200 Euro für wenige Minuten
Abzocke oder gutes Recht? Parksündern in Montabaur droht hohe Strafe
Der Parkplatz an der Montabaurer Bahnhofstraße, schräg gegenüber der Post, ist stark frequentiert. Allerdings parken viele Autos widerrechtlich dort, auch seitdem die Stadt im hinteren Bereich entlang der Stützmauer zehn Stellplätze zur Verfügung stellt.
Katrin Maue-Klaeser

Auf einer privaten Parkfläche an der Montabaurer Bahnhofstraße wird häufig falsch geparkt. Mit der Parkplatzbewirtschaftung beauftragte Anwälte schicken den Fahrzeughaltern Rechnungen über 200 Euro und mehr – zu Recht?

Aktualisiert am 14. März 2025 09:16 Uhr

Wenn derzeit von Parkplatzärger in Montabaur die Rede ist, wissen die meisten Bürger und sogar Besucher der Stadt sofort, um welche Fläche es geht: An der Bahnhofstraße, schräg gegenüber der Post, befindet sich ein kleines geschottertes Areal, das in privatem Besitz steht. Wer dort sein Auto abstellt – und sei es nur für wenige Minuten – riskiert eine Rechnung von mehr als 200 Euro. Das ist schon einer Reihe von Autofahrern passiert, es spricht sich rum. Und doch tappen immer wieder Verkehrsteilnehmer in die Falle.

An der Fläche sind Schilder angebracht, denen zu entnehmen ist, dass es sich um Privatgelände handelt, dass Unbefugten das Parken dort verboten ist und sie damit rechnen müssen, dass ihr Fahrzeug abgeschleppt wird. Es kursiert durch die Sozialen Medien, dass Falschparkern gepfefferte Rechnungen gestellt werden. Ja, die Parksünder hätten sich des Verstoßes bewusst sein können. Doch die Fläche sieht auf den ersten Blick aus wie ein öffentlicher Parkplatz. Auch dort kann zumeist nicht kostenlos geparkt werden, doch kostet ein Knöllchen erfahrungsgemäß etwa 20 Euro, ein Zehntel also. Zudem gibt es dort zu wenige öffentliche Parkplätze – ein Problem, das sich mit der Neuanlage der mittleren Bahnhofstraße, bei der viele Stellplätze weggefallen sind, noch zugespitzt hat.

Auf den zehn Stellplätzen, die die Stadt Montabaur auf der Fläche angemietet hat, können Kunden der umliegenden Geschäfte mit Parkscheibe bis zu einer Stunde kostenfrei parken.
Katrin Maue-Klaeser

Die Stadt hat Anfang November einen Teil der Fläche angemietet, um Parkplätze zu ersetzen, die durch den Ausbau der unteren Bahnhofstraße vorübergehend wegfallen. Ein großes Banner an der Stützmauer des Areals weist darauf hin, dass auf dem Schotterplatz nun zehn Parkplätze Geschäftskunden für eine Stunde mit Parkscheibe kostenlos zur Verfügung stehen. Mithilfe des Banners sind diese zehn Parkplätze durch Nummerierung gekennzeichnet. Neben diesem Banner findet sich ein Plakat, das besagt, dass es sich (bei der übrigen Fläche) um einen Privatparkplatz handelt und unberechtigte Nutzung zu Schadensersatzforderungen von „bis zu 40 Euro zuzüglich Rechtsverfolgungskosten“ führt.

Sowohl auf die Stadt – Bürgermeisterin Melanie Leicher, Citymanager Oliver Krämer – als auch auf die Verwaltung, insbesondere VG-Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich und das Ordnungsamt, kommen immer wieder Verkehrsteilnehmer zu, wenn ihnen Anwaltsschreiben zugehen, die zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung und zur dann „reduzierten“ Zahlung von 200 Euro auffordern. Leicher ist nicht glücklich mit der Situation, die auch im Stadtrat schon zur Sprache kam. „Die private Abmahnpraxis durch einen Anwalt ist der Stadt und der Verwaltung bekannt, ist aber eine rein private Angelegenheit zwischen dem Besitzer und den Fahrzeughaltern, auf die wir keinen Einfluss haben. Als Kommune haben wir keinen Zugriff und Vergleichbares gibt es im Stadtgebiet leider immer wieder. In unserem Interesse liegt das nicht“, antwortet die Stadtbürgermeisterin auf Anfrage unserer Zeitung. Dass indes über die Stadt eine Sammelklage organisiert werde, sei ein Gerücht „und entbehrt jeder Grundlage“, betont Leicher.

Insgesamt sieben verschiedene Schilder machen darauf aufmerksam, dass es sich bei der Fläche um einen Privatparkplatz handelt.
Katrin Maue-Klaeser

Markus Schmidt, Geschäftsführer der Solarfirma Schmidt Consulting und Vertrieb (SCuV), wird als Mieter der Fläche in den Anwaltsschreiben als rechtmäßiger Nutzer genannt und deswegen auch persönlich immer wieder von Falschparkern kontaktiert. Er rät jedem: „Parkt dort nicht!“ Zumindest nicht widerrechtlich. Zehn Stellplätze habe er an die Stadt vermietet, eine Interimslösung, die Schmidt als Tropfen auf den heißen Stein betrachtet. Weitere rund zehn Stellplätze biete das Areal, doch die seien an Anwohner und Gewerbetreibende vermietet, soweit sie nicht von seiner eigenen Firma genutzt würden. „Wenn die Mieter nicht auf ihre Parkplätze kommen, bezahle ich als Vermieter ihnen ein Tagesticket in der Tiefgarage“, schildert Schmidt.

Die Schreiben an die Falschparker kommen von „Mister Parking“ und „GSB 4 Law“, von denen laut Hinweisschild der Parkplatz verwaltet wird. Früher seien Falschparker abgeschleppt worden, dann seien ohne Verhandlungsspielraum 250 Euro fällig geworden, schildert Markus Schmidt. „Das gab viel Ärger, es kam sogar zu Prügeleien“, verdeutlicht er, wieso er die Verwaltung des Parkplatzes an Spezialisten abgegeben hat. Wenngleich es auch mal „den Falschen“ treffe, der in Eile, ohne die sieben angebrachten Schilder richtig zu lesen, nur wenige Minuten dort stehe: „Fast jeder, der dort parkt, hat einen Führerschein und kann also auch lesen. Wenn ich geblitzt werde, muss ich auch bezahlen – eben weil ich mich über geltende Regeln hinweggesetzt habe“, argumentiert Schmidt.

Auf einem Hinweisschild wird darauf hingewiesen, dass der Parkplatz verwaltet wird und bei unberechtigter Nutzung neben Schadenersatz auch "Rechtsverfolgungskosten" gefordert werden können.
Katrin Maue-Klaeser

Allerdings wird die Höhe der drohenden Kosten mit dem Hinweis auf „40 Euro zuzüglich Rechtsverfolgungskosten“ verschleiert. So wirkt es auf Verkehrsteilnehmer wie Abzocke, dass dieses zentral gelegene Areal mit Argusaugen und Kamera belauert wird: Von widerrechtlich geparkten Wagen werden – teils in Minutenschnelle – Fotos gemacht und einer Anwaltskanzlei zur Verfolgung übersandt. Diese ermittelt den Fahrzeughalter und versieht das Schreiben mit den entsprechenden Daten. Der Anspruch wird addiert aus „Rechtsverfolgungskosten und dem erlittenen Schaden unserer Mandantschaft“. Schnell getan, der Rubel rollt.

Einer der Dienstleister nennt sich Mister Parking. „Mister Parking ist deine Lösung gegen Falschparker auf deinem privaten oder gewerblichen Parkplatz. Foto machen – Daten eingeben – Schadensersatz ersetzt bekommen“, heißt es auf der Internetseite. Der Betreiber von Mister Parking ist laut Internetseite genau der Mainzer Anwalt, der eine Leserin unserer Zeitung wegen „Besitzstörung“ an der Parkfläche seiner Mandantschaft angeschrieben hat. Forderung: 225,37 Euro. „Bei Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung und eines rechtzeitigen Zahlungseingangs von 200 Euro wären sämtliche gegenseitige Ansprüche aus der vorliegenden Angelegenheit erledigt“, heißt es in dem Anwaltsschreiben noch „zur gütlichen Beilegung“. Die Frau, die wenige Minuten für eine Erledigung bei der Post dort gehalten hatte, ist entsetzt: 200 Euro kann sie kaum aufbringen.

Viele Falschparker wollen über die Straße zur Montabaurer Post: Nicht nur dort sind im Zuge der Umgestaltung der Bahnhofstraße viele Stellplätze verloren gegangen.
Katrin Maue-Klaeser

Die andere Kanzlei laut Hinweisschild, GSB 4 Law, hat einem Falschparker ebenfalls eine Kostennote über 225,37 Euro zugeschickt. Der junge Empfänger hat sich durch das Schreiben nicht ins Bockshorn jagen lassen, sondern sich mit seiner Rechtsschutzversicherung in Verbindung gesetzt und auch im Internet schlaugemacht.

Einen guten Hinweis fand er auf der Internetseite des ADAC – und wenngleich sich diese auf Supermarktparkplätze bezieht, hatte der junge Mann mit der Argumentation gegenüber der Gießener Kanzlei Erfolg: Er unterzeichnete eine (selbst aufgesetzte) Unterlassungserklärung und bot im Gegenzug lediglich die auf dem Schild erwähnten 40 Euro an. Schließlich hatte er eingesehen, dass er dort nicht hätte halten dürfen. Die Kanzlei akzeptierte. Allerdings warnt der junge Fahrer: „Ich kann nur jedem davon abraten, sein Auto dort abzustellen.“ Er habe sogar schon Leute angesprochen, die gerade aus dem Auto ausstiegen, dass sie sich besser einen legalen Parkplatz suchen sollten.

Diesen Tipp gibt der ADAC

Auf der Internetseite des ADAC heißt es: „Oft beauftragen die Parkraumbewirtschafter für die Einforderung der Unterlassungserklärung eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, um beim Halter Gebühren (ca. 150 Euro) geltend zu machen. Allerdings können Anwaltsgebühren nur gefordert werden, wenn der Grundstücksberechtigte bzw. Parkraumbewirtschafter keine Erfahrung mit Unterlassungserklärungen hat und diese zum ersten Mal verlangen will. Geht er regelmäßig so gegen Falschparker vor, gilt er als geschäftserfahren. Anwaltskosten dürfen dann außergerichtlich nicht mehr von Falschparkerinnen und Falschparkern verlangt werden.“

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