Seit zehn Jahren steht Jens Güllering an der Spitze der Verbandsgemeinde Nastätten
Zehn Jahre Bürgermeister der VG Nastätten: „Genauso ein gutes Gefühl wie am ersten Tag“
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Viele Projekte und Themen sind in den vergangenen zehn Jahren über seinen Tisch gegangen: Jens Güllering, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten, spricht über seine bisherige Amtszeit und über künftige Herausforderungen.
Marta Fröhlich

Nastätten. Vor zehn Jahren bezog Jens Güllering sein neues Büro in der Verbandsgemeindeverwaltung. Seitdem sind viele Projekte und Themen über seinen Tisch gegangen. Wie blickt er auf die Zeit? Und vor welchen Herausforderungen steht die Verbandsgemeinde (VG) in den nächsten Jahren wir haben mit dem VG-Chef gesprochen.

Lesezeit 8 Minuten

Zehn Jahre VG-Bürgermeister – wie geht es Ihnen damit?

Super. Es ist noch genauso schön und genauso ein gutes Gefühl wie am ersten Tag. Ich habe im November 2013 die Entscheidung getroffen, mich für dieses Amt zu bewerben, und ich habe das nicht bereut. Obwohl sich natürlich vieles geändert hat: Ich habe den Lebenszeitstatus als Beamter aufgegeben, im familiären Umfeld haben sich viele Abläufe komplett verändert. Ich war zwar vorher auch schon viel ehrenamtlich engagiert und auch oft unterwegs, aber es ist eine andere Dimension, wenn man das im Hauptberuf macht. Aber mit Freude an der Aufgabe geht unglaublich viel.

Mit dem Amt haben sie viele weitere Aufgaben übernommen. Zu viele?

Es ist ganz normal, dass sich aus einem Hauptamt weitere Funktionen ergeben. Auch deshalb, weil wir in den letzten zehn Jahren unglaublich viele Organisationen und Zusammenarbeiten gegründet haben. Zum Beispiel die Holzvermarktungs-GmbH oder die Klärschlammverwertung. Auch wurden wir Leader-Region. Dann ist man natürlich auch Mitglied in der Gesellschaft der jeweiligen Versammlung und muss auch seine Rolle übernehmen. So zum Beispiel auch im Zweckverband Feuerwehrwerkstatt. Ein landesweit einzigartiges Projekt, das wir im Rhein-Lahn-Kreis aufgebaut haben.

Und die Feuerwehr ist eine der ureigensten Aufgaben eines Bürgermeisters. Darüber hinaus engagiere ich mich im Gemeinde- und Städtebund. Als Verbandsgemeinde sind wir da Mitglied, und im Prinzip ist der Verband die Gewerkschaft der Kommunen. Alles wichtige Aufgaben, die zu meinem Job dazugehören und für meine Aufgaben als Bürgermeister hilfreich und nützlich sind.

Apropos Feuerwehr – das erste von zwei neuen Feuerwehrgerätehäusern in Miehlen und Nastätten entsteht gerade. Der Start war holprig und langwierig. Wie blicken Sie auf die Entwicklung der Projekte?

Wissen Sie, ich störe mich ein wenig an den Begriffen. Das war nicht holprig. Bei einem Projekt in dieser Größenordnung ist es nicht außergewöhnlich, dass sehr intensiv darüber diskutiert wird und man auch ein paar Jahre braucht. Andere brauchen Jahrzehnte. Erstens war die Standortwahl eine große Herausforderung, dann musste die Bebaubarkeit erwirkt werden, sprich Bebauungsplan mit vielen öffentlichen Beteiligungen. Und parallel dazu wurde geplant. Und: Wir haben bewusst die Feuerwehr intensiv eingebunden.

Es gibt Stimmen, die sagen: Zu viel?

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir das vernünftig gemacht haben. So haben wir zu Baubeginn Klarheit und müssen nicht während der Bauzeit diskutieren und kostenintensiv umplanen. Das hat Zeit gekostet. Ja, aber ich glaube sinnvoll investierte Zeit.

In Nastätten läuft die Baustelle. Wann geht‘s in Miehlen los?

In Nastätten war am 2. Mai Spatenstich. Der Baufortschritt läuft gut. In wenigen Wochen steht der Rohbau. Und auch mit der aktuellen Kostenentwicklung sind wir zufrieden. Für Miehlen ist der Bauantrag gestellt. Da warten wir jetzt auf die Genehmigung. Parallel erstellen die Büros die Ausführungsplanung. Auch hier geht es gut voran.

Ein wichtiges Thema für die Region ist Bildung. Wie steht es um die Grundschulen, für die die VG Träger ist?

Bei beiden Schulen war einiges zu tun, und es wird auch künftig viel zu tun sein. In beide Schulen wird kontinuierlich investiert, zum Beispiel für Mobiliar. Aber auch baulich: In Nastätten haben wir die Böden komplett erneuert. Die Mühlbachschule in Miehlen ist in einem riesigen und alten Gebäude. Da ist immer etwas zu tun. Ein Schwerpunkt war der Austausch der Fenster. Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass wir bei der Gebäudereinigung auf eigenes Personal setzen. Die Reinigung hat unmittelbar mit der Erhaltung der Gebäudesubstanz zu tun. Da ist alles in Ordnung, weil das eigene Personal sich mit „seiner“ Schule identifiziert.

Und was steht in Miehlen baulich an?

Da sind wir gerade beim Brandschutzkonzept und warten auf die Ergebnisse. Wir haben in den letzten Jahren die Beleuchtung der Halle auf LED umgestellt. Das war ein guter Schritt. Im unteren Gebäude wurde die Toilettenanlage komplett saniert. Außerdem haben wir in beiden Schulen in puncto Digitalisierung zum Beispiel auf digitale Tafeln umgerüstet und die Schulen mit Tablets ausgestattet.

Woher kam das Geld dafür?

Wir haben viel Geld aus dem Digitalpakt genommen und investiert. Neue Lüftungsanlagen haben wir sehr kurzfristig aus Förderprogrammen finanziert. Natürlich wird da ganz viel Geld bewegt. Ich glaube, dass es sinnvoll eingesetzt wurde und wird.

Jetzt steht das nächste Thema für die Grundschule an – die Ganztagsförderung. Wie sind Sie aufgestellt?

Also Ganztagsbetreuung haben wir ja schon in beiden Schulen. Das ist für uns jetzt kein neues Thema. Klar ändern sich da gewisse Dinge, aber ich denke, da sind die Schulen vom Grundsatz sehr gut vorbereitet. An der pädagogischen Ausrichtung arbeiten die Schulen aktuell. Als Schulträger haben wir uns bereits überlegt, was wir mit den Basismitteln machen werden, die über das Ganztagsförderungsgesetz zur Verfügung gestellt werden. Wir waren die erste Schule im Kreis, die eine positive Rückmeldung aus dem Ministerium bekommen hat. Wir werden den Mensabereich umbauen und entsprechend ausstatten. Und auch Toilettenbereiche werden erweitert und saniert. Auch im energetischen Bereich wird einiges passieren.

Von welchen Summen sprechen wir hier?

Unser Anteil hat ein Volumen von rund 700.000 Euro aus dem Gafög-Basisfonds, den wir im Kreis aufgeteilt haben. Das war ein sehr gutes Miteinander, und unser Anteil ist gut verplant. Die Grundlage für unser Tun in der VG ist das Schulentwicklungskonzept, das wir frühzeitig angepackt und beschlossen haben.

Schauen wir auf die Kitas. Wie stemmen die Kommunen diese Herausforderung?

Organisatorisch ist die Verbandsgemeinde nicht Trägerin der Kitas, dafür gibt es die Zweckverbände. Diese nehmen mit größter Leidenschaft ihre Aufgaben wahr. Trotzdem merke auch ich, dass einige mittlerweile sagen: Puh, das ist ja gar nicht mehr im Ehrenamt zu schaffen. Es ist einfach eine Riesenaufgabe. Man muss sich vorstellen, ein Verbandsvorsteher ist im Ehrenamt Vorgesetzter von allen Erzieherinnen und Erziehern in den jeweiligen Einrichtungen. Das können schon mal 15, 20 oder auch mehr Menschen sein. Das ist schon eine extreme Nummer. Neben dem Personal geht es zum Beispiel um bauliche und um sicherheitsrelevante Fragen im Betrieb.

Wie hat sich der Kitabereich personell entwickelt?

Als Verbandsgemeinde sind wir Verwaltungsbehörde für die Kitas und damit auch für die Personalbetreuung zuständig. 2004 hatten wir 81 Erzieherinnen in der Verbandsgemeinde, 2023 waren es schon 279, und in absehbarer Zeit werden wir die 300er-Marke deutlich überschreiten. Mit dem „Neue Kita“-Gesetz und dem Fachkräftemangel kommt eine große Aufgabe auf uns zu. Ein ganz großes Problem am neuen Gesetz ist die Personalisierung mit den ganzen Vorgaben. Es muss schneller auf Veränderungen reagiert werden und höhere Betreuungsquoten brauchen viel mehr Personal.

Wie wollen sie dem schon jetzt vorherrschenden Fachkräftemangel hier begegnen?

Alle unsere Kitas bieten regelmäßig die Möglichkeiten an, ein schulisches Praktikum abzuleisten. Auch für die ausbildungsbegleitenden oder studienbegleitenden Praktika sowie für das Berufspraktikum stehen sie immer zur Verfügung. Sofern es tariflich möglich ist, zahlen wir ein freiwilliges Taschengeld, um die Arbeitsleistung anzuerkennen. Außerdem stellen wir regelmäßig Auszubildende in der Teilzeitausbildung zu Erzieher oder Erzieherin ein, die ein tarifliches Gehalt je nach Vorbildung erhalten. In diesem Jahr waren es acht in unseren zehn Kitas.

So binden wir junge Menschen an uns. Den Job über die Bezahlung generell attraktiver zu machen, dafür haben wir als Träger relativ wenig Möglichkeiten. Wir sind tarifgebunden. Da müssen auch die Tarifparteien schauen, diese Herausforderung zu lösen.

Nicht nur ein gutes Bildungsangebot macht die Region für Familien attraktiv. Sie wollen auch schnelles Netz. Wie läuft der Glasfaserausbau in der VG?

Wir haben 2015 in allen Gemeinden für Breitbandinternet gesorgt. Da war ich gerade in der Corona-Pandemie froh, dass das hinter dem Pflug war. Sonst wären Homeoffice und Homeschooling zum Problem geworden. Jetzt wollen wir natürlich, dass irgendwann alle Häuser mit Glasfaser angeschlossen sind. In Deutschland wurde aber irgendwann entschieden: „Wir liberalisieren den Telekommunikationssektor, der Markt regelt das schon.“ Das hat absolut nicht geklappt, zumindest nicht im ländlichen Raum. Deshalb sind wir jetzt in der weiteren Umsetzung von Teilprojekten. Wir haben gerade die Schulgebäude mit Glasfaser angeschlossen.

Parallel läuft die nächste Teilfacette mit der Erschließung der Gewerbegebiete. Da gab es vor längerer Zeit Ausschreibungen im gesamten Kreis. Hier ist nun die Telekom beauftragt, bisher liegt uns aber leider noch keine Detailplanung vor. Ich erwarte, dass es hier jetzt auch mal zügiger vorangeht. Die Planung ist nur die Grundlage, danach muss ja noch gebaut werden.

Und die Privathaushalte?

Wir haben in der VG noch einige weiße Flecken, die nach dem damaligen 2015er-Projekt immer noch nicht die Gesamtbandbreite bis 30 Megabit erreichen. Da haben wir mittlerweile die ersten Genehmigungsplanungen und auch Trassenpläne vorliegen, und noch im Oktober wird in der Verbandsgemeinde mit den Tiefbauarbeiten begonnen.

Und dann gibt es noch den eigenwirtschaftlichen Ausbau. Im Moment funktioniert das bei 14 Gemeinden. Aber zwischen 14 bis 32 ist noch ein bisschen Luft, und da kann noch mehr und muss noch mehr passieren. Der UGG, die dort ausbauen will, laufen wir noch ein bisschen hinterher. Die sind an der Planung, aber draußen passiert noch nicht viel. Insgesamt bin ich mit dem Gesamtthema Breitbandausbau in Deutschland unzufrieden, weil man das hätte von oben nach unten klarer definieren und umsetzen müssen. Das ist meine persönliche Meinung aus den Erfahrungen der letzten Jahre.

Wurden da die Kommunen auch ein bisschen allein gelassen?

Ja, ich glaube, das ist die Quintessenz. Das Ganze läuft zu unkoordiniert. Es gab am Anfang keine Vorgaben für die passive Infrastruktur wie zum Beispiel Leerrohre, die die Kommunen auf eigene Faust verlegt haben. Jetzt heißt es hier und da vonseiten der Telekommunikationsunternehmen: „Damit können wir nicht arbeiten.“ Man hat schlicht große Begehrlichkeiten geweckt, was sich heute nicht oder nur sehr zäh realisieren lässt. Das führt zu Frust vor Ort, obwohl hier unglaublich viel getan wird.

Werfen wir einen Blick auf das Großereignis der kommenden Jahre, die Buga 2029. Will die VG Nastätten auch ein Stück vom Kuchen?

Natürlich wollen auch wir etwas vom Kuchen abhaben, müssen aber auch etwas tun dafür. Klar ist: Wir sind nicht unmittelbar Teil der Gebietskulisse. Dennoch liegt das Blaue Ländchen aber in einer exklusiven Lage, nämlich direkt nebendran. Das bietet Chancen, auch über den Buga-Zeitraum hinaus. Es gab ja schon einmal eine Buga in der näheren Umgebung. Die hat auch ihre Wirkungen in die weitere Region entfaltet.

Natürlich kann eine Verbandsgemeinde oder eine Stadt und Ortsgemeinde nicht selbst ein Hotel bauen oder ein gastronomisches Angebot schaffen. Da braucht es Initiativen von außen. Natürlich werden wir jeden guten Plan und jeden Investor sehr engmaschig begleiten und unterstützen, was ja auch schon geschieht. Aufgabe der Kommunen ist, zum Beispiel die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Und gleichzeitig werden wir eigene Projekte voranbringen, zum Beispiel die Rad- und Wanderwege, genau wie das Thema ÖPNV. Ich glaube schon, dass wir hier in der Region da den Fokus setzen müssen.

Bei den Radwegen ist es schwierig, alle Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Aber ich bin optimistisch. Das wird auch gelingen. Beim ÖPNV wollen wir die Linienbündelungsausschreibung, die jetzt für den Bereich Loreley-Nastätten ansteht, nutzen, um während der Buga die Verbindungen vom Blauen Ländchen ins Buga-Gebiet zu intensivieren. Parallel wurde das Thema Taunusturm in den Gremien der VG angesprochen, da arbeiten wir auch dran. In der Kooperation mit den Kommunen vor Ort werden wir bis 2029 einiges umsetzen können. Gemeinsam bleiben wir dran.

Das Interview führte Marta Fröhlich.

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