Der Nister gehen die Fische aus: Auf dieses ökologische Problem und seine Folgen machten Mitglieder der Arge Nister und Wissenschaftler der Universitäten Koblenz und Kassel den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer am Montag bei dessen Ehrenamtsreise durch den Westerwald aufmerksam. Die erste Station der Reise war Stein-Wingert und die dortige Muschelaufzuchtstation.
Manfred Fetthauer, Vorsitzender der Arge Nister, stieg schnell in sein Herzensthema ein: Als die Organisation Mitte der 1990er-Jahre gegründet wurde, sei der Fluss, trotz Wasserverschmutzungen, ein artenreiches Gewässer gewesen. Doch das habe sich schlagartig geändert, als die Europäische Vogelschutzrichtlinie und weitere Verordnungen in Kraft getreten seien, die Arten wie den fischfressenden Kormoran als besonders schutzwürdig auswiesen. In kürzester Zeit habe sich der Fischbestand deutlich verringert.

Die Arge Nister sei ein kleiner Verein, der dank finanzieller Unterstützung schon viel erreicht habe. Aber wenn sich an dem Räuber-Beute-Verhältnis nichts Gravierendes ändere, blieben sämtliche Bemühungen und zwischenzeitlichen Erfolge für die langfristige Qualität des Flusses wirkungslos. „Wir brauchen die Hilfe aus der Politik“, appellierte Fetthauer an den Ministerpräsidenten, sich für eine stärkere Vergrämung beziehungsweise Bejagung des Kormorans einzusetzen.
Dass die fehlenden Fische unter anderem Auswirkungen auf die Bestandssicherung der Bachperlmuschel haben, machte Meike Koester deutlich. Die Wissenschaftlerin ist nicht nur ehrenamtliche Schriftführerin der Arge Nister, sondern auch hauptamtlich für die Universität Koblenz Leiterin des Projekts „Bachmuschelschutz und -zucht Rheinland-Pfalz“ sowie für die Universität Kassel wissenschaftliche Koordinatorin desselben Projekts. Die Muscheln, so erläuterte die Expertin, seien wichtig für die Filtration des Wassers, sie lockerten das Kiesbett auf und sorgen so für mehr Sauerstoffaustausch.

Ministerpräsident unterstützt Ehrenamt(ler)
Bei seiner Reise durch den Westerwald hat Alexander Schweitzer viele Menschen gehört und gelobt, die ihr Engagement in den Dienst der Gesellschaft stellen.
„Naturschutz geht unter Wasser weiter.“
Biologin Carola Winkelmann, Referatsleiterin bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde
Um die Überlebenschancen der gezüchteten Muschellarven im natürlichen Gewässer zu erhöhen, müssten sie an fischreichen Stellen eingebracht werden, da sich die Larven an die Fische setzten. Doch geeignete Stellen seien in der Nister mittlerweile schwer zu finden, sagte Koester. Zudem machte sie auf die großen Anstrengungen zur Nachzucht aufmerksam: So fehle in der Station beispielsweise eine Raumklimatisierung. Um das Wasser in den Becken des Muschelnachwuchses kühl zu halten, müsste dieses ständig gewechselt werden.
„Wir haben ein ernsthaftes Problem“, empfing Carola Winkelmann die Delegation um Alexander Schweitzer vor einigen Wannen mit Jungfischen. Die Biologin, die inzwischen Referatsleiterin bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde ist und die Nister durch verschiedene wissenschaftliche Tätigkeiten seit Jahren kennt, stellte das Problem des Fischrückgangs durch den großen Fressdruck des Kormorans ebenfalls heraus. Zusammen mit Fetthauer ermunterte sie den Ministerpräsidenten, selbst ein Exemplar der Nasen in die Hand zu nehmen, um sich vom außergewöhnlichen Gebiss des Fisches überzeugen zu können, mit dem er in der Lage ist, Algen von Steinen zu grasen und somit den Fluss zu „putzen“.

So lange der Vogelschutz den Fischschutz so einschränke, werde die Bedeutung der Biodiversität unter Wasser unterschätzt, betonte Winkelmann. Sie verwies auf das europäische Forschungsprojekt „Protect Fish“, das auch die Nister umfasst. Dabei werde unter anderem nach gangbaren Wegen für eine sichere Existenz von Vogel und Fisch gesucht.
Alexander Schweitzer nahm alle Informationen interessiert auf und betonte, dass es ein Unterschied sei, ob man sich am Schreibtisch in ein Thema einlese oder etwas hautnah erlebe. Diese Eindrücke vermittelten ganz andere Einblicke. Er kündigte an, den Appell der Arge Nister für weitere Diskussionen mit in die Landeshauptstadt nehmen zu wollen. Den ehrenamtlich Engagierten des Vereins sowie den hauptamtlichen Wissenschaftlern dankte er für ihren Einsatz.