Abschiebung Muhammad A. suchte sich Arbeit und war integriert
Angst vor Folter in der Heimat: Pakistani soll abgeschoben werden

Muhammad A. aus Pakistan soll abgeschoben werden. Aber der 39-Jährige will nicht zurück. Sein Vater und sein Bruder sind in dem Land ermordet worden, und er selbst war schlimmer Folter ausgesetzt, erzählt er.

dpa

Westerwaldkreis. Zu Fuß ist er im Winter täglich von Horbach nach Montabaur gelaufen, um sich eine Arbeit zu suchen. Hartnäckig fragte er immer und immer wieder nach, so lange, bis er den Job als Küchenhilfe bekam: Muhammad A. aus Pakistan. Nun soll der 39-Jährige abgeschoben werden.

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Aber er will nicht zurück. Große Angst hat er vor dem, was ihn in seiner Heimat erwartet. Sein Vater und sein Bruder sind ermordet worden, und er selbst war dort schlimmer Folter ausgesetzt, erzählt er. Auch wisse er nicht, wo sich der Rest seiner Familie und seine fünf Kinder derzeit aufhalten. Der Kontakt sei abgebrochen. Sein ehemaliger Arbeitgeber, Thomas Ibron, hat sich vor knapp zwei Jahren seiner angenommen. Gemeinsam erzählen sie der WZ ihre Geschichte, die eine von vielen in dieser Zeit ist, in der Menschen aus anderen Ländern trotz gelungener Integration abgeschoben werden.

„Ganz ehrlich, ich war auch erst skeptisch“, erzählt Thomas Ibron von seinen ersten Begegnungen mit Muhammad A., „aber wenn jemand täglich einen solchen Weg auf sich nimmt und so beharrlich nach einem Job fragt, sollte er auch eine Chance bekommen.“ Seine Vorbehalte stellten sich schnell als unbegründet heraus. Schon nach dem ersten Arbeitstag sei das Team ganz vernarrt in den neuen Kollegen gewesen. „Muhammad ist ein cooler Typ und er hat mir die Augen geöffnet, dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf und dass es keinen Grund gibt, jemanden aufgrund seiner Religion nicht einzustellen.“ So arbeitete der Mann aus Pakistan sich im Westerwald ein und wurde zu einem wichtigen Rädchen im Arbeitsablauf. „Ich verstehe nicht, warum Menschen, die sich wirklich integrieren, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen und damit auch ihren Beitrag zum Sozialsystem leisten, nicht bleiben dürfen“, empört sich Thomas Ibron. Für seinen Betrieb bedeutet es einen großen Verlust, dass der eingearbeitete Mitarbeiter einfach so herausgerissen wird. Denn mit dem Ausreisebescheid wurde Muhammad A. auch die Arbeitserlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen. Seitdem ist er zum Nichtstun verdammt und den Depressionen nahe. Dabei würde er doch viel lieber arbeiten und bleiben.

Vonseiten der Ausländerbehörde des Westerwaldkreises heißt es auf Anfrage, dass der Ermessenspielraum der Behörde in dem Moment auf null reduziert ist, wenn das BAMF seine Entscheidung gefällt hat. Dort wiederum beruft man sich auf ein abschlägiges Urteil des Verwaltungsgerichtes Trier. Jedes Asylverfahren stelle einen Einzelfall dar, der individuell geprüft wird. Jedoch werde beim BAMF ausschließlich geprüft, ob und welche Gefahr bei der Rückkehr in sein Herkunftsland droht, heißt es auf Anfrage. Lediglich eine Härtefallkommission dürfe auch anhand von Integrationsleistungen beurteilen und entscheiden.

Muhammad A. betrieb zusammen mit seiner Familie einen kleinen Tante-Emma-Laden in Pakistan, in dem es alles zu kaufen gab, was zum Leben nötig war. Plötzlich geschah vor der Ladentür ein Mord. Rivalisierende Banden waren aufeinander losgegangen. Vater und Bruder wurden Zeugen des Geschehens. Sie sollten aussagen, aber für den Täterkreis, zu dem nach Aussagen des Flüchtlings auch Staatsvertreter gehörten. Die beiden Zeugen seien massiv unter Druck gesetzt worden, weigerten sich aber trotz allem, einen Meineid zu leisten. Dafür bezahlten sie mit ihrem Leben. Jetzt geriet Muhammad A. ins Blickfeld und sollte für die Täter aussagen. Er war jedoch nicht bei dem Überfall dabei und wusste demzufolge nichts. Die Täter sollen ihn gekidnappt und übel gefoltert, mit Messern und Zigaretten den Rücken malträtiert und die Fußnägel ausgerissen haben, um eine Aussage zu erzwingen. Schließlich ließen sie ihn wohl aber wieder frei, und er floh. Nahm Tausende Kilometer über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn, Österreich auf sich, und kam mit der großen Flüchtlingswelle 2015 in München an. Denn Muhammad A. hofft, dass man seine Familie schont, solange er nicht auffindbar ist. Zunächst hatte er noch ein bis zwei Mal im Monat Kontakt mit seinem Bruder, doch der sei mittlerweile abgebrochen.

Währenddessen laufen die Diskussionen zwischen Muhammad A., Thomas Ibron und den zuständigen Behörden auf Hochtouren. Ibron ließ bisher nichts unversucht, den Pakistani vor der Ausreise zu bewahren. Drei Gerichtsverfahren in Trier, Cochem und Koblenz hat er mit ihm durchfochten. Mit Politikern, der Caritas, der Kirche und der Ausländerbehörde Kontakt aufgenommen. Aber das Einzige, was er bisher erreichen konnte, war eine verlängerte Ausreisefrist, die den beiden Männern Luft verschafft, um doch eine rechtlich haltbare Lösung für das Problem zu finden.

Thomas Ibron ist mittlerweile so weit, dass er sogar mit seinem Schützling nach Islamabad ausreisen würde, um dort mit ihm gemeinsam ein reguläres Visum zu beantragen. Die Chancen stünden gut, erzählt Ibron. Dazu stehe er mit den Botschaften in Frankfurt und Pakistan in Verbindung. Doch diese Reise könnte nicht nur für Muhammad A. gefährlich werden, sondern auch für Thomas Ibron selbst. Denn als Christ in gerade dieses muslimische Land einzureisen, sei ein Risiko. Über sein Engagement für den Pakistani hinaus ist sich Thomas Ibron auch der Verantwortung gegenüber seiner Familie und seinen anderen Angestellten bewusst, deshalb sucht er derzeit noch andere Möglichkeiten.

Von unserer Redakteurin
Susanne Willke

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