Raub an Silvester in Hattert hatte eine Vorgeschichte
85-Jährige überfallen: Nachbar steht nun vor dem Landgericht
dpa

Hattert/Koblenz. Einen schockierenden Silvesterabend hat eine inzwischen 85-jährige Frau aus Hattert erleben müssen: Als sie im vergangenen Dezember Besuch von einem 58-jährigen Nachbarn erhielt, dachte sie nichts Böses. Dass sie von dem Mann gefesselt, ausgeraubt und geschlagen wird, hätte sie allerdings nicht vermutet. Nun muss sich der Angeklagte wegen schweren Raubs vor dem Landgericht in Koblenz verantworten.

Angeklagter hatte Geldprobleme

Der Nachbar zeigte sich bereits zu Prozessbeginn geständig. Über Freunde und Bekannte habe er erfahren, dass die 85-Jährige wohlhabend sei, sagte er. Dementsprechend habe er bereits lange im Vorfeld mit ihr Kontakt aufgenommen, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Er habe bei ihr regelmäßig Früchte und Obst gekauft. Auch die Tochter und eine Enkelin der Geschädigten waren bei einem Gespräch dabei und empfanden den Angeklagten sofort als suspekt: „Meine Tochter und ich fanden den Mann aufdringlich und überfreundlich“, berichtete die Tochter der 85-jährigen Frau. „Zudem hat er viel wirres Zeug erzählt. Unter anderem, dass er von den Indianern abstammt.“ Da er bereits seit längerer Zeit Geldprobleme hat, setzte sich der Angeklagte das Ziel, die allein lebende Frau zu überfallen, und das setzte er an besagtem Silvesterabend um.

Nachdem er gegen 21 Uhr an der Haustür geklingelt und die Seniorin geöffnet hatte, drang der Nachbar gewaltsam in ihre Wohnung ein und versperrte die Tür mit einem Schrank. Danach fesselte er die Frau mit Handschellen an einen Stuhl. Jedes Mal, wenn sie dem 58-Jährigen Widerworte gab, bestrafte er die Seniorin mit einer Backpfeife. „Es war eine Machtdemonstration“, berichtete die Geschädigte. Mit ihrer Hilfe fand der Mann relativ schnell 450 Euro Bargeld, eine goldene Taschenuhr, ein Beil und eine Hacke. Danach setzte er die Frau weiter unter Druck. Die 85-Jährige solle – sofern sie die Polizei ruft – erzählen, dass ein kleiner Mann, der Hochdeutsch spricht, sie überfallen habe, damit der Verdacht nicht auf den Nachbarn falle. Sollte sich die Seniorin nicht an diese Geschichte halten, würde er persönlich dafür sorgen, dass ihre Enkelin nach Rumänien verkauft wird, drohte der Mann. Aus Angst, dass der Angeklagte dies tatsächlich in die Tat umsetzt, erzählte die Frau der Polizei tatsächlich die Geschichte des kleinen, Hochdeutsch sprechenden Mannes.

Die Beamten glaubten dies zunächst, waren allerdings irritiert, dass die Seniorin nicht aufgeregt wirkte und Ruhe ausstrahlte. Später erzählte die 85-Jährige dann die wahre Geschichte, woraufhin kurze Zeit später die Polizei vor der Tür des Angeklagten stand. Dieser war offenbar überrascht: „Eigentlich habe ich so viel Druck auf sie ausgeübt, dass ich der festen Überzeugung war, dass sie diese Geschichte erzählen wird“, erklärte der 58-Jährige vor dem Landgericht.

Wird ein Gutachten angefordert?

Mit Tränen in den Augen entschuldigte sich der Angeklagte bei der Geschädigten: „Du hast es nicht verdient.“ Die Entschuldigung nahm diese allerdings nicht an und sagte schlicht: „Ich habe es überlebt.“ Die erste Strafkammer prüft nun, ob es sinnvoll ist, ein psychologisches Gutachten über den 58-jährigen Angeklagten, der aktuell in U-Haft sitzt, einzuholen. Den Beschuldigten, der vor einer schweren Erkrankung unter anderem als Maurer gearbeitet hat, plagen derzeit hohe Schulden.

Der Prozess am Koblenzer Landgericht wird am Donnerstag, 13. Juni, um 9 Uhr fortgesetzt.

Von unserem Mitarbeiter
Marvin Conradi

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