Die meisten dieser Mädchen und Jungen sind glücklicherweise nicht an Corona erkrankt, aber sie hatten in den vergangenen Tagen Kontakt zu einer positiven Person – überwiegend geschah dies in den Schulen kurz vor dem Lockdown. Da ab dem letzten Kontakt mit einem Erkrankten in Rheinland-Pfalz zehn Tage vergehen müssen, bevor es Entwarnung geben kann, gilt die Quarantäneanordnung für die betroffenen Kinder nun auch an Heiligabend und teilweise am ersten Feiertag noch.
Patrick George aus Stahlhofen bei Montabaur hat unlängst erlebt, was es bedeutet, wenn ein Kind kurz vor Weihnachten in Quarantäne muss. Als seine 13-jährige Tochter erfuhr, dass sie am letzten Tag vor den Schulschließungen Unterricht bei einem Lehrer hatte, der später positiv auf Corona getestet wurde, brach für das Mädchen eine kleine Welt zusammen. Sie habe geweint und sei zunächst untröstlich gewesen, schildert ihr Vater.
„Manche Kinder machen sich Vorwürfe, dass wegen ihnen Weihnachten ausfällt oder die Großeltern nicht kommen dürfen“, sagt George. Als Eltern müsse man versuchen, das irgendwie aufzufangen. Dass die Weihnachtstage in diesem Jahr anders ablaufen werden, war natürlich auch Familie George schon lange vorher klar. Doch die Eltern hatten kreative Vorkehrungen getroffen, um das Beste aus der Situation zu machen.
Nach dem Besuch eines Freiluftgottesdienstes am Heiligabend sollte es einen kleinen Weihnachtsmarkt mit Bratwurststand für die beiden Töchter im eigenen Garten geben. Dazu waren auch die Großeltern eingeladen, die sich vorsorglich schon vor Tagen selbst in Quarantäne begeben hatten. Doch die Nachricht, dass es am 15. Dezember in der Schule einen kritischen Kontakt gab, hat diese Pläne zunichtegemacht.
Seitdem hockt die 13-Jährige nun in ihrem Zimmer und kommt nur raus, wenn sie auf Toilette muss, schildert der Vater. Die Weihnachtslieder auf der Blockflöte, die sie eigentlich mit ihrer siebenjährigen Schwester vorspielen wollte, üben die beiden Mädchen jetzt per Videoschalte.
Präsenzpflicht in Schulen zu spät aufgehoben?
Die Familie will kein Risiko eingehen, dass sich die Großeltern womöglich infizieren. Der Besuch des Gottesdienstes und die geplante Bescherung an Heiligabend mit Oma und Opa wurden deshalb abgesagt. Patrick George hält es für wichtig, dass die betroffenen Familien trotz Weihnachten vernünftig sind. Er ist aber auch wütend auf die Politik, die dieses Problem mit ihren teilweise zögerlichen Entscheidungen mitverursacht habe.
Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium hätte die Präsenzpflicht in den Schulen einfach schon zu Beginn der vergangenen Woche aufheben sollen und nicht erst ab Mittwoch, kritisiert George. Dann hätten fast alle Kontakte, die im Westerwald nun 350 Familien das Fest verderben, gar nicht mehr stattgefunden, rechnet George vor. Denn wenn der letzte Schultag bereits am Freitag, 11. Dezember, gewesen wäre, hätte ein negatives Testergebnis die betroffenen Kontaktpersonen noch vor Weihnachten von den größten Sorgen befreit.
Um diesen Zusammenhang zu erkennen, brauche man kein Mathematikstudium, meint der verärgerte Vater sinngemäß. In den meisten Bundesländern wurde hierauf jedoch keine Rücksicht genommen und die Schulpflicht zu spät aufgehoben.
Da eine Isolation im eigenen Haus bei noch jüngeren Kindern an Weihnachten nahezu unmöglich ist, rät das Westerwälder Gesundheitsamt den betroffenen Eltern und Geschwistern, sich ebenfalls in Quarantäne zu begeben und die Weihnachtsfeierlichkeiten auf die Kernfamilie zu beschränken. Zumindest einen Lichtblick gibt es für die Betroffenen: Die Kinder wurden alle noch vor Weihnachten getestet. Sofern das Ergebnis negativ ausfällt, endet die Quarantäne also spätestens am Abend des ersten Weihnachtstages.
Familie George hofft nun, dass sich ihre Tochter nicht in der Schule angesteckt hat. In diesem Fall werden der private Weihnachtsmarkt und die Bescherung mit den Großeltern dann einfach am zweiten Feiertag, 26. Dezember, nachgeholt. Die Christmette freilich kann in diesem Jahr nur vor dem Fernseher gefeiert werden.