Rund 40 junge Westerwälder Athleten mit geistigen und zum Teil körperlichen Beeinträchtigungen fiebern einem sportlichen Großereignis entgegen: Vom 20. bis 22. Mai werden sie am Landesentscheid der Special Olympics in Mainz teilnehmen. Für die Aktiven, ihre Trainer und Betreuer bedeutet dieses Vorhaben eine riesige logistische Herausforderung, die vorab gut geplant sein muss.
Seit 2015 besteht eine enge Verbindung zwischen der Wäller Sportgemeinschaft Bad Marienberg (WSG) und der Wilhelm-Albrecht-Schule aus Höhn. Der Kontakt entstand durch Marisa Zerella, die als Ergotherapeutin an der Schule tätig ist und zugleich das Amt der Inklusionsbeauftragten der WSG innehat. Durch die Kooperation haben die Schüler die Möglichkeit, regelmäßig in einer inklusiven Laufgruppe zu trainieren. Seit 2016 bestreitet die Gruppe, die aus 25 Sportlern mit und ohne Beeinträchtigung besteht, gemeinsam Wettkämpfe wie Firmenläufe und Volksläufe in der Region. Zehn Betreuer unterstützen die Athleten, Trainer sind neben Marisa Zerella noch Kevin Kessler und Anja Brenner.

Darüber hinaus bietet die Wilhelm-Albrecht-Schule eine Jogging-AG für ihre Schüler an. Das Personal der Bildungseinrichtung ist fachlich versiert, um auf die besonderen Bedürfnisse der Athleten einzugehen, die Betreuer und Trainer aus dem Verein decken die sportlichen Anforderungen ab.
Beim Training außerhalb der Schule und bei Wettkämpfen stehen den Athleten ehrenamtliche Paten im Alter zwischen 16 und 55 Jahren zur Seite – alles Vereinskameraden der Wäller Rolling Runners. Die Paten hatten zuvor keinen oder nur wenig Kontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen.
„Das sind die Menschen, die Inklusion leben. Sie versuchen in ihrer Freizeit und bei den Special Olympics (in ihrem Urlaub), die Vereinskameraden mit Beeinträchtigung zu begleiten, zu betreuen und zu sportlichen Höchstleistungen zu motivieren. Ohne diese Menschen können wir nicht zu so einer Veranstaltung fahren.“
Marisa Zerella, Ergotherapeutin an der Wilhelm-Albrecht-Schule und Inklusionsbeauftragte der WSG Bad Marienberg, lobt das ehrenamtliche Engagement der vielen Betreuer.
„Aber sie tasten sich mit viel Unterstützung, Mut, Offenheit, Engagement und natürlich auch Ängsten und Unsicherheit in diese Aufgabe. Wir sind ehrlich zueinander, sprechen über Schwierigkeiten und finden Lösungen. Das sind die Menschen, die Inklusion leben“, lobt Zerella. Ohne diese Begleiter, die extra Urlaub nehmen, um ihre Kameraden zu den Special Olympics begleiten, dort betreuen und zu sportlichen Höchstleistungen motivieren zu können, sei das Projekt nicht realisierbar.
Bei den Spielen treten die Sportler in den Laufdisziplinen 50 Meter, 100 Meter, 400 Meter, 800 Meter, 1500 Meter und 5 Kilometer an. Auch im Weitsprung, beim Ballwurf, bei Kugelstoßen, beim Speerwurf sowie bei Staffelläufen sind Westerwälder Athleten am Start.

Beim Besuch unserer Zeitung bei den Vorbereitungen im Sportzentrum Bad Marienberg ist den Athleten im Alter zwischen acht und 25 Jahren die Nervosität vor dem Großereignis, aber auch das Selbstbewusstsein, in Mainz überzeugen zu können, anzumerken. Joy strahlt mit der Sonne um die Wette, als sie berichtet, dass sie sich auf ihren Staffellauf freut und natürlich auf Medaillen hofft.
Jan ist am Tag vor der Trainingseinheit 20 geworden. Er bekommt von der Gruppe ein Ständchen gesungen. Doch bevor der mitgebrachte Kuchen verspeist wird, stehen für Jan und seine Kameraden zunächst Laufübungen an. Ben, der im Rollstuhl sitzt, feilt derweil an seinen Ballwürfen, während Samuel sich schon auf das Drumherum der Spiele und das Gemeinschaftserlebnis im Hotel freut.

Damit alles gut läuft, hat das Team gleich zwei Maskottchen dabei: die selbst genähten Stoffwale Willi und Waltraud. Rund 100 weitere Wale hat die Gruppe zuvor verkauft, um dadurch Geld für die Fahrt nach Mainz einzunehmen, die vor allem von Sponsoren (Firmen, Privatleute, Dorfgemeinschaften) finanziert wird. Für alle Beteiligten sind die Special Olympics etwas ganz Besonderes. Damit nichts vergessen wird, gehörte auch eine Probeübernachtung in der Bad Marienberger Jugendherberge zur Vorbereitung.
„Wir haben einen ganz starken Zusammenhalt“, sagt Marisa Zerella strahlend. Die beeinträchtigten Sportler und deren Familien seien glücklich, in der Gruppe einen Ort gefunden zu haben, an dem sie so akzeptiert würden, wie sie sind. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch viele ehemalige Höhner Schüler dem Team weiter die Treue halten.
Veranstaltung schenkt Lebensfreude und Selbstbewusstsein
Special Olympics Deutschland (SOD) ist die deutsche Organisation der weltweit größten Bewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Die Landesspiele bilden alle zwei Jahre den sportlichen Höhepunkt für Athleten aus Rheinland-Pfalz und werden nach dem Muster der Olympischen Spiele ausgetragen. Einige Athleten der Westerwälder Gruppe waren bereits 2023 bei den Spielen in Koblenz dabei. Die Erinnerung an die erste Teilnahme ist dem Team noch in bester Erinnerung. Es sei unglaublich, was die Veranstaltung von den Sportlern und Betreuern fordere, schenke allen Beteiligten aber so viel Selbstbewusstsein, Lebensfreude und Energie, sagt Gruppenleiterin Marisa Zerella. Bei dieser Veranstaltung stünden die Menschen mit Beeinträchtigungen im Mittelpunkt. Es sei der einzige Wettkampf, der ganz auf die Bedürfnisse dieser Sportler eingehe. Auch das Kulturprogramm drumherum (wie die Eröffnungs- oder die Abschlussfeier im Stadion) seien ein großartiges Erlebnis. nh