Zum Gelingen der Veranstaltung trugen ganz wesentlich auch zwei Lehrer der Kreismusikschule bei: Liudmila Karmanova (Klavier) und Christian Gansemer (Klarinette), die zunächst mit „Clarinet on the town“ ein 1930er-Jahre-Jazzstück interpretierten, dann argentinischen Tango.
Publikum wird immer wieder mit einbezogen
„Topp, die Wette gilt!“ Mit diesen Worten und nichts Geringerem als der berühmten Wette zwischen Faust und Mephisto beginnt Samuel Koch seine Ausführungen. Als Schauspieler ist er im gekonnten Deklamieren der Worte geübt, das wird auch in den folgenden Minuten seines Vortrags deutlich. Besonders freue er sich auf den anschließenden Dialog mit den Zuhörern, bekennt der 45-Jährige, der das Veranstaltungsformat der Westerwälder Gespräche spannend findet. Immer wieder bezieht er das Publikum mit ein, wendet sich an es, will wissen, wer schon einmal von dieser berühmten Wette aus „Faust I“ gehört hat. Da heben sich weniger Hände als bei seiner Frage, wer etwas mit dem Begriff Resilienz anfangen könne.
Koch ist damit mitten in seinem Vortragsthema. Offen schildert er, wie sein eigener Lebensweg ihn dazu geführt hat, sich viele Fragen zu stellen, Selbstverständliches zu überdenken. Ein Film, der zu Beginn der Veranstaltung eingespielt wird, zeigt einige Sequenzen seines „alten“, athletischen Lebens als erfolgreicher Kunstturner. Es bricht jäh ab mit dem Moment, da er schwer verletzt nach seinem Sturz im Dezember 2010 am Boden liegt.
Er habe viel über Resilienz, also die psychische Widerstandskraft bzw. -fähigkeit, gelesen, erzählt Koch. Dort sei oft von Säulen die Rede, welche diese Widerstandskraft ausmachen. Doch er definiert Resilienz anders – als nichts Statisches, sondern als aktiven, dynamischen Prozess. Resilienz sei etwas, das man erlernen könne. Und der Bedarf sei sehr hoch.
„Sorry, das wird kein ,Aufstehen, Krone richten‘-Vortrag“, meint Koch, als er von den zunehmenden Selbstmordraten in Deutschland spricht. Düstere Stunden, in denen man in nichts einen Sinn mehr sieht, die habe auch er durchlebt, bekennt Koch. Früher, da habe er sich über die Leistungsfähigkeit, das athletische Aussehen definiert. Als Querschnittsgelähmter, der 20 Kilogramm Muskelmasse verlor, habe er überlegt, womit er wertvoll, nützlich sein könne. Woraus kann ein Mensch sein Selbstwertgefühl schöpfen? Üblicherweise sei das mit dem Leistungsgedanken verbunden. Ich leiste etwas, bin nützlich, bin etwas wert.
Werte aus der Kindheit im bleiben auch Erwachsenenalter wichtig
Heute, so fährt Koch fort, wisse er, wie wichtig Werte sind, die man schon in der Kindheit ansammele. Koch erzählt von seinem Vater, der ihm immer wieder sagte: Du bist „eins plus“. Nicht, weil er etwas leistete, sondern weil es ihn gibt. Man sage ja auch „human being“ (das menschliche Wesen, der Mensch) und nicht „human doing“ (menschliches Tun, Handeln), bringt es Koch auf den Punkt: „Ich bin wertvoll, weil ich bin.“ Sich seines eigenen Wertes bewusst werden, bevor man handele, diese Haltung wende er konsequent auch auf andere an.
Dominik Deinert folgt auf Dominic Bastian¶
Die Westerwälder Gespräche haben eine lange Geschichte in ihrer Heimatregion. Bereits 1985 von Heinz Fischer am Westerburger Gymnasium begründet, waren im Rahmen der Veranstaltungsreihe in den vergangenen Jahren zahlreiche hochkarätige Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik, Medien und Wissenschaft zu Gast im Westerwald. Seit Ende 2015 wurden die Gespräche nun von Jenny Groß (Girod) und Dominic Bastian (Westernohe) organisiert. Aus beruflichen Gründen gab Dominic Bastian diese Aufgabe nun ab. Ihm dankte Jenny Groß und begrüßte zugleich Dominik Deinert als „Neuen“ im Team. Der Oberstudienrat aus Höhr-Grenzhausen arbeitet am Raiffeisen-Campus in Dernbach. bau
Nun folgt ein Experiment, welches am Ende des Gesprächsteils noch einmal wiederholt wird: Samuel Koch liest aus einem seiner Bücher vor, währenddessen beginnen die Musiker zu spielen. Worte und Töne verschmelzen, spielen miteinander, widersprechen und begleiten sich. Am Ende stehen die Sätze: „Wunder passieren nicht auf Knopfdruck. Aber Hoffen ist erlaubt“, schließt Koch.
Dann ist Zeit zum Fragen: Die Zuhörer wollen beispielsweise von Samuel Koch wissen, welche Rolle die Musik in seinem Leben spielt (eine große), wer ihn bei seinem medizinischen „Gang“ unterstützt habe (vor allem Angehörige und Freunde), wie und ob ihm der Sport und seine Erziehung geholfen haben, die Situation zu bewältigen? Wenn man den Satz „Stell Dich nicht so an!“ zu sich selbst sage, dann sei das sehr hilfreich, ist eine Antwort darauf. Auf die Frage, welche Rolle der Glaube, das Beten für ihn habe, greift Samuel Koch erneut zu einem seiner Bücher und liest daraus eine Passage, die von seinem Glaubenswandel erzählt. Im Anschluss können die Zuhörer weiteren Lesestoff am Büchertisch der Buchhandlung Logo erwerben.