Das „Wesen Wolf“ besser verstehen: Dieses Ziel verfolgt die Naturschutzinitiative (NI) mit ihrem neuen Angebot – den Wolfssonntagen. Vorsitzender Harry Neumann betonte bei der ersten Veranstaltung dieser Art, dass es dem Umweltverband um „sachliche, faktenbasierte Informationen“ gehe – nach der Devise: weg von Mythen und Märchen hin zu einem besseren Verständnis für die streng geschützte Art.
An dem strahlend schönen, aber eisigen Februartag haben sich rund zwei Dutzend Teilnehmer zu der Exkursion eingefunden. „Wir wollen dahinkommen, dass die Menschen hier mit dem Wolf zusammenleben wie in vielen anderen europäischen Ländern“, hebt Neumann hervor. Als Fachleute begleiten Stefan Hetger, Großkarnivorenbeauftragter des Koordinationszentrums Luchs und Wolf (Kluwo) sowie Naturschutzmanager und Biotopbetreuer im Bereich der SGD Nord, Tierärztin Jutta Etscheidt, Gabriele Neumann als Projektleiterin Karnivoren der NI sowie weitere Wolfsexperten des Vereins die Tour durch das Landschaftsschutzgebiet, Flora-Fauna-Habitat und Naturschutzgebiet der Westerwälder Seenplatte.

Großkarnivorenbeauftragter Hetger, der die Exkursion leitet, scherzt, sein Ziel sei, während der drei Stunden fünf bis sechs Wölfe zu sehen. Tatsächlich wäre es bei dem gefrorenen Untergrund ein Glücksfall gewesen, wenn ein Pfotenabdruck auf dem Weg nicht von einem Hund stammen würde, sondern zeigte, dass sich ein Rudel in der Gegend bewegt. Nicht einmal ein Kothaufen, den das Tier laut Hetger gern mitten auf breiten Wegen platziert, weil es sie gern fürs bequeme Trotten nutzt, ist den gespannten Teilnehmern vergönnt. Dafür gibt es reichlich Informationen über „den“ Wolf. Ein paar Anschauungsobjekte hat der Fachmann auch mitgebracht. An einem Schädel zeigt Hetger das Gebiss des hundeartigen Raubtiers mit den beeindruckenden Fang- und Reißzähnen.
Der erste Wolfssonntag fand Mitte Februar und damit in der Ranzzeit statt: Zwischen Ende Januar und Anfang März ist die Paarungszeit der Wölfe, sie finden sich als Rudel zusammen. Im zweiten Jahr verlassen die Jungtiere das Rudel und suchen einen Geschlechtspartner sowie ein unbesetztes Revier. Diese Suche sei für die Tiere gefährlich, weil sie viele Verkehrsadern kreuzen müssen. Wann in Deutschland die erste Wolfsfamilie aufgetaucht sei, will ein Teilnehmer wissen. „Im Jahr 2000 in der Muskauer Heide in der Oberlausitz“, antwortet Hetger. Im Westerwald gebe es drei bekannte Rudel: das Leuscheider, das Hachenburger und dazwischen das Puderbacher. „Wir stehen im Territorium des Hachenburger Rudels“, weist er in die Runde, das zwischen 150 und 350 Quadratkilometer messe. Hauptbeute des Raubtiers sei Schalenwild.

Unter den Teilnehmern ist eine Hobby-Tierhalterin aus der Gegend von Höhr-Grenzhausen. Sie habe zwei Schafe vor dem Schlachter gerettet, die sie nah bei ihrem Wohnhaus halte. Vom Kluwo habe sie einen 1,20 Meter hohen Wolfsschutzzaun bekommen, den sie mit Flatterlitze noch erhöht habe. Sie ist überzeugt, dass es „dem Wolf am Zaun wehtun muss, damit er es lernt“, sich von Weidetieren fernzuhalten. Das bestätigt Hetger: „Wenn der Wolf erfährt: Das Schaf gibt’s nur mit Schmerzen, dann bleibt er beim Wild.“
Tierärztin Etscheidt nennt Herdenschutzhunde als gute Sicherung: Die Tiere verteidigen ihre Herde – dabei bieten sie auch dem Wolf Paroli, schildert sie. Hetger ergänzt, dass diese Schutzhunde förderfähig seien, bis zu 2000 Euro pro Hund und Jahr an Futterkosten könnten erstattet werden. Der Abschusserlaubnis für Individuen hält Etscheidt entgegen, dass Jäger den Wolf nicht identifizieren können. Für den Menschen sei die Gefahr kaum messbar, führen die Fachleute weitere Zahlen an: Insgesamt habe es in Europa in den vergangenen 100 Jahren drei bis fünf Angriffe gegeben. Stefan Hetgers Fazit: „Nutzt den Wald wie gewohnt, alles andere wäre völlig unbegründet.“
Der zweite Wolfssonntag der NI am 15. Juni ist ausgebucht. Info und Anmeldung zum dritten Wolfssonntag am 19. Oktober: www.naturschutz-initiative.de
2024 fünf Angriffe auf Weidetiere registriert
Gabriele Neumann nennt Zahlen: „2023 gab es weniger Wolfsangriffe auf Weidetiere als 2022, 2024 wurde wieder das Niveau von 2022 erreicht – es waren 29 Angriffe landesweit. Fünf waren es im Westerwaldkreis, allerdings wurden einmal sehr viele Tiere getötet.“ Dem gegenüber reduziere der Wolf die Schalenwildbestände und halte damit Wild und Wald vitaler. „Er ist ein Helfer des Jägers.“ Großkarnivorenbeauftragter Stefan Hetger geht indes nicht davon aus, dass der Wolf die Schalenwildbestände signifikant senken werde, „ausgenommen Muffelwild“.