Auf dem Gelände von Puravita in Selters sorgen psychiatrisch erkrankte Menschen und Mitarbeiter vier Tage für Adventsstimmung
Adventsstimmung in Selters: Vorfreude auf das Weihnachtsdorf ist groß
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Eine Aufnahme vom Weihnachtsdorf 2022 aus der Luft. Nach zwei Jahren Pause wegen Corona, in denen Weihnachtsdekoration die Menschen anlockte, findet das Dorf nun zum zehnten Mal statt.
Sebastian Wick

Die Holzhütten stehen, aus dem selbst gebauten Backes raucht es, und die großen Christbaumkugeln glänzen quer über dem Hof der Gebäudegruppe von Puravita GmbH in Selters. Hier, wo 45 Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen leben und arbeiten, wird es vom 6. bis 10. Dezember weihnachtlich. Bereits zum zehnten Mal laden Bewohner und Mitarbeiter alle, die kommen wollen, in ihr Weihnachtsdorf mit Leckerem, Originellem und Selbstgemachtem.

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Eine Aufnahme vom Weihnachtsdorf 2022 aus der Luft. Nach zwei Jahren Pause wegen Corona, in denen Weihnachtsdekoration die Menschen anlockte, findet das Dorf nun zum zehnten Mal statt.
Sebastian Wick

Da seien inzwischen viele Selterser dabei, sagt Geschäftsführer Martin Bollinger und erinnert sich an die Anfänge des Weihnachtsdorfs im Jahr 2012: „Die ersten zwei, drei Jahre war in der Bevölkerung Skepsis.“ Doch sie hätten sich nicht beirren lassen und Jahr für Jahr weitergemacht mit Essen, Trinken und Dekoartikeln, die in den Einrichtungen in Selters, Nassau und Baar in der Eifel ebenso hergestellt werden wie der „Firegift“, der hauseigene Grillanzünder. Der Erfolg: „Seit drei Jahren ist die Hütte voll“, freut sich Bollinger. Das bestätigt Stadtbürgermeister Rolf Jung, der das Weihnachtsdorf von Anfang an besucht: „Es wird von Mal zu Mal mehr.“ Ziel sei es, dass sich die Menschen wohlfühlten und Teil der Gemeinschaft würden, wobei die Stadt immer unterstütze.

Von dem Balkon vor seinem Büro schaut Martin Bollinger auf die liebevoll gestaltete Freifläche zwischen den Häusern, in denen die Klienten, wie er sie nennt, wohnen, arbeiten, Therapien erhalten und ihre Freizeit verbringen. Hier habe er 2012, zu Beginn seiner Arbeit in der Einrichtung, die Idee zum Weihnachtsdorf gehabt, erinnert sich Bollinger. Seitdem ist das Dorf von anfangs gemieteten Hütten auf acht eigene, innerhalb der Einrichtung gebauten Stände angewachsen.

In den Holzhäuschen werden der Geschäftsführer, Mitarbeiter und Klienten auch in diesem Jahr wieder vier Tage lang Seite an Seite Pommes frittieren, selbst gemachtes Backesbrot verkaufen und Angebote für Kinder betreuen. In diesem Jahr stehe Fußball und Dart für Kinder auf dem Programm, erzählt Bollinger. Und noch etwas Besonderes gibt es: „Wir haben diesmal Nudeln aus dem Parmesanlaib“, verrät er. Dazu gibt es eine Tombola.

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„Seit drei Jahren ist die Hütte voll“, freut sich Geschäftsführer Martin Bollinger, der 2012 die Idee zum Weihnachtsdorf der Einrichtung in Selters hatte.
Maja Wagener

Die viele Zeit und der hohe Aufwand lohnt sich

Auch heiße Getränke verkaufen die Selterser Puravita-Leute. Die seien alle alkoholfrei, was anfangs für Irritation gesorgt habe, berichtet Bollinger, doch: „Die Menschen, die hier hinkommen, suchen so Nischendinger.“ Gewinn mache die Einrichtung damit keinen: „Wir gucken immer, dass es null auf null ausgeht.“

„Die Einrichtung ist monatelang im Vorfieber“, beschreibt Martin Bollinger die Stimmung. Klienten aus der Werkstatt in Montabaur nähmen extra Urlaub, um dabei sein zu können, weiß er. Fast alle der Klienten zwischen 19 und mehr als 70 Jahren arbeiteten mit, nicht alle in den Hütten, viele in der Vorbereitung, so der Geschäftsführer. Ein Klient meide zum Beispiel große Menschenmengen und bringe deshalb jeden Tag den Glasmüll weg. Jedes Jahr wechselnd machten Klienten mit ihm den Großeinkauf, der kein Spaß sei, wie er augenzwinkernd bemerkt, doch: „Die wissen, dann fährt der Bollinger zu Burger King.“

Die Haltung, die hinter dem Weihnachtsdorf, hinter der Zusammenarbeit stehe, sei die der Einrichtung, bemerkt Bollinger: „Wir sind auch sonst auf Augenhöhe.“ Für jeden Einzelnen werde das gefunden, was zu ihm passe und was ihn fördere, denn vorwiegend gehe es darum, dass die Menschen sähen, dass sie wirksam sind.

Die viele Zeit und der hohe Aufwand lohne sich, denn das sei richtiges Teamwork, schließt er: „Auch wenn das die anstrengendsten Wochen im Jahr sind, es sind auch die schönsten.“

Das Weihnachtsdorf in Selters öffnet von 6. bis 10. Dezember täglich zwischen 14 und 19 Uhr seine Pforten. Neben Essen und Getränken gibt es täglich Programm und eine Lichtershow.

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