Rund 80 Mitglieder und Gäste der Unternehmergemeinschaft Mittelrheinland verfolgten Münz’ Präsentation. Der machte keinen Hehl daraus, dass vor allem seine Abneigung gegen das Arbeiten im Homeoffice ihn veranlasst hatte, nach einem Faktor zu suchen, seine Firmengruppe für (potenzielle) Mitarbeiter attraktiv zu erhalten (wir berichteten). Er stieß auf Studien, die besagten, dass 82 Prozent der Generation Z und 10 Prozent aller Werktätigen sich eine Viertagewoche wünschen. Dieser Ansatz kam ihm gerade recht.
Volles Gehalt wird gezahlt
Unter verschiedenen Modellen – etwa die üblichen 40 Stunden auf vier statt fünf Arbeitstage zu verteilen oder bei verringerter Arbeitszeit auch das Gehalt zu kürzen – entschied Münz sich für eine Mischkalkulation: Statt wie zuvor montags bis freitags jeweils acht Stunden zu arbeiten, ist seine Belegschaft jetzt montags bis donnerstags jeweils 8,5 Stunden, also insgesamt 34 Stunden am Arbeitsplatz. Bei vollem Gehalt – eingespart hat das Unternehmen lediglich die ursprünglich für 2024 geplante Gehaltserhöhung. Für Teilzeitkräfte würden Stunden und Gehalt entsprechend umgerechnet, erläuterte Münz auf Nachfrage.
Wir hatten noch nie so viele Bewerbungen.
Unternehmer Bernhard Münz ist zufrieden mit der Entscheidung für die Viertagewoche.
Vorteil für die Mitarbeiter seien die langen Wochenenden. Das Unternehmen profitiere von einer Umsatzsteigerung, weniger Krankheitstagen und der gesparten Gehaltserhöhung, außerdem legten die Mitarbeiter beispielsweise Arzttermine auf den freien Freitag, machten weniger (bezahlte) Überstunden und seien zufriedener, zählte Münz auf. Außerdem zeige sich die steigende Attraktivität als Arbeitgeber darin, dass „wir noch nie so viele Bewerbungen hatten“, sagte er. Bei den Mitarbeiterreaktionen sei „zwischen Euphorie und Angst“ alles dabei gewesen, als er die Entscheidung für die Viertagewoche verkündet habe, rekapitulierte der Unternehmenschef. So habe eine Näherin gefragt, wie sie in der verkürzten Wochenarbeitszeit alles schaffen solle.
Zu viel ungenutzte Zeit
Wie der Geschäftsführer mit Seneca sagte: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Einen Zeitfresser hat Münz mit seiner Belegschaft aus der Arbeitswelt verbannt: das Smartphone. Im Betrieb herrsche ein Handyverbot, was die private Nutzung angeht, verdeutlichte Münz. Das bringe jedem Mitarbeiter jede Woche bis zu drei Stunden mehr Arbeitszeit, wie der Unternehmer vorrechnete. Eine weitere Neuerung ist die „stille Stunde“ von 14 bis 15 Uhr. In dieser Zeit würden nach Möglichkeit keine Anrufe und Gesprächstermine gelegt, um sich ohne Ablenkung konzentriert den Aufgaben widmen zu können.
Wenn einer sagt, wir haben alles optimiert, dann hat er gleich einen Workshop mit mir am Hals.
Bernhard Münz zählt auf fortlaufende Verbesserung von Arbeitsabläufen.
In Workshops habe er mit der Belegschaft erarbeitet, dass alle erfolgreichen Unternehmen etwas „anders, besser, schneller“ machten als andere, eine Formel, die Münz mit „abs“ abkürzt und zu einem internen Weiterbildungskonzept weiterentwickelt. So werde auch in seinem Unternehmen alles infrage gestellt und neu konzipiert, ein Prozess, in den er alle Mitarbeiter verpflichtend einbindet. „Wenn einer sagt, wir haben alles optimiert, dann hat er gleich einen Workshop mit mir am Hals“, sagte Münz.
Hunderte Verbesserungsvorschläge aus Belegschaft
Mehr als 400 Verbesserungsvorschläge hätten die Mitarbeiter seit August 2023 im „abs“-Prozess bereits gemacht. Daraus hätte sich unter anderem ein hausinterner Umzug fast aller Abteilungen ergeben, der Abläufe beschleunige und Wege verkürze. Außerdem trage eine größere Flexibilität in allen Abteilungen Früchte, indem Arbeitsspitzen in einem Bereich von Kollegen aus anderen Bereichen aufgefangen würden. Für sich selbst hat Münz ein neues System entwickelt, Aufgaben und Themen zu priorisieren. Indem er nach dem Eisenhower-Prinzip eine Matrix mit den Kriterien „Wichtig“, „nicht wichtig“, „dringend“ und „nicht dringend“ weiterentwickelt, vereinfacht er die Einordnung: „Es gibt drei Kategorien: Heute, Woche, Monat. Jeden Abend wird neu sortiert“, schilderte er.
„Heute“-Fach muss abends leer sein
Das Fach „Heute“ mit wichtigen und dringenden Dingen muss abends leer sein. Inhalte im Fach „Woche“ mit wichtigen, weniger dringenden Belangen werden täglich vor Feierabend neu aufgeteilt. Und was im Fach „Monat“ an weniger wichtigen Themen landet, wird am Monatsende neu sortiert. „Münz-Aufgaben-Prinzip“ hat der Unternehmer dieses Vorgehen genannt. Neben seinen eigenen Erkenntnissen gab Münz den Zuhörern verschiedene Lesetipps und stellte sich der Diskussion.
75 Prozent weniger Überstunden
Neben der scherzhaften Frage, ob er sich das Aufgabenprinzip schon habe patentieren lassen, zielte das Interesse vielfach auf konkrete Zahlen ab. Damit konnte Münz allerdings nicht immer dienen. Die Krankheitsquote sei besser, die konkrete Auswertung liege noch nicht vor, antwortete er etwa, bei der Mitarbeiterzufriedenheit fehlten die Vergleichszahlen aus früheren Jahren. Bei den Überstunden liege die Reduktion bei 75 Prozent, bezifferte Münz. Deutlich war seine Antwort auf die Frage, ob es sich bei der Viertagewoche um ein Versuchsprojekt handle: „Das kann ich nicht mehr zurückdrehen“, stellte der Unternehmer klar.
Sollten wider Erwarten die Unternehmensziele nicht erreicht werden, müsse man sich nochmals zusammensetzen, doch Münz ließ keinen Zweifel: „Wenn wir uns mehr unterhalten, mehr optimieren, dann kriegen wir das hin.“