DAS Zukunftsthema schlechthin stand kürzlich im Fokus des diesjährigen Wirtschaftsempfangs, zu dem die Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz gemeinsam mit unserer Zeitung geladen hatte. Wie kann Künstliche Intelligenz in der Praxis eingesetzt werden? Welche Herausforderungen bringt sie mit sich, aber auch welche Vorteile? Diese und viele weitere Fragen beschäftigen Unternehmer wie politische Akteure gleichermaßen, wie auch der große Andrang bei der Veranstaltung zeigte. Rund 160 Gäste füllten dabei die für einen Empfang untypische und doch perfekt geeignete Location. Mitten in einer Produktionshalle von Heuchemer Verpackung in Miehlen traf man sich, um sich auszutauschen und zu vernetzen.
Nach Grußworten von IHK-Vizepräsident Jens Geimer, dem Ersten Beigeordneten des Rhein-Lahn-Kreises Marcel Willig und Gastgeberin Laura Heuchemer gab selbige einen kleinen Einblick in die Geschäftswelt der Miehlener Firma. „Als Familienunternehmen mit 110 Jahren Geschichte wissen wir, wie wichtig Vernetzung in der Region ist, und deshalb freue ich mich sehr, dass wir mit dem Thema KI im Mittelstand offensichtlich einen Treffer gelandet haben“, freute sich die Unternehmenschefin, die gemeinsam mit ihren beiden Geschwistern Heuchemer Verpackung in die Zukunft führt.

Mit diesem Praxiseinblick ging es flott weiter im Programm, durch das Lars Hennemann, Chefredakteur unserer Zeitung, führte und ebenfalls aus der redaktionellen Praxis und ersten erfolgreichen Erfahrungen mit KI berichtete. Wie vielfältig die Technologie in mittelständischen Unternehmen bereits zum Einsatz kommt, konnten drei Unternehmer aus der Großregion Koblenz berichten.
So zum Beispiel Karl-Heinz Förderer, Geschäftsführer von PSI Technics. Das Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Automatisierung industrieller Prozesse in Winningen an der Mosel setzt bereits überall dort, wo ein Mensch sitzen könnte, Künstliche Intelligenz ein, ob in der Buchhaltung, dem Rechnungswesen oder dem Bespielen von Social-Media-Kanälen. „Nein, wir machen das nicht, um Personal zu sparen. Denn wir haben das Personal schlichtweg nicht. Ohne KI könnte ich kein Unternehmen führen“, erklärte Förderer nüchtern mit Blick auf den immer größer werdenden Fachkräftemangel. „In den nächsten Jahren gehen 13 Millionen Menschen in Deutschland in Rente, nur sieben Millionen kommen nach. Diese Lücke müssen wir irgendwie schließen.“ Deshalb führt seiner Meinung nach für Unternehmen kein Weg an KI vorbei. „Das ist keine Zukunftsmusik, KI ist schon da und wird überall intensiv genutzt. Sie sind eingeladen einzusteigen. Und das sollten Sie auch“, appellierte Förderer.

Diesen Aufruf braucht Thorsten Michel nicht mehr, denn er ist mit seinem Unternehmen T. Michel Formenbau in Lautert (Verbandsgemeinde Nastätten) schon so weit. Das Hightech‑Unternehmen entwickelt und stellt Werkzeuge zur Verarbeitung von Partikelschaumstoffen sowie Spritzguss‑ und Tiefziehwerkzeuge her und bedient sich dabei Künstlicher Intelligenz.
„Auch wir könnten aufgrund der Auftragslage gern weitere 18 Leute einstellen, die gibt es aber nicht. Deshalb stellen wir mithilfe von KI 3D-Modelle automatisiert her“, berichtete Michel aus der Praxis. Das ging sogar so weit, dass man bereits mit dem Handelsriesen Amazon Prime in Gesprächen ist, weil Michel mithilfe von KI eine Drohnenform entwickelt hat, die die Luftbelieferung in Deutschland revolutionieren könnte. Seine Empfehlung an die Unternehmen: „Holt euch einen Berater ins Haus, der prüft, wo ihr KI einsetzen könnt. Aber macht euch auf den Weg!“
Dass auch erste kleine Schritte doch wichtige sind, zeigte Nils Schuster von der Tischlerei Wünsche aus Nistertal (Westerwaldkreis). „Wir nutzen KI seit zwei Jahren als Co-Pilot, verbessern damit interne Prozesse wie das Schreiben von E-Mails und oder das Erstellen von Kunden- oder Produktlisten“, berichtete Schuster, der auch Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Westerwald-Lahn ist. Außerdem erledige ein KI-Agent genau das, was früher viel Zeit gefressen habe. „Zum Beispiel recherchiert ein Tool: Wo sind die Kunden, die wir brauchen? Was brauchen diese Kunden? Was haben sie für Themen, wo wir helfen können?“ Wohin die Reise mit KI geht, das wisse man aktuell noch nicht, „aber wir brauchen Vertrauen und Zeit, um uns damit vertraut zu machen und es in unsere Praxis zu integrieren“, ist er überzeugt. „Natürlich sollte man sich beraten lassen. Aber am wichtigsten ist: beginnen!“

Dies konnte auch Lars Hennemann aus der Erfahrung mit dem Einsatz von KI bestätigen: „KI-Prozesse und deren Implementierung laufen bisweilen langsam. Aber diese Zeit kann man auch nutzen, um das Team mitzunehmen.“ Dass der Weg der Zukunft in Wirtschaft und Industrie nicht an der Technologie vorbeiführen wird, darüber waren sich alle Unternehmer einig, auch wenn es mitunter herausfordernd ist. „Aber KI hat nichts mit Komfortzone zu tun, sondern mit Wettbewerbsdenken. Wir müssen mithalten, um zu überleben. Dafür bringt Künstliche Intelligenz klare Vorteile“, so Förderer. Mit diesem Schlusswort startete man in das lockere Beisammensein, wo sich die zahlreichen Unternehmer sowie Akteure aus Politik und Gesellschaft rege austauschten, Kontakte knüpften oder an einer der Unternehmensführungen durch die Hallen von Heuchemer teilnahmen.