Kontroverse in Montabaur
Bedroht oder bereichert Jugendherberge den Tourismus?
So stellen sich die Planer und das Jugendherbergswerk in einem ersten Entwurf die City-Jugendherberge am Konrad-Adenauer-Platz vor. Das Projekt wird in Montabaur und darüber hinaus kontrovers diskutiert.
Visualisierung: Fries Architekten

Pläne für modernes Hostel in Montabaur: Der Trägerverein des Familienferiendorfs Hübingen sieht darin Risiken für die gesamte Region. Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich erwartet ganz im Gegenteil eine Aufwertung.

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Der Vorstand und die Geschäftsführung des Familienferiendorfs Hübingenkritisieren die Planungen zur Errichtung der größten Jugendherberge inRheinland-Pfalz im Stadtzentrum von Montabaur. In einem Argumentationspapier, das Vereinsvorsitzender Hanno Heil auch unserer Zeitung geschickt hat, haben sie auf „erhebliche bauliche, pädagogische undwirtschaftliche Fehlentwicklungen“ hingewiesen – „mit gravierenden Folgen für bestehendeEinrichtungen in der Verbandsgemeinde“, wie Heil formuliert. Dabei denke er, wie Heil im Gespräch mit unserer Zeitung bekräftigte, insbesondere an ihre eigene Einrichtung sowie an das katholische Karlsheim in Kirchähr.

Ulrich Richter-Hopprich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Montabaur, hatte Vertreter des Familienferiendorfs zu einem Gespräch eingeladen, um sich ihre Bedenken anzuhören. Neben der Montabaurer Stadtbürgermeisterin Melanie Leicher sowie Chef-Touristikerin Karin Maas habe unter anderem auch die Hausleiterin des Karlsheims, Kathrin Tschernich, an dem Treffen teilgenommen. „Sie sieht in dem Projekt City-Jugendherberge keine Konkurrenz zu ihrer Einrichtung“, zitiert Richter-Hopprich gegenüber unserer Zeitung. Auch aus dem Gäste- und Tagungshaus „Berg Moriah“ der Schönstatt-Bewegung in Simmern seien keine solchen Bedenken laut geworden. „Konzeptionell wird der touristische Kuchen der Region größer“, zeigt sich der Bürgermeister überzeugt: Davon könne die Bekanntheit aller unterschiedlichen Einrichtungen profitieren.

„Konzeptionell wird der touristische Kuchen der Region größer.“
VG-Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich sieht in der geplanten City-Jugendherberge eine Stärkung aller unterschiedlichen Angebote durch mehr Bekanntheit.

Die geplante Jugendherberge sei mit 390 Betten nicht nur überdimensioniert,sondern auch konzeptionell mangelhaft, kritisieren die Hübinger. Sie verfüge über keine eigenenAußenflächen, keine kreativen Räume und ein pädagogisches Konzept sei kaumerkennbar. „Wie soll die Energie junger Menschen in einem urbanen Umfeld ohneFreiflächen, ohne Platz zum Toben und ohne gezielte Angebote gelenkt werden?“,fragt Hanno Heil.

Gerade weil die City-Jugendherberge als städtisches Hostel ein Angebot darstelle, das es bisher nicht gebe, kann Richter-Hopprich „nicht immer nachvollziehen, wieso die Vertreter des Familienferiendorfs auf einer Konkurrenz beharren“. Der Bürgermeister sieht in dem breiten Portfolio von Beherbergungsbetrieben in der Verbandsgemeinde zwar „teils Überschneidungen“. Gerade das Familienferiendorf indes habe das „starke Alleinstellungsmerkmal der öffentlichen Bedarfsunterbringung“.

Wird das Montabaurer Rathaus zu einer modernen City-Jugendherberge umgebaut? Die städtischen Gremien haben bereits zugestimmt.
Katrin Maue-Klaeser

Die Betreiber des Familienferiendorfs rechnen bei Umsetzung des Projektsmit einem Verlust von bis zu 8000 Übernachtungen jährlich – „ein Rückgang, derden wirtschaftlichen Fortbestand der Einrichtung gefährdet“, befürchten sie. Andereregionale Betriebe wie der Wildpark Gackenbachkönnten ebenso durch Gästeschwund betroffen sein, meinen die Hübinger. Ganz im Gegensatz dazu hoffen Mitglieder der politischen Gremien, dass Einrichtungen wie der Tierpark oder auch das Mons-Tabor-Bad von Gästen der Jugendherberge massiv profitieren könnten.

„Die Folge wären Arbeitsplatzverlusteund eine Schwächung des touristischen Angebots der gesamten Region“, formulieren die Vertreter des Familienferiendorfs.Zudem kritisiert der Verein die Intransparenz im Entscheidungsprozess. WichtigeAkteure (wie sie) seien weder frühzeitig informiert noch in die Planung eingebundenworden. Auch der geplante Zeitdruck – der Beschluss über den Bau derJugendherberge soll bis Ende Juni erfolgen – sei angesichts der Tragweite desProjekts nicht nachvollziehbar.

„Wir fordern eine breite öffentliche Diskussion, statt eines überhasteten Beschlusses ohne Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger.“
Hanno Heil, Vorsitzender des Trägervereins des Familienferiendorfs Hübingen

Die Verfasser fordern stattdessen eineausgewogene Tourismusentwicklung mit Fokus auf bestehende, naturnaheEinrichtungen. Sie schlagen zudem alternative Nutzungen für das Gebäude imZentrum vor – etwa barrierefreies Wohnen oder soziale Begegnungsräume.„Wir fordern eine breite öffentliche Diskussion, statt eines überhastetenBeschlusses ohne Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger“, so Heil.

Dem hält der Montabaurer Verwaltungschef entgegen, dass es ein Informations- und Gesprächsangebot an die Bürger, die sich mit Fragen und Kritik zu Wort gemeldet hatten, gegeben hat – dem mit Ausnahme einiger Befürworter des Projekts niemand gefolgt war. Dort hätte neben Kritik am Projekt auch die Forderung nach einer öffentlichen Informationsveranstaltung platziert werden können.

Alle verfügbaren Informationen stehen offen

Richter-Hopprich antwortet auf Anfrage unserer Zeitung: „Wir planen derzeit keine öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Umwandlung des Rathauses in eine City-Jugendherberge. Wir haben am 30. April alle derzeit verfügbaren Informationen in unserem Rats- und Bürgerinformationssystem öffentlich zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es vielfältige Wege, mit der Verwaltung, der Stadtbürgermeisterin und mir in Kontakt zu treten und dort Kritik zu äußern. Die kann jede Bürgerin und jeder Bürger nutzen, um ein Anliegen, Fragen oder Kritik vorzutragen. Das betrifft das Thema ‚Rathaus – Jugendherberge‘ ebenso wie jedes andere Thema auch.“

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