Was sind die Great Spas of Europe? RLZ stellt die gemeinschaftlichen Bewerber fürs Welterbe vor - Heute: Karlsbad in Tschechien
Wo Geysire sprudeln und Stars logieren: Neue Serie unserer Zeitung über die „Great Spas of Europe“
Die Marktkolonnade gehört zu einem der beliebtesten Fotomotive in Karlsbad (Karlovy Vary). Hier tummeln sich jeden Tag Tausende Touristen. Die gesundheitsförderlichen Eigenschaften der Karlsbader Mineralquellen sind schon seit dem Mittelalter bekannt.
Martin Schneider

Elf Städte, sieben Nationen, ein Ziel: die Anerkennung als Weltkulturerbe. Sie sind keine Konkurrenten, sondern ein Team, diese elf bedeutenden europäischen Kurbäder des 19. Jahrhunderts, die als „Great Spas of Europe“ auf die Liste der Unesco eingetragen werden und damit einen Meilenstein in der Geschichte des Welterbes setzen wollen. Doch wer oder was sind die Great Spas of Europe? Die Rhein-Lahn-Zeitung stellt in einer neuen Serie die gemeinschaftlichen Bewerber fürs Welterbe vor – Teil 1: Karlsbad in Tschechien, der größten Kurstadt Europas und einer der traditionsreichsten und bekanntesten Badeorte der Welt.

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Die Marktkolonnade gehört zu einem der beliebtesten Fotomotive in Karlsbad (Karlovy Vary). Hier tummeln sich jeden Tag Tausende Touristen. Die gesundheitsförderlichen Eigenschaften der Karlsbader Mineralquellen sind schon seit dem Mittelalter bekannt.
Martin Schneider

Nie zuvor gab es einen vergleichbaren Antrag bei der Unesco, nie zuvor waren so viele Nationen, Kommunen und Akteure beteiligt. Seit 2013 ist auch Bad Ems mit von der Partie. Das Kleinod an der Lahn kämpft gemeinsam mit Baden-Baden und Bad Kissingen (Deutschland), Karlsbad, Franzensbad und Marienbad (Tschechien), Baden bei Wien (Österreich), Bath (Großbritannien), Montecatini Terme (Italien), Spa (Belgien) und Vichy (Frankreich) um den Aufstieg in den Rang der Welterbestätten.

Unsere Zeitung begleitet den Prozess bereits seit den Anfängen. In den kommenden Wochen wollen wir die Bewerberstädte vorstellen und beginnen mit der „Keimzelle“ Karlsbad (Karlovy Vary).

Kalrsbader gaben die Intitialzündung für eine europaweite Bewerbung als Weltkulturerbe

Denn die Idee, über Landesgrenzen hinweg mit der europäischen Badekultur des 19. Jahrhunderts eine Nominierung als Weltkulturerbe auf den Weg zu bringen, kam 2010 aus Tschechien. Der damals amtierende Karlsbader Bürgermeister Petr Kulhánek machte sich auf die Suche nach Mitstreitern in ganz Europa und stieß damit den Prozess an, der neun Jahre später, im Januar 2019, mit der Abgabe des 1434 Seiten starke Nominierungsdokumentes bei der Unesco in Paris einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.

Auch die deutsche Kurstadt Baden-Baden war maßgeblich an der „Zündung“ der transnationalen Bewerbung beteiligt, denn dort tagte, ebenfalls im Jahr 2010, die Icomos, jene Gutachterkommission des Internationalen Rats für Denkmalpflege.

Eigentlich hätte bereits im vergangenen Jahr, anderthalb Jahre nach Abgabe des Nominierungsdokumentes in Paris im Januar 2019, bei der Jahrestagung der Welterbekommission die Entscheidung fallen sollen. Doch die für Juni 2020 anberaumte Sitzung in China wurde wegen der Coronapandemie abgesagt. Nun wird das Thema in der Jahrestagung 2021 mitbehandelt werden. Eine Entscheidung soll Ende Juli fallen.

Karlsbad, der größte “Freiluftsalon Europas"

Was immer bei der Jahrestagung für die Great Spas entschieden wird: Allein die Bewerbung in den einzelnen Städten hat eine Menge Gutes und Nachhaltiges bewegt und den Blick auf den historischen Wert, auf den Schatz, geschärft. Im tschechischen Karlsbad war dabei das Bewusstsein für das besondere Gut von Beginn der Bemühungen an bereits deutlicher ausgeprägt als bei anderen Bewerbern, denn das Kurbad ist damals wie heute ein Touristenmagnet.

Als größter „Freiluftsalon Europas“ empfing Karlovy Vary fürstliche Familien, europäische Staatsoberhäupter, den Hochadel und viele prominente Künstler. Berühmt ist das Kurbad unter anderem durch seine geysirartigen Quellen. Die wohl bekannteste der insgesamt zwölf Karlsbader Quellen befindet sich in den Weißen Kolonnaden und wird Sprudel (Vrídlo) genannt. Sie ist 72 °C heiß und schießt bis 14 Meter in die Höhe. Die Heilwirkung der Karlsbader Thermalquellen ist wohl schon im 14. Jahrhundert bekannt gewesen. Zur Entdeckung gibt es die Sage, wonach ein durstiger Hirsch mit seinen Hufen die erste warme Quelle freigelegt haben soll.

In den schönen, zahlreichen Kolonnaden der herausragenden Bäderarchitektur Karlovy Varys tummeln sich Tausende Tagesbesucher, die mit den traditionellen Porzellanbechern jener Trinkkur frönen, die bereits im 19. Jahrhundert so intensiv kultiviert worden ist.

Teil des beeindruckenden Kurensembles ist das 1770 gegründete, am Ufer der Teplá gelegene, Grandhotel Pupp, das der Hotelier Julius Pupp (1870–1936) zu einem Hotel der internationalen Spitzenklasse ausgebaut hatte. Das weitestgehend im Jugendstil gehaltene Innere kann auch von Touristen besichtigt werden.

Auch Filmstars haben Karlsbad bereits für sich entdeckt

Besonders Cineasten zieht es dorthin, denn das Grandhotel ist seit mehr als 50 Jahren während des Karlsbader Filmfestivals nicht nur Schauplatz von Programmveranstaltungen, sondern und vor allem ein komfortabler Rückzugsort für die größten internationalen Stars: Daniel Craig, Robert de Niro, Ornella Muti oder Robert Pattinson – die Liste ist lang; und sie logierten alle dort. Auch als Drehlocation ist das Hotel beliebt: Teile des James-Bond-Films „Casino Royale“ entstanden im „Pupp“ genauso wie das Remake des amerikanischen Filmklassikers „Noch einmal Ferien“ mit Queen Latifah und Gérard Dépardieu.

Im historischen Zentrum von Karlsbad erinnern viele Ecken an die kleine Schwester Bad Ems in Deutschland: Vor allem architektonisch gibt es einige Parallelen. Die Umgebung des historischen Zentrums wird durch Terrassen am Talhang, extravagante Villen, Promenaden, Wege und einsame Aussichtspunkte wie der Diana Lookout Tower geprägt – dorthin führt eine Standseilbahn aus dem Jahr 1912. Auch hier gibt es also Ähnlichkeiten zu der Kurstadt an der Lahn.

Doch während alle Welt schon von Karlsbad weiß, wartet Bad Ems noch darauf, von internationalen Touristen wiederentdeckt zu werden.

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