Westerwaldkreis – Einen unerwarteten Verlauf nahm eine Schöffensitzung am Amtsgericht Montabaur: Der wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz Angeklagte wurde freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, vor vier Jahren als 49-Jähriger einem damals 16-Jährigen in der Verbandsgemeinde Altenkirchen 5,5 Gramm Marihuana verkauft zu haben. Eben dieser Jugendliche hatte später bei einer polizeilichen Vernehmung den Namen des Angeklagten ins Spiel gebracht.
Nein, er habe mit Drogen zu diesem Zeitpunkt nichts am Hut gehabt und dem 16-Jährigen keine Betäubungsmittel gegeben, erklärte der Angeklagte vor Gericht. Als der Junge ihn damals bat, ihm eine Tätowierung zu stechen, habe er dies erst getan, als die Erlaubnis der Mutter vorlag. Und einmal sei der 16-Jährige mit einer Schnapsflasche zu ihm in die Wohnung gekommen, berichtete der heute 53-Jährige weiter. Er habe ihm verboten, daraus zu trinken, da er wusste, dass er minderjährig war.
Wie er damals – angesichts dieser Reaktionen – auf die Idee gekommen sei, seinen älteren Bekannten auf Drogen anzusprechen, wollte der Richter von dem als Zeugen geladenen jungen Mann wissen, der erst nach nochmaliger Aufforderung überhaupt zur Hauptverhandlung erschienen war und gerade eine Haftstrafe hinter sich hatte. Weder auf diese Frage noch wann und wo die Übergabe der Drogen genau stattfand, konnte der Zeuge eine überzeugende Antwort geben.
„Schön dran denken, immer die Wahrheit sagen„, ermahnte Richter Reiner Rühmann den heute 20-Jährigen, der zunächst darauf beharrte, ein- bis zweimal vom Angeklagten Gras bezogen zu haben. Das könne auch ein Freund bestätigen, der damals dabei gewesen sei. Als er sowohl vom Staatsanwalt als auch vom Richter auf die Konsequenzen hingewiesen wurde, die eine Falschaussage für ihn haben würde, holte er tief Luft und erklärte dann: „Es kann sein, dass ich den Namen (bei der polizeilichen Vernehmung) unter Druck gesagt habe.“ „Der Angeklagte hat Ihnen also keine Drogen verkauft?„, hakte der Richter nach. „Nein“, bestätigte der Zeuge, der unvereidigt blieb. „Und was ist mit dem Freund, der dabei gewesen sein soll?„, fragte Rühmann weiter. „Der hätte zu allem ja gesagt“, erklärte der Zeuge daraufhin.
„Das ist ein Beispiel dafür, wie Zeugenaussagen im Drogenmilieu zu bewerten sind, wo der Zeuge selbst eine kriminelle Vergangenheit hat. Der Tatvorwurf hat sich nicht bestätigt, der einzig auf der Aussage des Zeugen beruhte. Der Angeklagte ist freizusprechen„, forderte der Staatsanwalt.
Nach der Urteilsverkündung – Freispruch, die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und kommt außerdem für die entstandenen notwendigen Ausgaben des Angeklagten auf – wandte sich Rühmann nochmals an den 53-Jährigen: „Sie haben damals alles richtig gemacht. Aufgrund Ihres Lebenslaufes – es gibt einige Einträge im Strafregister – müssen Sie auch besonders vorsichtig sein. Umso tragischer ist so ein Vorwurf, der nicht stimmt.“
Von unserer Reporterin Angela Baumeier