Unterstützung 449 Ehrenamtliche sorgen für gedeckte Tische in den acht Ausgabestellen im Kreis - Spenden gehen zurück
449 Ehrenamtliche sorgen für gedeckte Tische: 1984 Menschen kaufen bei der "Tafel" ein
So wie in dieser Ausgabenstelle in Westerburg, decken die ehrenamtlichen Mitarbeiter die Tafeln auch in den anderen sieben Ausgabestellen mit geretteten Lebensmitteln ein. Überschüssige und einwandfreie Lebensmittel werden eingesammelt und gegen einen symbolischen Betrag an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen verteilt. Fotos: Röder-Moldenhauer
Röder-Moldenhau

Westerwaldkreis. Lebensmittel retten – Menschen helfen. Das ist das Motto der „Tafel Westerwald“. Im September 2005 gründeten das Diakonische Werk (DW) und mehrere Kirchengemeinden die Einrichtung, die heute kreisweit rund 855 Haushalte mit 1984 Menschen unterstützt.

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So wie in dieser Ausgabenstelle in Westerburg, decken die ehrenamtlichen Mitarbeiter die Tafeln auch in den anderen sieben Ausgabestellen mit geretteten Lebensmitteln ein. Überschüssige und einwandfreie Lebensmittel werden eingesammelt und gegen einen symbolischen Betrag an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen verteilt. Fotos: Röder-Moldenhauer
Röder-Moldenhau

„Ein großer Vorteil für unsere Arbeit ist, dass wir für die rund 200.000 Einwohner im Westerwaldkreis acht Ausgabestellen haben“, sagt Petra Strunk (Diakonisches Werk). Denn die Arbeit in kleineren Einheiten ermögliche eine entspannte Atmosphäre, sowohl für die ehrenamtlichen Mitarbeiter als auch für die Tafelkunden. Zudem gibt es mehr Lebensmittelgeschäfte, die Nahrungsmittel abgeben, als in einer Stadt mit ebenso vielen Einwohnern. Ein weiterer Vorteil: Die Kunden haben kürzere Wege, alles ist persönlicher, die ehrenamtlichen Mitarbeiter kennen ihre Kunden, beschreibt Petra Strunk den Vorteil der Tafelarbeit auf dem Land.

Die Teilnahme wird dabei nicht von der Herkunft eines Menschen abhängig gemacht. Jeder, der bedürftig ist, kann die Tafel in Anspruch nehmen. Wartelisten gibt es nicht, ebenso wenig wie Warteschlangen. „Die Tafelarbeit läuft bei uns anders, als das gängige Bild ist. Bei uns müssen keine Wartenummern gezogen werden, man muss auch nicht möglichst früh bei der Ausgabestelle sein, denn jeder Kunde weiß bei uns genau, wann er bei uns einkaufen kann“, erläutert sie. Grundlage dafür ist ein detaillierter Zeitplan, sodass jeder Kunde genau weiß, zu welcher Zeit er bei der Ausgabestelle erwartet wird.

Berechtigt, Tafellebensmittel zu erwerben, sind beispielsweise Menschen, die arbeitslos sind, die von einer kleinen Rente oder Grundsicherung leben, aber ebenso Berufstätige mit einem nur geringen Einkommen. Anspruch haben auch Wohnungslose oder Asylsuchende. Von all den Menschen in Deutschland, die aufgrund ihrer Einkommenssituation eine Tafel nutzen dürften, tun dies etwa 10 Prozent. Viele kommen aus Scham nicht, andere wissen beispielsweise nicht, wie sie den Weg zur Ausgabestelle bewerkstelligen können. Dass sie auch jemanden beauftragen können, für sie die Lebensmittel abzuholen, ist oft unbekannt.

Die Tafel hilft, die Sorgen um das Alltägliche zu lindern.
Röder-Moldenhau

Knapp 2000 Menschen im Westerwaldkreis kaufen derzeit Lebensmittel bei der Tafel ein. Versorgt werden 855 Haushalte (Stand 1. September 2018), in denen 1248 Erwachsene und 746 Kinder leben. Davon beziehen 291 Haushalte als Einkommen eine Rente oder Grundsicherung über die Kreisverwaltung, das entspricht einem Anteil von 34 Prozent. „Das Thema Altersarmut macht sich da bemerkbar“, wie Johanna Kunz (Diakonisches Werk) sagt. Im vergangenen Jahr (Dezember 2017) waren es noch 891 Haushalte mit 2185 Menschen, die dieses Angebot nutzten, und im Dezember 2015 wurden 1335 Haushalte versorgt (2885 Kunden). Ein Jahr später, also im Dezember 2016, waren es genau 300 Haushalte weniger mit insgesamt 2505 Personen.

Die meisten Kunden legen ihren Bescheid über Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder den Grundsicherungsbescheid als Beweis für ihre Bedürftigkeit vor. „Wir können aber auch kurzfristig auf Notlagen reagieren“, verdeutlichen die DW-Mitarbeiterinnen. Zu finanziellen Engpässen komme es beispielsweise oft, wenn Nachzahlungen (für Strom, Heizung etc.) zu leisten sind oder ein Krankheitsfall eintritt. „Da reicht das Geld in einer Familie dann plötzlich nicht mehr“, weiß Strunk aus Erfahrung. „Wir schauen, was de facto zum Leben übrig bleibt, und versuchen, individuell zu helfen“, sagt Kunz.

In der Zeit, als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hatten auch wir eine Spitze an Kunden, berichtet Strunk. „Und sind an unsere Belastungsgrenzen gekommen“, ergänzt Johanna Kunz. Die Kundenzahl habe sich mittlerweile wieder normalisiert. Weil Flüchtlinge zum Teil weggezogen sind, Arbeit gefunden haben oder vielleicht auch, weil sie die Tafel nicht nutzen wollen, weil die Lebensmittel zum Teil nicht ihrem Lebenskontext entsprechen.

„Aber“, fügt Strunk an, „was wir zu keinem Zeitpunkt hatten: Es gab keine Konfliktsituationen oder Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen oder zwischen den Flüchtlingen selbst. Alles war ruhig“, nimmt sie Bezug auf die Ereignisse rund um die Essener Tafel zu Beginn dieses Jahres. Deren Beschluss, vorläufig nur noch deutsche Neukunden aufzunehmen, hatte für heftige Kontroversen gesorgt.

Ein Grund dafür, dass es im Gegensatz dazu an der Tafel Westerwald ruhig blieb und zugeht, sieht Bettina Deimling-Isack (DW) darin, dass die Kommunikation klappe. „Wir haben übersetzen können, was Tafel eigentlich ist und wie sie arbeitet“, erläutert sie. „Und es gab schnell Mitarbeiterinnen aus den Flüchtlingskreisen in den Tafelstellen“, ergänzt Strunk.

Erfreulich ist auch, dass es immer genügend Menschen gibt, welche die „Tafel decken“. Der Mitarbeiterstamm ist mittlerweile auf 449 Ehrenamtliche angewachsen. Zwar scheide immer mal wieder jemand (z. B. krankheitsbedingt) aus, aber immer wieder melden sich auch Menschen, die helfen wollen. Und das sind nicht nur rüstige Rentner, die noch immer den Großteil der Helfer ausmachen, sondern auch erwerbstätige Menschen oder beispielsweise auch Studenten und Schüler, die ihren Teil für ein soziales Miteinander leisten wollen, indem sie zum Beispiel eine Abholtour übernehmen.

„Es ist ein kleines Wunder, dass das Interesse an dem Ehrenamt so ungebrochen ist“, meint Strunk. Die älteste Mitarbeiterin ist 87 Jahre alt, seit 12 Jahren dabei und steht noch jede Woche in der Ausgabestelle. Die DW-Mitarbeiterinnen loben auch die gute Atmosphäre in den Tafelteams. Sogar Freundschaften seien dabei entstanden.

Zur Arbeit der Teams zählt nicht nur die Ausgabe, sondern auch die Vorbereitung der gespendeten Lebensmittel. So muss beispielsweise das Gemüse sortiert werden. Dass es den Weg überhaupt bis auf die Tafel findet, darum kümmern sich die Abholteams. Die Mitarbeiterteams werden vom DW geschult: Sie erfahren, was Tafelarbeit konkret ist, werden über das Existenzminimum informiert, wie es sich zusammensetzt und wonach sich die Bedürftigkeit richtet. „Kirchen und Wohlfahrtsverbände kritisieren seit Jahren, dass dieses Existenzminimum nicht armutsverhindernd ist“, so Strunk.

Darüber hinaus werden regelmäßig Tafelsprechstunden angeboten. Dabei wird beispielsweise auch der Kundenausweis ausgestellt, wenn eine entsprechende Bedürftigkeit vorliegt. „Wir sind aber auch Ansprechpartner für weiterführende Hilfen“, betont Strunk. „Da ist es sinnvoll, dass die Tafel in das DW eingebunden ist, das viel Unterstützungsmöglichkeiten hat.“

Die Kunden können bei der Tafel nur das einkaufen, was vorher gespendet wurde. Leider hat jedoch die Menge dieser Lebensmittel gegenüber den Anfangsjahren der Tafelarbeit (2005) abgenommen, berichtet Strunk. Allerdings unterliege das saisonalen Schwankungen. Zugleich können die DW-Mitarbeiterinnen beruhigen: „Das, was wir haben, geben wir weiter. Die Taschen sind noch immer gut gefüllt.“

Um all diese Arbeiten leisten zu können, ist Geld nötig. Geld, um die Räume mieten zu können, in denen die Lebensmittel ausgegeben werden, für Stromkosten, für den Transport der gespendeten Waren. Leider sei die Tafel im Laufe der Zeit als Spendenmöglichkeit etwas aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten, bedauert Strunk. Vielen sei gar nicht mehr bewusst, dass Geld benötigt werde, um diese Unterstützung leisten zu können. Die Folge: Im vergangenen Jahr reichte das Spendenaufkommen nicht aus, deckte die entstandenen Kosten nicht. Staatliche Zuschüsse gibt es für diese Arbeit nicht. Einige Verbandsgemeinden und Kirchengemeinden unterstützen die Tafel freiwillig, indem sie beispielsweise Räume zur Verfügung stellen oder einen Teil der Miete tragen.

Auch wenn jeder Kunde weiß, wann sein Einkaufszeitpunkt ist, komme so mancher früher zur Ausgabenstelle, die auch ein Ort der Begegnung ist. Die Kunden wertschätzen, dass sie bei ihrem Einkauf auch nach ihren Wünschen gefragt werden und nicht nur eine vorgefertigte Kiste mit Lebensmitteln ausgehändigt bekommen. „Wir berücksichtigen auch persönliche Vorlieben nach vegetarischer oder veganer Nahrung sowie Wünsche aufgrund religiöser Vorschriften“, ergänzt Deimling-Isack.

Und Strunk weiter: „Ich denke, viele Tafelkunden würden den Menschen, denen es schwerfällt, ihren Alltag mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu bestreiten, die sich aber auch nicht trauen, zur Tafel zu gehen, gerne Mut machen, diesen Schritt zu tun.“

Der Einkauf bei der Tafel kostet für jedes erwachsene Haushaltsmitglied 2 Euro, Kinder sind frei.

Von unserer Reporterin Angela Baumeier

Die acht Ausgabestellen der Tafel

Bei der Tafel erhalten Kunden Lebensmittel die qualitativ einwandfrei sind, aber von den Geschäften nicht mehr benötigt werden und ansonsten vernichtet würden. Diese Lebensmittel werden von den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafel Westerwald bei den Geschäften abgeholt und in den folgenden acht Ausgabestellen an Menschen in finanziellen Notlagen weitergegeben:

1 Bad Marienberg: Weidenstraße 7, gegenüber Vergölst. Ausgabe ist freitags von 13 bis 14.30 Uhr. Ansprechpartner: Johanna Kunz, Tel. 01575/067 80 56 oder 02663/943 00.

2 Hachenburg: Evangelisches Gemeindehaus, Steinweg 15 . Ausgabe ist freitags von 13 bis 14.30 Uhr. Ansprechpartner: Johanna Kunz, Tel. 01575/067 80 56 oder 02663/943 00.

3 Herschbach/Selters: Kloster Marienheim, Heinrich-te-Poel-Straße. Ausgabe ist dienstags von 14 bis 15.30 Uhr. Ansprechpartner: Bettina Deimling-Isack, Tel. 01578/578 01 74 oder 02663/ 943 51.

4 Höhr-Grenzhausen: Rathausstraße 30 a. Ausgabe ist dienstags von 14 bis 15.30 Uhr. Ansprechpartner: Petra Strunk, Tel. 02663/943 011.

5Montabaur/Wirges: Mons-Tabor-Straße 19. Ausgabe ist dienstags und freitags jeweils von 14.30 bis 16.30 Uhr. Ansprechpartner: Bettina Deimling-Isack, Tel. 01578/578 01 74 oder 02663/ 943 51.

6 Ransbach-Baumbach: VIP Citycenter, Rheinstraße 96, Einfahrt 3, Tor 1. Ausgabe ist freitags von 14 bis 15.30 Uhr. Ansprechpartnerin: Petra Strunk, Tel. 02663/ 943 011.

7 Rennerod: Westerwaldhalle, Westerwaldstraße 8. Ausgabe ist dienstags von 14 bis 15.30 Uhr. Ansprechpartner: Johanna Kunz, Tel. Tel. 01575/067 80 56 oder 02663/943 00.

8 Westerburg: Gemeindehaus FEG, Brückenstraße 2. Ausgabe ist dienstags von 15 bis 16.30 Uhr. Ansprechpartner: Petra Strunk, Tel. 02663/943 011.

Einwohner der Verbandsgemeinde Wallmerod nutzen die Tafelausgabestelle Montabaur/Wirges.

Weitere Informationen, auch zu den Tafelsprechstunden, stehen im Internet unter www.tafelwesterwald.de

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