank besserer Lebensumstände, gesünderer Ernährung und einer staunenswerten medizinischen Versorgung sind in einem Jahrhundert drei Jahrzehnte gewonnen worden“, erklärte Gross. Nie hätten so viele Kinder ihre Großeltern und nicht selten ihre Urgroßeltern gekannt wie heute. Die demografische Entwicklung sieht Peter Gross als Konsequenz millionenfacher freier Entscheidungen. „Nie konnten Paare prinzipiell darüber entscheiden, ob und wie viele Kinder sie haben wollen“, so der Soziologe. Peter Gross sieht für die immer älter Werdenden in der Gesellschaft die Herausforderung, die gewonnenen Lebensjahre bewusst zu gestalten: Man müsse die Langsamkeit als Chance entdecken und Liebe neu sehen. Die freundschaftliche und karitative Liebe bereichere das Leben und lindere das Sterben.
Als eine Weltpremiere bezeichnete Gross die Tatsache, dass die steigende Lebenserwartung erstmals in der Geschichte das fürsorgliche Miteinander von sicher drei, häufig vier Generationen ermögliche. „Dies ist auch nötig. Denn das Armutsrisiko trifft heute mit Wucht die Jungen. Ihr Einstieg ins Erwerbsleben ist mit Steinen gepflastert. Hinter ihren, uns aus den Medien froh entgegenstrahlenden Gesichtern verbirgt sich Stress“, so Gross. Karriere, Partnerschaft, Kinder, dies sei alles schwer gleichzeitig zu managen. Als Unterstützung bräuchte die Gesellschaft daher keine „Jubelgreise“ oder „pradagefütterte Omis“, sondern „gebensfrohe“, was ihre Zeit und ihr Geld betreffe. Dann sei das Alter auch ein Glücksfall für die Jungen. Deren Wunsch es doch sei, auch alt, ja noch älter zu werden.
Der Tag der Caritas stand in diesem Jahr unter dem Leitwort „Experten fürs Leben – Eine provokante Sicht auf alte Menschen“ und wurde gemeinsam vom Caritasverband für die Diözese Limburg und dem Bistum Limburg organisiert. Dieses Leitwort greift die gleichnamige Jahreskampagne des deutschen Caritasverbandes auf. Damit will der Verband einen Kontrapunkt setzen und die Sensibilität für die Fähigkeiten alter Menschen wecken. Diese Sensibilität sei besonders wichtig, da in Deutschland bereits heute mehr Menschen, die über 65 Jahre und älter sind, als 15-Jährige und Jüngere.
Weitere Informationen zur Kreuzwoche im Bistum Limburg finden sich im Internet unter www.kreuzfest.bistumlimburg.de.