Frau muss sich wegen Betrügereien in Montabaur verantworten - Sie gibt an, seit der Kindheit an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung zu leiden
53-Jährige muss sich in Montabaur vor Gericht verantworten: Hat „Evi“ die Freunde ums Geld betrogen?
conradi

Montabaur. Mit einem ziemlich ungewöhnlichen Fall muss sich das Schöffengericht in Montabaur beschäftigen. Es geht um eine 53 Jahre alte Frau, die mit verschiedensten Betrügereien das Vermögen von Bekannten zu ihren Gunsten minimiert haben soll. Um ihre Schulden zu begleichen, hat sie laut Anklage sogar Falschgeld eingesetzt.

Doch ist die Frau überhaupt schuldfähig? Hier tauchten unmittelbar nach Prozessbeginn erste Zweifel auf: Sie gab an, unter einer dissoziativen Identitätsstörung zu leiden. In ihr befänden sich zwei Persönlichkeitszustände, die abwechselnd die Kontrolle über sie übernähmen: Eva und Evi. Ist alles nur ein raffiniert eingefädelter Schwindel einer gewieften Hochstaplerin oder hat es das Gericht tatsächlich mit einer hochgradig persönlichkeitsgespaltenen Person zu tun?

In mehreren Fällen soll die 53-Jährige Bekannte ums Geld gebracht und damit deren Vermögen geschädigt haben. Sie soll sich dabei zeitweise als vermögende Ärztin und Professorin ausgegeben haben, die kurzfristig in Geldnöte geraten sei, was man ihr wegen ihres höflichen und korrekten Auftretens offenbar auch glaubte. Als es ums Zurückzahlen ging, hat sie sich nach Darstellung der Staatsanwaltschaft im Internet Falschgeld besorgt und in Höhe von wertlosen 175.300 Euro an einen Geschädigten überreicht. Um ihre Zahlungsfähigkeit zu unterstreichen, fälschte sie laut Anklage auch ein Anwaltsschreiben, wonach ihr in Kürze 20 Millionen Euro überwiesen würden.

Ehepaar aus Norddeutschland um sein Geld gebracht

Die 53-Jährige räumte bereits kurz nach Prozessbeginn in vollem Umfang ein, dass sie ein befreundetes Ehepaar aus Norddeutschland um sein Geld gebracht hatte. Etwas mehr als 35.000 Euro sollen es laut Staatsanwaltschaft gewesen sein. Der tatsächliche Schaden liegt offensichtlich zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Einer der mutmaßlich Geprellten, ein heute 54 Jahre alter Wareneingangsprüfer, hatte die Angeklagte seinerzeit bei einer Schulung kennengelernt. Sie hatten sporadisch Kontakt, der sich später auf seine Ehefrau reduziert habe, so der Mann, der jetzt als Zeuge gehört wurde. Über die Jahre entwickelte sich eine Freundschaft.

Die Eheleute aus Norddeutschland hatten ein Haus verkauft und verfügten deshalb über größere Barmittel. Sie wollten ein neues Haus umbauen. „Sie war eine sehr gute Freundin und vertrauenswürdig“, berichtete der 54-Jährige vor Gericht. Eines Tages habe die Frau von finanziellen Problemen gesprochen. Sie könne, da sie ja Ärztin sei, eine Praxis übernehmen oder zumindest mit einsteigen, machte sie ihren Freunden deutlich. Sie sagte dem Ehepaar, sie hätte eine Wohnung in Bonn verkauft, der Erlös – 149.000 Euro – sollte innerhalb von 14 Tagen überwiesen werden. Dann könne sie ihnen das Geld wieder zurückzahlen.

Zunächst klang alles sehr plausibel

Für die Eheleute klang das alles zunächst sehr plausibel, infolgedessen sie die „sehr gute Freundin“ über einige Zeit unterstützten. Sie zahlten für deren Sohn das Studiengeld, überwiesen ihr Geld, damit sie den Alltag finanziell bewältigen konnte. Mal waren es 50 Euro, mal 500 Euro, 2500 Euro, ein anderes Mal 5000 Euro. Doch die Wohnung in Bonn gab es nie, zumindest keine, die sich im Eigentum der 53-Jährigen befand. Die Eheleute stellten ihr sogar ihr Volvo-Cabriolet zur Verfügung. „Das ist auch weg“, so der knappe Kommentar des Wareneingangsprüfers. Als er mit ihr am 30. Januar 2018 letztmalig über Geld sprechen wollte, sei der Kontakt abgebrochen. „Wo bist du? Wo ist unser Volvo Cabrio. Wo bleibt unser Geld?“, schrieb er ihr. Eine Antwort blieb aus. Bis heute.

Die Angeklagte entschuldigte sich in Verhandlung

Die Angeklagte entschuldigte sich während der Verhandlung bei ihrem einstigen Bekannten. Druck mit ihrer Tochter, die sich in finanzieller Notlage befand, habe sie gehabt, erklärte sie den Prozessbeteiligten.

„Der Schwiegersohn verspielte alles, sie hatte nichts zu essen. Ich gab ihr das Geld eins zu eins weiter, ich wollte ihr helfen und gab mein eigenes Leben auf“, räumte die 53-Jährige ein. Und dann bringt sie, die Eva heißt, „Evi“ ins Spiel.

„Evi“ habe das alles abgespaltet, erklärte sie den Anwesenden. „Evi“ habe den Schaden übernommen. Sie sei als Eva im Prozess anwesend, habe aber auch ein Bewusstsein für „Evi“, erläuterte sie den Prozessbeteiligten. Auch müsse sie sich ständig kneifen, damit sie der Verhandlung vollständig und nicht wie durch einen Nebelschleier folgen könne. „Evi“ trete als Person zutage, wenn es ihr mit den Problemen zu viel werde, erklärte sie weiter. Schon mehrfach habe sie versucht, sie loszuwerden, es sei ihr aber nie gelungen.

„Evi hat das gemacht mit dem Geld, ich bin sonst ein guter Freund der Menschen“, erklärte die 53-Jährige. „Woher wissen Sie, dass Evi es gemacht hat?“, wollte der Gerichtspsychologe wissen. „Weil sie diese Dinge macht. Ich kann mich nur als Evi aushalten. Beide – Eva und Evi – sind gewaltfrei, sie machen nichts Böses. Ich wusste von der ganzen Sache nichts mehr. Erst nach dem Gerichtsschreiben konnte ich mich wieder an das Ehepaar erinnern“, so die Angeklagte. „Evi“ sei erstmals in ihrer Kindheit aufgetaucht. Sie sei älter als sie und habe sie beschützt, „damit Eva alles schaffen kann“. „Und wer gab an, Ärztin und Professorin zu sein“, hakte der Psychologe weiter nach. Antwort: „Das war „Evi“. Sie hat promoviert.“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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