Corona: So reagieren Gastronomie und Hotellerie auf die Einschränkungen
Zweiter Lockdown wiegt schwer: So reagieren Gastronomie und Hotellerie im Kreis auf die neuesten Einschränkungen
Gastronomie und Hotellerie im Rhein-Lahn-Kreis droht ein ungemütlicher Herbst. Die Betriebe sind vom November-Lockdown besonders betroffen.
dpa

Nach der Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel drastische Corona-Maßnahmen präsentiert. Besonders hart treffen die Lockdown-Regeln die Hotellerie und Gastronomie. Die harten Maßnahmen der Großen Koalition und der Landesregierungen stoßen auch im Rhein-Lahn-Kreis auf zum Teil harsche Kritik.

Gastronomie und Hotellerie im Rhein-Lahn-Kreis droht ein ungemütlicher Herbst. Die Betriebe sind vom November-Lockdown besonders betroffen.
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Kreisverbands Rhein-Lahn im Hotel- und Gaststättenverband

Winfried Orsowa, Vorsitzender des Kreisverbands Rhein-Lahn im Hotel- und Gaststättenverband, kann die aktuelle Entscheidung nicht nachvollziehen: „Schon zu Beginn des Beherbergungsverbots im Oktober, das wieder gekippt wurde, rollte bereits eine Stornowelle über die Pensions- und Hotelbetriebe im Rhein-Lahn-Kreis.

Der neuerliche Lockdown ist für mich vollkommen unverhältnismäßig, da laut Robert-Koch-Institut Restaurants und Hotelbetriebe nachweislich keine Infektionstreiber sind und die Sicherheit der Gäste durch strenge Hygienekonzepte gewährleistet wird. Dieser Lockdown kann für viele Betriebe das Aus bedeuten, da auch nicht abzusehen ist, ob nicht in naher Zukunft weitere Einschränkungen und Lockdowns erfolgen.“

Hotel Weinhaus Treis in Weinähr

Sabine Treis-Drell vom Hotel Weinhaus Treis in Weinähr ist von der Zwangsschließung der Gastronomie und Beherbergungsbetrieben schockiert. „Das muss erst mal sacken, zumal wir doch in den vergangenen Monaten alles richtig gemacht haben“, sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Vater betreibt sie ein Hotel und Restaurant im Gelbachtal.

Mundschutz, Abstand und sorgfältige Archivierung der Zettel, auf denen alle Gäste penibel erfasst wurden. „Es ist nichts vorgefallen“, sagt sie. „Die Gäste waren dankbar, dass sie sich bei uns sicher und willkommen fühlen durften.“ Doch jetzt bekomme die Branche erneut einen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Sie stehe an einem Punkt, an dem sie nicht wisse, wie es weitergeht.

Bereits in den vergangenen zwei Wochen habe sie bei den Gästen eine wachsende Vorsicht und Zurückhaltung erlebt. Eine für November geplante Feier sei von der Kundin von erst 60 auf 50 Gäste reduziert worden, dann auf 25, und nun sei klar, dass sie gar nicht stattfinden kann. Aufgrund der in Berlin mit den Länderchefs verabredeten Maßnahmen werde sie alle Mitarbeiter auf 100 Prozent Kurzarbeit setzen.

Nur nicht-touristische Übernachtungsgäste dürfen von Montag an noch beherbergt werden. Das Haus allein für Dienstreisende und Monteure offenzuhalten, rentiere sich nicht, andererseits sei man für jeden Gast dankbar. Für die Zeit des Lockdowns im Frühjahr hat Sabine Treis-Drell staatliche Unterstützung erhalten, die später floss als gedacht. „Das war eine Hilfe, aber auch schnell aufgebraucht.“

Jetzt muss sie erneut schauen, wie sie die laufenden Kosten soweit möglich reduziert. Die am Donnerstag erhaltene Warenlieferung für Hotel und Küche für die kommenden Tage wäre mit dem Wissen, was auf sie zukommt, sicher geringer ausgefallen.

Wird das Weinhaus Essen zum Abholen anbieten? „Viele Kollegen sind damit gut gefahren“, sagt Sabine Treis-Drell. Das übliche Speisenangebot ihres Hauses bietet sich jedoch nicht unbedingt dafür an. Außerdem seien die Wege vieler Kunden vergleichsweise lang. „Weinähr ist nicht der Nabel der Welt“, weiß die Geschäftsführerin des Hauses, die ratlos auf die kommenden Wochen blickt und eine innere Traurigkeit verspürt. „Hoffentlich geht es irgendwie weiter“, sagt sie.

Hotel/Restaurant Adria Kroatien in Bad Ems

„Wir haben natürlich damit gerechnet, dass die Einschränkungen kommen, und akzeptieren das auch“, sagt Igor Bandur vom Hotel/Restaurant Adria Kroatien in Bad Ems. „Auch wenn wir davon überzeugt sind, dass die Infektionsherde nicht in der Gastronomie liegen.“

Auch in „der Adria“ habe man sich genaustens an die Hygieneschriften und Adresserfassung gehalten. Während der vergangenen Monate habe es keinen einzigen Fall oder Verdachtsfall in dem Bad Emser Familienbetrieb gegeben. Und trotzdem: „Die Angst vor dem Virus ist auch bei unseren Gästen, die größtenteils Best Ager zwischen 50 und 70 Jahren sind, deutlich spürbar.“

Und das habe sich schon vor dem Lockdown an den Besucherzahlen gezeigt. „Mit der Gastronomie wird man in der Regel nicht reich, viele haben keine oder nur kleine Rücklagen.“ Auch seine Eltern, die vor fast 50 Jahren das kroatische Restaurant in Bad Ems eröffnet und ihr Lebenswerk damit geschaffen haben, blicken größter Sorge auf die Entwicklungen.

Igor Bandur ist überzeugt: „Wenn das Weihnachtsgeschäft auch noch wegbricht, werden das zahlreiche Gastronomiebetriebe nicht überleben.“ Deswegen sei schnelle unbürokratische Hilfe für die Branche essenziell.

„Zum Weißen Schwanen“ in der Braubach

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickt Karolin König-Kunz, Chefin des Landgasthofs „Zum Weißen Schwanen“ in der Braubacher Brunnenstraße auf die jüngsten Entscheidungen. „Denn ich persönlich finde, dass dies der richtige Weg zur Eindämmung der Pandemie ist“, sagt König-Kunz.

„Gleichzeitig fühlen wir uns aber unseren Mitarbeiten gegenüber sozial verpflichtet, denn dies bedeutet unter Umständen wieder Kurzarbeit und Gehaltseinbußen.“ Doch während der erste Lockdown „bei uns eine einwöchige Schockstarre verursachte, hielt die Starre diesmal nur wenige Stunden an“. Man hat sich etwas überlegt beim Team vom „Weißen Schwanen“:

Ab Montag wird verstärkt ins Liefergeschäft eingestiegen. „Schließlich sind wir im November für unsere leckeren Gänse bekannt und beliebt, das wollen wir den Leuten weiter ermöglichen“, erklärt die Chefin. Schon beim ersten Lockdown habe man mit dem Projekt „Dinner@home“ für besondere Anlässe punkten können, im November nun werde man diesen Lieferservice verstärken.

Villa Oranien in Diez

„Die Situation trifft uns hart. Nach dem ersten Lockdown hieß es noch, dass es keinen zweiten geben wird – nun müssen die Restaurants im November schließen“, bedauert Christoph Kiessling, Küchenchef und Betreiber der Villa Oranien in Diez. Er zeigt aber auch Verständnis dafür, dass jetzt deutlich durchgegriffen wird, weil die Infektionszahlen ansteigen.

„Ich will auf keinen Fall, dass sich Leute bei uns in der Villa Oranien anstecken“, fügt er an. Kiessling rechnet mit vier schwachen Monaten. „Im November ist zu, im Dezember werden die üblichen Weihnachtsfeiern wegfallen. Danach kommen mit Januar und Februar zwei sowieso schwache Monate“, blickt er voraus. Christoph Kiessling setzt auf Alternativen, um die Ausfälle etwas abzufedern. So soll im Garten der Villa Oranien ein Weihnachtsbaumverkauf angeboten werden, hinzu kommt das Außer-Haus-Geschäft.

Hotels und Restaurants Tannenhof Waldschlösschen in Nastätten

„Natürlich ist das eine schwierige Situation, aber wir müssen tun, was die Regierung sagt“, meint Evropi Boukalis, Tochter der Inhaberfamilie des Hotels und Restaurants Tannenhof Waldschlösschen in Nastätten. Die Gäste würden die Corona-Entwicklung in den Medien verfolgen und hätten Angst.

Die Stornierungen von Tischreservierungen reichten schon bis Weihnachten. Am Donnerstag sei der letzte Hotelgast abgereist. Dass ab Montag alle Gastronomiebetriebe schließen müssen, sei eine Katastrophe. „Das ist eine lange Zeit, vier Wochen“, sagt Boukalis. Ihre Familie betreibe das Hotel in Nastätten bereits seit 15 Jahren. Wenn Evropi Boukalis an den Sommer denkt, so war die Situation deutlich besser:

„Die Gäste sind fast alle wiedergekommen und haben auch die Terrasse genossen.“ In den vergangenen zehn Tagen sei das Geschäft eingebrochen. Zudem habe ihre Familie Waren eingekauft, die nun schlecht werden könnten. Wer im November nicht auf das Essen aus dem Hotel verzichten mag, kann Speisen bestellen und abholen.

IHK-Regionalgeschäftsführer Richard Hover

Auch IHK-Regionalgeschäftsführer Richard Hover blickt kritisch auf das aktuell beschlossene Maßnahmenpaket. „Steigende Fallzahlen schaden am Ende immer auch der Wirtschaft. Das Bestreben der Politik, einen Wellenbrecher zu organisieren, ist zwar nachvollziehbar. Dieser Wellenbrecher steht aus unserer Sicht aber im seichten Wasser“, sagt Hover.

Von der regionalen Gastronomie und Hotellerie, den Fitness- und Kosmetikstudios, Kinos und vielen anderen Betrieben, die nun wieder von der Schließung betroffenen sind, gehen seit Beginn der Pandemie nach seiner Einschätzung keine nennenswerten Infektionen aus. „Unsere Betriebe haben bewiesen, dass sie verantwortungsvoll mit der Situation umgehen und mit Investitionen in den Gesundheitsschutz und in Hygienemaßnahmen den Geschäftsbetrieb wiederaufgenommen haben“, erklärt der IHK-Funktionär.

Die beschlossenen Einschränkungen schadeten daher – zu Unrecht – den Branchen, die ohnehin schon ein schwieriges Jahr mit vielen Einschnitten hinter sich hätten. „Geld kann die Unsicherheit und die Existenzsorgen nur schwer auffangen. Das Mindeste ist, dass die angekündigte finanzielle Entschädigung für nun geschlossene Betriebe noch in diesem Jahr unbürokratisch und schnell ausgezahlt wird“, fordert Richard Hover.

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