Gewerkschaft und Betriebsrat kritisieren Arbeitsverhältnisse - Das sagt die Unternehmensleitung zu IG-Metall-Forderungen
Ärger bei Schütz in Selters: Was hat es damit auf sich?
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Etwa 3000 Mitarbeiter sind bei der Firma Schütz in Deutschland angestellt. Allein 2300 sind am Hauptsitz in Selters beschäftigt. Fotos: Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Mit deutlichen Worten ist die Gewerkschaft IG Metall die Firmenleitung von Schütz (Sitz: Selters) angegangen. Später wird – auch vom Betriebsrat – etwas zurückgerudert. Vertreter des Unternehmens widersprechen den Vorwürfen. Die Aufregung ist perfekt.

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Ausgangspunkt: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte für Mittwoch, 18. September, zu einer bundesweiten Aktion aufgerufen. Das Thema lautete „Tarifwende: Tarifverträge sorgen für mehr Lohn, Freizeit und Sicherheit“. Daran beteiligten sich auch Vertreter der IG Metall sowie des Schütz-Betriebsrats, die vor dem Selterser Werkstor Mitarbeiter informierten.

Unsere Zeitung spricht im Zuge dieses Protestes persönlich mit Markus Friedel, politischer Sekretär der IG-Metall-Geschäftsstelle Koblenz, sowie mit Ali Yener, dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Koblenz. Die Interessensvertreter finden sehr deutliche Worte. Die Aussage „Menschen vernichtende Arbeitsbedingungen“, wie Markus Friedel in einem Artikel unserer Zeitung zitiert wird, soll dabei zwar nie gefallen sein, das beteuert die Gewerkschaft, stattdessen aber das Attribut „menschenverachtend“. Die Angriffe auf die Firma Schütz werden dadurch nicht weniger vehement. Auch von einem „Klima der Angst“ ist im Gespräch mit unserer Zeitung die Rede. Inhaltliche Aspekte rücken zwischenzeitlich in den Hintergrund.

Reaktionen: Die Geschäftsführung von Schütz spricht in einer internen Mitteilung mit Datum Montag, 23. September, also fünf Tage nach der Aktion, von einer Kampagne, die die Gewerkschaft IG Metall mit Teilen des Betriebsrates führe, mit dem Ziel, „Schütz zu einem Tarifunternehmen“ zu machen. „Dabei werden Behauptungen aufgestellt, die unseres Erachtens haltlos und teilweise rufschädigend sind“, heißt es. Von entstandenem Schaden, „den viele von Ihnen im privaten Kreis mitbekommen haben“, ist die Rede. Die öffentlich gemachte Polemik sei völlig unangemessen. Zum Abschluss dann der aussagekräftige Satz: „Wir für unseren Teil haben nicht vor, den Weg so mancher Tarifunternehmen in unserer Region zu gehen. Wir wollen weiterhin führend sein bei Technik und Ausbildung und wollen unsere Arbeitsplätze erhalten.“

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Philipp Gärtner (links), Mitglied der Schütz-Geschäftsführung und zuständig für die Produktion, sowie Andreas Assenmacher, Leiter Personal Deutschland, äußern sich zu den Forderungen der Industriegewerkschaft Metall. Die beiden stehen vor einem IBC-Container, einem großen Tankcontainer, der zur Lagerung und zum Transport von Flüssigkeiten verwendet wird. Dieses Produkt ist ein Steckenpferd der Firma Schütz und wird nach Unternehmensangaben millionenfach angefertigt.
Markus Eschenauer

Die Antwort des Betriebsrats, der seit den Wahlen 2022 mehrheitlich aus IG-Metall-Mitgliedern besteht, auf das Schreiben der Geschäftsführung folgt noch am selben Tag. Die Kritik richtet sich in erster Linie gegen die Zeitung. „Wir als Betriebsrat und auch die IG Metall finden die Berichterstattung der Rhein-Zeitung unangemessen und nicht den Tatsachen entsprechend.“ Dass sowohl Markus Friedel als auch Ali Yener persönlich mit einem Redakteur der Rhein-Zeitung gesprochen und sich deutlich geäußert haben, wird in der Betriebsratsinformation nicht erwähnt. Stattdessen folgt dann eine Auflistung der Verbesserungen, die bereits erreicht worden seien. Zu der von der Geschäftsführung genannten „Kampagne“ wird ein „böswillig“ ergänzt.

Die Fronten sind zu diesem Zeitpunkt verhärtet, die Aufregung ist groß, der öffentliche Aufschrei findet auch Ausdruck durch Schreiben, die die Redaktion erreichen. Langjährige Mitarbeiter, die mit Augenzwinkern erklären, dass sie bislang durchgehalten haben und dies auch gern weiter tun wollen, melden sich zu Wort. Die Aussagen der Gewerkschaft werden als „unwahr“ abgetan.

Unsere Zeitung ist im Nachgang des Aufruhrs zu Besuch bei Schütz, um sich ein Bild der Lage im Selterser Werk zu machen. Sven Becker ist als Teamleiter für Aus- und Weiterbildung verantwortlich. Vor 20 Jahren hat er in dem Unternehmen angefangen – als Werkzeugmechaniker. Viele Stationen prägten sein Schaffen in Selters. Jetzt fallen unter anderem mehr als 150 Auszubildende in seine Zuständigkeit. Schütz genieße einen sehr guten Ruf in Sachen Ausbildung. Der Radius der Bewerber habe sich vergrößert. Geeigneten Nachwuchs zu finden, sei aber weiterhin kein Problem. Jedes Jahr werden mehr als 50 Auszubildende eingestellt – und später mit großer Wahrscheinlichkeit übernommen.

„Das ist unser Potenzial“, betont Andreas Assenmacher in diesem Zusammenhang. Der 34-Jährige ist als Leiter Personal Deutschland verantwortlich für rund 3000 Schütz-Mitarbeiter. Allein 2300 sind in Selters tätig.

Szenenwechsel: Geführt von Philipp Gärtner macht unsere Zeitung einen Rundgang durch das Unternehmen. Der 35-Jährige ist Mitglied der Geschäftsführung und zuständig für den Bereich Produktion. Gärtner zeigt moderne, ergonomische Tätigkeitsplätze und Techniken sowie Mitarbeiter, die „in Ruhe ihre Arbeit machen“. Gärtner selbst hat ebenfalls bereits mehrere Stationen im Unternehmen hinter sich, kennt zahlreiche Kollegen an den Maschinen noch, grüßt freundlich. „,Menschenverachtend‘ sind wir nicht“, betont er. Schütz sei für die ganze Region eine massive Säule – und der Standort Selters sei sicher. „Wir machen viel für die Leute“, ergänzt Andreas Assenmacher. Es werde investiert, fügt er hinzu.

Gewerkschaft will Verbesserung

Für Gewerkschaft und Betriebsrat ist das offenbar zu wenig. In dem Aushang heißt es jedenfalls: „Weder führen Teile des Betriebsrates noch die IG Metall eine Kampagne gegen Schütz, im Gegenteil – wir setzen uns für die Verbesserung eurer Arbeitsbedingungen und eures Einkommens ein!“ Gegen Gewerkschaft und Betriebsrat haben Gärtner und Assenmacher keinesfalls etwas, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung betonen. Im Gegenteil: Beide versichern deren Bedeutung. „Wir wollen nicht auf der IG Metall herumhacken“, sagt Assenmacher. Gleichwohl setzen sich beide kritisch mit den Forderungen der Gewerkschaft auseinander. Beim Schichtsystem beispielsweise gebe es vonseiten der Mitarbeiter unterschiedliche Präferenzen, und zum Thema 35-Stunden-Woche erklärt Philipp Gärtner ganz klar: „Wir müssen sehen, dass wir wirtschaftlich erfolgreich bleiben.“

Blick nach vorn: Auf die Frage, wie es nun zwischen Schütz und IG Metall weitergeht, sagt Gärtner, „dass es keine direkten Verhandlungen mit der Gewerkschaft gibt. Betriebliche Regelungen werden zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat vereinbart.“

IG-Metall-Bevollmächtigter Ali Yener antwortete ebenfalls auf unser Schreiben: Unregelmäßige Gespräche zwischen den Verantwortlichen der IG Metall Koblenz und der Firma Schütz gebe es immer, so auch in der aktuellen Situation. Während (Tarif-)Verhandlungen hingegen, so Yener, aktuell nicht stattfinden, gebe es aber Verhandlungen auf Ebene der Betriebsverfassung mit dem Betriebsrat. „Wir unterstützen den Betriebsrat mit unserem Sachverstand und unseren Netzwerken dabei, damit ein Einklang zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und menschlicher Vernunft gefunden werden kann.“

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